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  • Fußball-WM in Katar

Niederlage für den DFB vor dem Anpfiff

Der Deutsche Fußball-Bund bekommt bei der WM in Katar die Wut der Fans zu spüren

  • Frank Hellmann, Doha
  • Lesedauer: 6 Min.

Eine sanfte Brise wehte durch die Hochhausschluchten von Doha. Die bunten Fahnen der WM-Teilnehmer flatterten im Wind, als Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Bernd Neuendorf, am Mittwoch die mobile Fanbotschaft vor dem Einkaufszentrum The Gate Mall besuchten. An dem kleinen Zeltbau im Herzen der katarischen Hauptstadt drängelte sich eine Hundertschaft Medienvertreter, die den Gesprächen mit deutschen Fans lauschen wollte.

Von Angesicht zu Angesicht bekam Neuendorf zu hören, welch Orkan der Entrüstung seinem Verband entgegenschlägt. Der verlorene Machtkampf mit der Fifa um das Tragen der »One Love«-Binde erschüttert den DFB in seinen Grundfesten – und stellt den früheren Politiker aus Düren vor die schwierigste Aufgabe seiner jungen Amtszeit. Der 61-Jährige erfuhr aus erster Hand, wie die gerne von seiner Institution proklamierten Werte bei dieser WM mit Füßen getreten werden.

Bengt Kunkel, ein selbstbewusster Sportjournalismus-Student aus Münster mit schwarz-rot goldener Schminke im Gesicht, erzählte, was ihm beim Besuch des WM-Spiels Niederlande gegen Senegal am Montag widerfahren war. Anfangs sei er nach Diskussionen noch mit einem Schweißband und einer Binde in Regenbogenfarben ins Stadion gelangt, berichtete der 23-Jährige. Doch »Mitte der zweiten Halbzeit wurde ich von vier Polizisten von meinem Platz eskortiert, stand in einem Pulk von 15 Polizisten, die mich aufgefordert haben, die Binde abzugeben – sonst müssten sie mich mitnehmen«.

Alles habe er »komplett so erwartet: Sei es, dass Deutschland von der der ›One Love‹-Binde einen Rückzieher macht, sobald es von der Fifa ein bisschen Gegenwind gibt; sei es, dass mir solche Sachen direkt abgenommen werden.« Die Binde sei in den Müll geworfen worden. »Mir hat man nach dem Spiel gesagt, ich könnte jeden Mülleimer durchsuchen – das habe ich aber gelassen.«

Das illustriert deutlich, wie Überzeugungen auf dem Abfallhaufen landen. »Das ist für uns definitiv kein Zeichen des Willkommens, wenn man wegen solcher Zeichen aus dem Stadion geführt wird«, konstatierte DFB-Chef Neuendorf mit leiser Stimme. Das klang nicht deutlich genug: Aus dem Hintergrund meldete sich Olaf Sommerfeld, Notar, Fan und Funktionär aus Niederbayern. Wenn sich der DFB nicht ändere, rief der 46-Jährige in Richtung Neuendorf, »dann werde ich gegen Sie kandidieren!« Seine Meinung zu WM, Fifa und DFB: »Es kotzt mich nur noch an!«

Faeser sagte kurz darauf, sie sei wegen der Fans betroffen. »Das enttäuscht mich doch sehr«, so die für den Sport zuständige SPD-Politikerin, die das Verbot der Fifa als »großen Fehler« geißelte. Auch wenn sie sich gewünscht hätte, dass die Verbände nicht nachgeben, so stehe doch der Weltverband am Pranger, der den DFB und andere unter Druck gesetzt habe. Für sie ist »völlig unverständlich«, dass die Fifa nicht wolle, dass offen für Toleranz und gegen Diskriminierung eingetreten werde. »Das passt nicht mehr in unsere Zeit.«

Kleinlaut musste Nancy Faeser gegenüber den Anhängern einräumen, dass die vom katarischen Kollegen Khalid bin Khalifa Al-Thani erst Anfang des Monats gegebenen Sicherheitsgarantien offenbar nicht viel wert sind. »Ich kann Ihnen keine Garantie geben. Ich bin nicht für die Sicherheit hier zuständig.«

Neuendorf berichtete am Mittwoch aus einer Schaltkonferenz mit den vom Verbot betroffenen europäischen Nationalverbänden. »Die Fifa arbeitet mit Einschüchterung und Druck«, sagte der DFB-Chef. »Wir sind in der Opposition zur Fifa. Wir wollen gucken, wie wir weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.« Man werde am nächsten Tag wieder mit den anderen sieben Verbänden reden. Der größte Einzelsportverband der Welt muss vorangehen: Vom DFB wird wegen seiner vielen kritischen Beiträge erwartet, dass er die Speerspitze des Widerstands bildet.

Von der Fifa hatte der DFB zuvor eine schriftliche Antwort auf die Anfrage erhalten, was beim Anlegen der ominösen Binde hätte passieren können. Eine Verwarnung durch den Schiedsrichter wäre nur eine Sanktion gewesen. »Zudem behält sich die Fifa vor, die Disziplinarkommission anzurufen, die dann gegebenenfalls weitere Strafen verhängen könnte.« Man prüfe nun eine Klage vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas – doch ob diese wirklich aufgesetzt wird, ist offen.

Der DFB hat in der öffentlichen Wahrnehmung all das mit dem Hintern wieder umgestoßen, was er sich nach der Wahl von Neuendorf zum Präsidenten im März in mühseliger Arbeit an Glaubwürdigkeit aufgebaut hatte. Die Politik drückt auf die Stimmung, wie im Trainingsstadion des Al Shamal Sports Club zu erleben war, als DFB-Direktor Oliver Bierhoff betreten das Einknicken zu erklären versuchte. Nun soll ein angekündigter Konfrontationskurs zur Fifa den Imageschaden reparieren. Aber zu welchem Preis?

Eine Bewerbung um die Frauen-WM 2027 mit den Niederlanden und Belgien braucht Deutschland beim Weltverband dann wohl gar nicht mehr einzureichen, wenn ein juristischer Clinch angezettelt wird. Aber es geht ja auch um mehr – um Werte, um Ansehen und letztlich auch um viel Geld. Wenn Sponsoren wie der Lebensmittelkonzern Rewe öffentlichkeitswirksam vor dem ersten WM-Spiel ihre Unterstützung für Deutschlands liebstes Kind einstellen, ist allergrößte Gefahr im Verzuge.

Der Verband scheint aktuell kaum mehr etwas richtig machen zu können, obwohl auch die zahlreichen Widersprüche deutscher Politik im Umgang mit dem Wüstenemirat durchschimmern, wenn Katar für künftige Energielieferungen und stattliche Investitionen deutscher Konzerne gut genug ist. Dazu aber wurde Faeser gar nicht befragt. Stattdessen betonte die symbolträchtig mit einem pinkfarbenen Anzug bekleidete 52-Jährige, dass sie sich mit den katarischen Organisatoren über die Lage des Fußballs der Frauen und von Frauenrechten ausgetauscht habe. Sie wolle auf jeden Fall weiter an kritischen Gesprächen mit einem Land festhalten, in dem der deutsche Fußball schon vor Anpfiff des ersten WM-Spiels eine Niederlage von ungeheurem Ausmaß kassiert hat.

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