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  • Fußball-WM in Katar

Irans grausame Politik im Stadion

Frank Hellmann über das Wirken der iranischen Machthaber in Katar

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Irans Flagge ohne Hoheitszeichen: Auch dieser iranische Fan wurde bei der WM gemaßregelt.
Irans Flagge ohne Hoheitszeichen: Auch dieser iranische Fan wurde bei der WM gemaßregelt.

Natürlich hat es im Stadion Al Thumama die Bilder gegeben, die beim Ausscheiden eines Nationalteams stets entstehen: enttäuschte iranische Spieler, die auf dem Rasen liegen. Morteza Pouraliganji wollte gar nicht mehr aufstehen. Der Verteidiger von Persepolis Teheran hatte kurz vor Schluss vorbeigeköpft: Es blieb beim 0:1 gegen die USA. Nationaltrainer Carlos Queiroz haderte mit diesem ungerechten Resultat. Zugleich wetterte der Portugiese gegen jene anonymen Quellen, die von der Einschüchterung seiner Spieler berichtet hatten. Das sei ja wohl eine Schande, schimpfte der 69-Jährige. Geht’s noch?

Der mit den Verhältnissen in der Islamischen Republik gut vertraute Weltenbummler sollte aus seiner ersten Amtszeit zwischen 2011 und 2019 wissen, wie lang der brutale Arm der Machthaber in den Fußball reicht. Das Regime wollte diese WM massiv für ihre Zwecke missbrauchen – und vor allem die Protestbewegung im eigenen Land klein halten. Die Audienz vor der Abreise bei Staatspräsident Ebrahim Raisi war erzwungen, von Repressalien nach dem verweigerten Mitsingen der Nationalhymne beim ersten Spiel gegen England ist die Rede. Die Spieler sollten kicken und gehorchen. Und bloß keine Solidarität mit den Demonstranten zeigen.

Es ist nur zu erahnen, unter welchem Druck aufgeklärte Fußballer wie Sardar Azmoun von Bayer Leverkusen standen. Wer fürchten muss, dass seine Familienangehörigen geschlagen, gefoltert oder eingesperrt werden, der bewegt zumindest die Lippen bei der Hymne. Zum dritten Gruppenspiel gegen die USA hatte die Regierung aus Teheran Tausende regimetreue Anhänger nach Katar gekarrt. So waren ganz im Gegensatz zur WM 2018 in Russland kaum noch Frauen mit geschminkten Gesichtern und offenen Haaren auf den Tribünen zu sehen. Dass das Weltbild fürs Fernsehen genau die wenigen Ausnahmen zeigte, grenzte an Betrug.

Statt die Täuschung zu befördern, müsste der Weltverband Fifa die Vorfälle auf dem Stadiongelände untersuchen. Dort wurde ein Mann, offenbar ein Exil-Iraner, massiv von aggressiven Landsleuten bedroht, die sich wie Sittenpolizisten aufführten, weil er das T-Shirt »Women! Life! Freedom!« trug. Das Vorbringen dieser Botschaft wurde laut Augenzeugenberichten an vielen Stellen gewaltsam unterbunden. Die Säuberungsaktionen hatten die Herrscher eingeleitet, die auch mit massiver Einschüchterung gegenüber Journalisten aus dem Iran arbeiteten.

Die Fifa muss das Eintreten für Grundrechte viel besser absichern. Auflage muss werden, dass Länder wie der Iran nur dann bei einer WM mitspielen können, wenn Frauen uneingeschränkten Zugang in Fußballstadien haben. Das ist das Mindeste. Fifa-Präsident Gianni Infantino hatte sich auch hier weggeduckt. Sein fadenscheiniges Argument: Im Iran würden nicht 80 Millionen Monster leben. Mag richtig sein. Aber es sind einige Monster zu viele unter den Mullahs, sonst wären unter den Hunderten Toten bei den Protesten nicht so viele Frauen und Kinder.

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