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- S-Bahn-Ausschreibung
Zeitplan für S-Bahn wieder gerissen
Neue Züge für Stadtbahn und Nord-Süd-Strecken kommen erst ab 2029
Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) muss am Mittwoch die nächste Verzögerung bei der Mammut-Ausschreibung von zwei Dritteln des Berliner S-Bahn-Netzes verkünden. Bis zu 30 Monate später als geplant soll dort nun der Betrieb mit Neufahrzeugen aufgenommen werden. Für die Linien durch den Nord-Süd-Tunnel ist das neue geplante Startdatum nun der Juni 2030. 16 Monate später als zuletzt angepeilt, sollen auf den Ost-West-Linien über die Stadtbahn neue Züge und möglicherweise auch ein neuer Betreiber übernehmen.
Doch in der für Bettina Jarasch typischen Mischung aus viel Zuversicht und ein wenig Fatalismus sagt sie, dass sie sehr froh sei, dass das Vergabeverfahren fortgesetzt werden kann. „Wir haben lange gewartet auf die Entscheidung, über die wir sehr froh sind, dass die Vergabekammer die Rügen einer Bieterin als unzulässig beziehungsweise unbegründet zurückgewiesen hat», so die Grünen-Politikerin. Satte 15 Monate hatte sich das Gremium Zeit für die Behandlung der Rüge eines Bieters Zeit gelassen, der ganz grundsätzlich angezweifelt hatte, dass das Verfahren unter „fairen Wettbewerbsbedingungen» stattgefunden hat. Über 1000 Seiten an Schriftsätzen hat jede beteiligte Seite in dem Streit verfasst. Kein Wunder, dass das Verfahren fast 13-mal so lange gedauert hat wie die regulär angesetzten fünf Wochen.
Bei dem Bieter handelt es sich um den französischen Schienenfahrzeug-Hersteller Alstom. Offiziell wird das niemand bestätigen, allerdings ist es eines der offenen Geheimnisse des Vergabeverfahrens, bei dem aus Wettbewerbsgründen größtmögliche Verschwiegenheit gewahrt werden muss. Die Züge wurden noch vom inzwischen geschluckten einstigen kanadischen Konkurrenten Bombardier am Standort in Hennigsdorf bei Berlin entwickelt.
Doch weil offenbar Alstom keinen Zugbetreiber mit an Bord im Bieterteam hat, der die Fahrzeuge dann auch einsetzen würde, scheint sich das Unternehmen im Vergleich zur Deutsche-Bahn-Tochter S-Bahn Berlin GmbH benachteiligt zu fühlen. Denn die tritt zusammen mit dem Konsortium der Fahrzeughersteller Siemens und Stadler an. Auf Druck von SPD und Linke hatte die damalige Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) die Option eines Komplettangebots in das Verfahren aufgenommen. Damit sollte weiterhin ein S-Bahn-Betrieb aus einer Hand möglich sein. Außerdem verfügt das Team auch über ein erprobtes neues S-Bahn-Fahrzeug, das nur in Maßen weiterentwickelt werden muss.
Alstom scheint von seinen juristischen Argumenten überzeugt zu sein, denn inzwischen hat das Unternehmen vor dem Kammergericht Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer eingelegt. „Es ist aber davon auszugehen, dass das Verfahren im kommenden Jahr abgeschlossen wird», sagt Senatorin Jarasch. Das Kammergericht habe entsprechende Hinweise gegeben.
Und so wurden am Mittwoch die Bieter in dem Verfahren zur Abgabe verbindlicher Angebote aufgefordert. Bis zum 27. Juli 2023 haben sie nun dafür Zeit. Der Zuschlag soll schließlich Anfang 2024 erfolgen.
Das wäre schon äußerst knapp für die finale Entwicklung und den Bau von mindestens 1400 neuen S-Bahnwagen, von denen die ersten ursprünglich 2026 auf den Schienen hätten stehen sollen. Doch das ist laut Mobilitätssenatorin gar nicht der Hauptgrund für die deutliche Terminverschiebung. Der liegt ihr zufolge bei der für die Eisenbahn-Infrastruktur zuständigen DB Netz.
Im Sommer habe DB Netz angekündigt, den ursprünglichen Zeitplan für die Gleisanbindung von bis zu vier neuen Werkstatt-Standorten nicht einhalten zu können, berichtet Bettina Jarasch.
Bei DB Netz möchte man das so nicht auf sich sitzen lassen. „Sämtliche Terminpläne der Infrastrukturmaßnahmen für die S-Bahn-Ausschreibung sind mit allen Partner:innen des übergreifenden Infrastrukturprojekts i2030 eng abgestimmt und seit langem bekannt», sagt Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und -projekte der DB Netz AG. Das umfasse auch die Anbindung der potenziellen S-Bahn-Werkstattstandorte, für die teilweise ein zweigleisiger Streckenausbau notwendig sei. „Das Land Berlin als i2030-Projektpartnerin war demnach jederzeit voll im Bilde. Verzögerungen sind uns als DB Netz AG nicht bekannt», so Bergmann weiter.
Weil die Bahn-Tochter S-Bahn Berlin GmbH nicht bereit gewesen ist, die aktuell genutzten Werkstätten an künftige mögliche andere Betreiber zu verkaufen, mussten neue Standorte gefunden werden, um den Wettbewerb gewährleisten zu können. Vier Flächen konnten identifiziert werden: An der Schönerlinder Straße zwischen A114 und Eisenbahn-Außenring im Pankower Bezirksnorden, in Waßmannsdorf nahe des BER, in Fredersdorf östlich der Hauptstadt sowie in Hennigsdorf.
Sie habe in der Terminfrage auch Kontakt zu DB-Chef Richard Lutz aufgenommen, berichtet die Senatorin. Die Überforderung der Bahn-Tochter sei kein Berliner „Sonderproblem», bundesweit sei das Unternehmen von den Planungskapazitäten „nicht so gut aufgestellt», so ihr Fazit.
Trotz der Verzögerungen soll es ab Ende 2023 Verbesserungen auf mehreren Linien geben. Auf S1, S2 und S26 sollen längere Züge fahren. Die S26 fährt dann statt nach Waidmannslust ab Bornholmer Straße nach Blankenburg, das damit einen durchgehenden Fünf-Minuten-Takt bekommt. Statt bisher nach Pankow soll die S85 dann nach Frohnau fahren – zusammen mit der S1 sind das dann neun statt sechs Züge pro Stunde. Die S3 soll künftig alle zehn Minuten im Westen mindestens bis Charlottenburg fahren. Und auch die Verstärkerzüge für einen Fünf-Minuten-Takt auf Teilen von S1 und S5 im Berufsverkehr sollen dann stabil angeboten werden.
Möglich ist das, weil von den 140 Wagen der einst für die BVG entwickelten Baureihe 480 insgesamt 130 auf das neue Signalsystem ZBS umgerüstet werden. Ursprünglich war das nur für 100 Wagen vorgesehen.
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