Klassenkampf und Kulturkampf

Was haben die Debatte um Bürgergeld und Staatsbürgerschaft gemeinsam? Beide sind so etwas wie der ideologische Kern des radikalisierten Konservatismus

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 3 Min.

Gerade erst klingen die Debatten um das Bürgergeld, das Hartz IV ersetzen soll, ab – da geht es schon weiter mit Diskussionen um das neue Staatsbürgerschaftsgesetz. Diese beiden Debatten hängen zusammen. Sie sind so etwas wie der ideologische Kern des radikalisierten Konservatismus, da er beide Stoßrichtungen vereint. Einerseits gegen das Sozialsystem, andererseits gegen »Ausländer«. Klassenkampf verbunden mit Kulturkampf.

In der Hartz-IV-Debatte stellt sich die CDU als »Anwalt der Fleißigen« dar. Fleiß wird in dieser Deutung direkt mit Lohneinkommen gleich gesetzt. Demnach ist dann auch Care-Arbeit offenbar keine »fleißige Arbeit«. CSU-Chef Markus Söder schiebt nach, dass das Bürgergeld »ungerecht und unfair ist«. Die ausgemachte Ungerechtigkeit: 50 Euro mehr pro Monat. Die große Unfairness: weniger Sanktionen. Der Hauptvorwurf lautet, dass sich dann das Arbeiten nicht mehr lohnt. Es ist beachtlich, wie freimütig dies gesagt wird, ohne die Selbstdemaskierung dieser Aussage zu verstehen. Wenn 50 Euro für das unterste soziale Netz so enorm viel Geld sind, dass sich arbeiten nicht mehr lohnt, wie furchtbar müssen denn dann die Löhne sein?

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Der Grund, weshalb Personen nicht sofort vermittelbar sind, liegt im Übrigen nicht an dem Mythos des Nichtwollens. Es gibt eine Vielzahl von Begleitumständen wie psychische oder körperliche Erkrankungen oder Qualifizierungsmaßnahmen, die im Hartz-IV-System nicht beachtet wurden und die Menschen in einen Teufelskreis aus Gelegenheits- und prekären Jobs gebracht hat. Der Niedriglohnsektor ist eine (gewollte) Folge von Hartz IV. Statt Aufstieg und dem Übergang in gesicherte Arbeitsverhältnisse hält er die Betroffenen dauerhaft unten. Hartz IV ist so weniger ein Unterstützungssystem für die Betroffenen als ein Abschreckungssystem für all jene, die im Begriff sind, da hineinzufallen. Das zwingt sie, jeden Job anzunehmen, um bloß nicht in die Dauermühle Hartz IV zu fallen. Das offenbart auch viel über das Menschenbild. Statt Menschen solidarische Räume zum Durchschnaufen zu schaffen, sie sich sortieren und zur Ruhe kommen zu lassen, soll der Druck auf jene erhöht werden, die sich am wenigsten wehren können. Weil man ihnen nicht vertraut und sie pauschal im Verdacht stehen, die Gemeinschaft – zu der sie offenbar nur noch halb oder gar nicht mehr zählen – auszunutzen. Generalverdacht nach unten, Generalamnestie nach oben. Klassenkampf eben.

Dieser Klassenkampf verschränkt sich im radikalisierten Konservatismus mit dem Kulturkampf der extremen Rechten. Diese »schöne« ideologische Kreuzung war die Paradedisziplin von Sebastian Kurz, dem ehemaligen Bundeskanzler Österreichs. Die Mindestsicherung ist das allerletzte soziale Netz in Österreich. Kurz propagierte, sie bei mangelnden Deutschkenntnissen unter das Existenzniveau zu kürzen. Außerdem wurden zusätzliche Zahlungen für kinderreiche Familien gestrichen. Beides wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Da war der Schaden aber schon angerichtet, denn die betroffenen Personen mussten schon ein Dreivierteljahr mit bis zu 300 Euro weniger im Monat auskommen. Ohne jede Verklausulierungen waren diese Maßnahmen gegen Migrant*innen gerichtet. Der rassistische Mythos, dass Migrant*innen viele Kinder bekämen, um die Solidargemeinschaft auszunehmen, ist hier in ein Gesetz gegossen worden. Kurz vermengte dies gerne auch noch mit dem Hass auf Wien. So erklärte er als Bundeskanzler, dass in Wien in vielen Familien nur die Kinder in der Früh aufstehen würden. Der Subtext ist klar: Die faulen, migrantischen, arbeitslosen Eltern kümmern sich nicht mal um ihre Kinder. Das ist eine Dämonisierung von Arbeitslosen und Migrant*innen gleichermaßen, die so quasi synonym gesetzt werden.

Genau diese Sprache erhält jetzt auch in der CDU Einzug, wenn vom »Zuzug ins Sozialsystem« fabuliert wird. Ein Mythos, für den es keine Belege gibt. Ein Mythos, der von der extremen Rechten seit Jahren getrommelt wird, um Sozialkürzungen zu legitimieren. Am Ende ist es aber eben mit Kulturkampf vermengter Klassenkampf.

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