Es scheitert am Druck

Spranger hält gemeinsamen Termin für Wiederholungswahl und Volksentscheid für unmöglich

  • Marten Brehmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei der Debatte über den Termin des Volksentscheides »Berlin klimaneutral« in der Senatssitzung am Dienstag muss es heiß hergegangen sein. Das zeigte sich schon an der einstündigen Verspätung, mit der die Pressekonferenz im Anschluss begann. »Wir haben eine sehr umfängliche Diskussion geführt«, so leitete die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) die Pressekonferenz sichtlich genervt ein. Zumindest eine gute Nachricht für die Initiative konnte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) daraufhin verkünden: Die Prüfung der Unterschriftenlisten habe ergeben, dass das notwendige Quorum von sieben Prozent beziehungsweise 180 000 gültigen Stimmen erreicht worden sei, um aus dem Volksbegehren einen Volksentscheid zu machen.

Die Hoffnung, dass der Volksentscheid mit der Wiederholungswahl zusammengelegt werden kann, muss jedoch nach der Senatssitzung weiter schwinden: Zwar wolle der Senat erst am kommenden Dienstag abschließend über die Sache entscheiden, sagte Giffey eingangs, für sie sei die Sachlage jedoch »sehr eindeutig«. Um die Frist für die Briefwahl einzuhalten, müssten am 2. Januar alle Unterlagen vorliegen. Gespräche mit der Druckerei hätten aber ergeben, dass die 2,8 Millionen Wahlzettel für den Volksentscheid frühestens Mitte Januar gedruckt werden könnten, legte Spranger dar. Die Wiederholungswahl sei ohnehin eine »Mammutaufgabe«, weil nun in 90 Tagen vorbereitet werden müsse, wofür sonst ein ganzes Jahr zur Verfügung stehe. Es seien bereits zusätzliche Mitarbeiter abgestellt worden, zudem gebe es für die mit der Wahl betrauten Beschäftigten eine Urlaubssperre für den Dezember. Auch Wochenendarbeit sei eingeführt worden.

Für den Volksentscheid müssten Wahlunterlagen erstellt werden, Parlament und Senat müssten Gelegenheit zur Stellungnahme haben. Landeswahlleiter und Bezirke hielten es für unmöglich, dies bis zum 2. Januar durchzuführen. »Dem schließe ich mich ausdrücklich an«, sagte Spranger. »Selbstverständlich ist der Volksentscheid genauso wichtig«, sagte sie. »Aber die ordnungsgemäße Durchführung der Abgeordnetenhauswahl genießt Priorität.« Giffey ergänzte, dass man zwar prüfe, ob es bei bestimmten Verfahrensschritten wie der Stellungnahme des Senats »Eindampfungspotenzial« gebe, aber: »Selbst dann wäre eine gemeinsame Wahl ein großes Wagnis.«

Spranger stellte in Aussicht, dass der Volksentscheid Anfang April stattfinden könnte – im Idealfall mit der Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Wahllokalen. Weil diese aber noch vor dem Bundesverfassungsgericht diskutiert wird, zeigte sie sich pessimistisch, ob diese Zusammenlegung fristgerecht möglich wäre.

Die Initiative hinter dem Volksbegehren hatte bereits vor der Senatssitzung rechtliche Schritte angekündigt, sollten die zwei Wahlen nicht zusammengelegt werden. Die Initiative verweist auf die Berliner Verfassung, die vorsieht, dass Abstimmungen grundsätzlich mit Wahlen zusammengelegt werden sollten. »Die Verfassung verlangt vom Senat, alles zu tun, damit die Abstimmungen am selben Tag stattfinden. Bisher sammelt die Innenverwaltung aber nur Gegenargumente«, wird der Verwaltungsrechtler Peter Kremer zitiert. Zwei getrennte Wahltermine seien zudem mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Es sei fraglich, ob überhaupt genügend Wahlhelfer für zwei kurz aufeinanderfolgende Wahltermine gefunden werden könnten. Die Initiative vermutet, dass mit der Trennung der zwei Abstimmungen versucht werde, die Wahlbeteiligung zu drücken, um den Volksentscheid so am Quorum von mindestens 25 Prozent Wahlbeteiligung scheitern zu lassen.

Ähnliche Befürchtungen äußert der Verein »Mehr Demokratie«. »Es war abzusehen, dass das Volksbegehren erfolgreich sein wird. Dass sich die Verwaltung nun von der Entwicklung überrascht zeigt, ist nur schwer nachvollziehbar«, teilte Landessprecher Oliver Wiedmann mit. Landeswahlleiter Stephan Bröchler entgegnete dem auf der Pressekonferenz, dass der Erfolg nicht eindeutig vorherzusehen war. »Die richtige Arbeit konnte erst nach Eingang der Unterschriften und nach dem Beschluss des Landesverfassungsgerichtes begonnen werden«, sagte er.

Der Streit um den Wahltermin ist bereits seit Längerem ein Konfliktthema im Senat. Zuletzt hatten die Grünen im Abgeordnetenhaus mit einem Beschluss erneut bekräftigt, die Wiederholungswahl und den Volksentscheid auf denselben Termin legen zu wollen. »Direkte Beteiligung darf nicht durch Verfahrenstaktik abgewehrt werden, denn das schadet dem Vertrauen in die Demokratie«, hieß es am Samstag. Der »Tagesspiegel« berichtete aber am Dienstag, dass auch Vertreter der Grünen bei der Staatssekretärskonferenz signalisiert hatten, die verfahrenstechnischen Bedenken ernstzunehmen.

Gemischte Töne sind weiterhin aus der Linkspartei zu hören. Offiziell verlautbaren Fraktion und Partei wenig, hinter den Kulissen unterstützten die linken Senatoren eher zaghaft den Kurs ihrer Grünen-Kabinettskollegen. Kultursenator Klaus Lederer hatte in der letzten Woche gesagt, die Zusammenlegung sei zwar die »bevorzugte Variante«, dies sei für die Partei jedoch keine »Prinzipienfrage«. Bezirkspolitiker wie Oliver Nöll, stellvertretender Bezirksbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, zeigten sich dagegen offen skeptisch, ob eine Zusammenlegung möglich ist. Auf der anderen Seite war zuletzt am Montag Ferat Koçak, der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, vorgeprescht und hatte der SPD »Sabotage« vorgeworfen. »Es muss doch für Berlin organisatorisch möglich sein, zwei Wahlen und einen Volksentscheid am gleichen Tag durchzuführen«, hieß es in einer Pressemitteilung.

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