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Die umstrittene Regel
Tennisspielerinnen dürfen bei Wimbledon künftig auch in nicht weißer Unterwäsche spielen
Wimbledon ist das älteste und traditionsreichste Tennisturnier der Welt: Erstmals ausgetragen 1877, wurde dieses Jahr die 135. Auflage ausgespielt – und einige Rituale des vom All England Tennis Club ausgerichteten Turniers bestehen bis heute. So werden dem Publikum seit jeher Erdbeeren mit Sahne während der Veranstaltung angeboten und die Spielerinnen und Spieler müssen vollständig weiß gekleidet auf dem Rasenplatz antreten.
Erdbeeren mit Sahne wird es auch im kommenden Jahr wieder geben, wenn Tausende zum »Mekka des Tennissports« pilgern, um den Besten der Welt dabei zuzusehen, mit welcher Leichtigkeit und Eleganz sie den faustgroßen gelben Ball stundenlang übers Netz hin- und herschlagen. Die strengen Kleidervorschriften während der Partien bleiben ebenfalls bestehen, allerdings dürfen die Tennisspielerinnen künftig statt weißer auch dunkle Unterhosen unter den weißen Outfits tragen, wie die Organisatoren am Donnerstag in einer Pressemitteilung bekannt gaben.
Den Athletinnen soll damit das Spielen während der Periode erleichtert werden. »Wir sind bestrebt, die Spielerinnen zu unterstützen und auf ihr Feedback zu hören, wie sie ihr Bestes geben können«, wird Wimbledon-Geschäftsführerin Sally Bolton zitiert. Für die Zukunft bedeute die Anpassung des Dresscodes, »dass Frauen und Mädchen, die bei den Championships antreten, die Möglichkeit haben, farbige Unterhosen zu tragen, wenn sie dies wünschen«. Ab dem kommenden Jahr soll die neue Bestimmung gelten.
Der Veranstalter reagiert mit der Änderung auf die anhaltende Kritik an seinen Kleidervorschriften. Während des diesjährigen Turniers hatte eine Gruppe von Demonstranten mit weißen Shirts und roten Unterhosen eine Anpassung des Dresscodes verlangt. Auch Größen des Sports wie Judy Murray, Tennistrainerin aus Schottland, oder Superstar Roger Federer kritisierten in der Vergangenheit die Regel. Murray sprach kürzlich mit der »Daily Mail« über die Problematik, während der Menstruation in weißen Kleidern Tennis zu spielen. »Wenn man Weiß trägt und womöglich während des Spielens ausläuft – ich kann mir nichts Traumatischeres vorstellen«, sagte die Mutter von Wimbledon-Sieger Andy Murray. Der Schweizer Federer bezeichnete den Zwang zum weißen Outfit 2015 als »ziemlich extrem« und sogar als »kleine Schande«.
Die »All-White-Regel« bei Wimbledon wurde ursprünglich eingeführt, damit in dem noblen Sport »peinliche« Schweißflecken durch die weiße Kleidung nicht so sehr zum Vorschein kommen. Nur brauchte der All England Club fast 150 Jahre, um zu verstehen, dass auch Blutflecken auf Unterhosen für die Spielerinnen unangenehm sein können, und um sein Regelwerk entsprechend anzupassen. Für Murray zeigt die Entscheidung, wie wichtig es sei, dass »Frauen in Entscheidungsgremien vertreten sind, weil sie verstehen, wie es ist, Menstruationszyklen zu haben und sie die Angst kennen, dass diese beim Tennisspielen auftreten«.
Die Kontroverse um die Kleidervorschriften von Wimbledon hat schon lange Tradition. Der ehemalige US-Tennisspieler Andre Agassi verzichtete Ende der 1980er Jahre auf eine Teilnahme am Prestigeturnier, weil er sich den Vorschriften nicht beugen wollte. Die Kanadierin Eugenie Bouchard wurde 2015 bei ihrem Erstrunden-Match von der Schiedsrichterin verwarnt, weil ihr schwarzer BH unter ihrer weißen Kleidung zu sehen war. Die Tschechin Barbora Strýcová beschwerte sich im gleichen Jahr über die Kontrolle der Kleiderordnung: »Es ist sehr seltsam, wenn mir jemand unter den Rock schauen will, um zu sehen, ob ich auch weiße Unterhosen trage.«
Damit ist nun also Schluss. Die Spielerinnen können bei den Wimbledon Championships 2023 vom 3. bis 16. Juli selbstständig entscheiden, in welcher Unterwäsche sie auf dem »heiligen Rasen« spielen wollen. Alle weiteren Kleidungsstücke und die Schuhe müssen allerdings weiß bleiben.
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