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Deutschland opfert Rechte der Sahrauis
Solidaritätskonferenz thematisiert »neokoloniale Wende in der deutschen Außenpolitik«
Am Freitag und Samstag wird in Berlin auf der 46. Europäischen Konferenz zur Unterstützung und Solidarität mit dem sahrauischen Volk (Eucoco) über die Lage in der von Marokko völkerrechtswidrig besetzten Westsahara debattiert. Es geht bei dem wichtigsten Treffen der Solidaritätsbewegung, das seit 45 Jahren ununterbrochen in wechselnden Städten stattfindet, auch um den Kurswandel der neuen Bundesregierung im Verhältnis zu Marokko.
Seit dem Antritt der grünen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird ein »Kuschelkurs« gegenüber dem autokratischen Königreich Marokko gefahren, stellt die Linke-Abgeordnete Sevim Dağdelen fest, die auch an der Eucoco teilnimmt. Sie bezieht sich auch darauf, dass unter Baerbock das Auswärtige Amt die Basisinformationen zu Marokko verändert und insbesondere die Position zum Konflikt mit der Westsahara »aktualisiert« hat. Dabei schwenkte man auf die marokkanischen Pläne ein.
Im Auswärtigen Amt wird inzwischen der einseitige »Autonomie-Plan« hofiert, den Marokko 2007 eingebracht hatte. Darüber will das Königreich – gegen etliche UN-Resolutionen und das Völkerrecht – seine Souveränität über die Westsahara erreichen. Das geplante Referendum zur Unabhängigkeit, das Grundlage des Waffenstillstandsabkommens mit der sahrauischen Befreiungsfront Polisario 1991 war und das die Uno-Mission Minurso überwachen sollte, hat Marokko stets hintertrieben. Das wird nun belohnt. Für Dağdelen »verstetigt« sich der Kurs, mit dem »die Ampel-Regierung die illegale Besatzung Marokkos auf Kosten der Sahrauis« akzeptieren will. Das geht auch aus den Antworten auf eine Anfrage der Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss hervor, die dem »nd« vorliegen.
Die Merkel-Regierung hatte sich noch den Zorn von König Mohammed VI. eingehandelt, weil sie stets auf die UN-Resolutionen verwiesen hatte, um eine »gerechte, praktikable, dauerhafte und für alle Seiten akzeptable Lösung des Konflikts« unter »Achtung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte« zu erreichen. Da Merkel den Kurs des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ablehnte, der kurz vor seinem Abgang die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt hatte, zog Rabat sogar seinen Botschafter aus Berlin ab.
Dass Baerbock Marokko weiter umgarnt, wird in den Antworten auf die Dağdelen-Anfrage klar. Der »Autonomieplan« wird erneut als »wichtiger Beitrag« gefeiert, um einer Lösung näher zu kommen. Das ist die Sprachregelung seit Januar. Zur Belohnung hat Marokko die diplomatischen Beziehungen zu Berlin wieder normalisiert.
Vorschläge der Polisario, die auch 2007 gemacht wurden, werden von Berlin weiter ignoriert, obwohl Dağdelen direkt danach gefragt hatte. Zudem ist klar, dass die marokkanische Politik und die dauernden militärischen Provokationen eine Friedenslösung verhindert haben. Als Reaktion darauf hatte die Polisario vor zwei Jahren die Waffenruhe beendet. Der wieder aufgeflammte Krieg hat sogar das Zeug, sich zu einem regionalen Konflikt auszuweiten. Marokko bezeichnet Algerien als »wahre Konfliktpartei«. Algerien ist die Schutzmacht der Sahrauis, und dort finden sich deren große Flüchtlingslager.
Die Antworten der Regierung sind ausweichend. So behauptet die Bundesregierung sogar, »keine Kenntnisse« darüber zu haben, »ob die völkerrechtswidrige Besetzung der Westsahara nur durch Androhung bzw. Anwendung von Gewalt aufrechterhalten wird«. Dabei kommen bei Angriffen Marokkos mit Drohnen sogar unbeteiligte Menschen ums Leben. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) kritisieren, dass Marokko »weiterhin hart gegen Journalisten, Aktivisten, Kommentatoren in sozialen Medien« vorgehe. »In der Westsahara verfolgen die marokkanischen Behörden weiterhin Aktivisten, die sich für die Selbstbestimmung der Saharauis einsetzen.« Angeprangert werden auch »Folter« und ungerechte Verfahren mit langen Haftstrafen auf Basis von »gefälschten Geständnissen«.
Dağdelen sieht eine »neoliberale Wende in der deutschen Außenpolitik« der Ampel-Regierung: »Während man die Menschenrechte im Mund führt, sind es offenbar allein zynische Machtinteressen, auf deren Altar man die Menschen in der Westsahara und das Schicksal der Flüchtlinge in Tindouf opfert, indem man sich nun einseitig auf die Seite des marokkanischen Königshauses stellt und so die bisherigen Positionen der Bundesregierung aufgibt.«
Dahinter steht eine enge Zusammenarbeit auch in Energiefragen mit dem »enorm wichtigen Partner« Marokko, so Baerbock beim Besuch in Rabat. In der Westsahara-Frage sieht sie nur »in Nuancen Unterschiede« zwischen Deutschland und Marokko. Es gehe einzig darum, »Energie über Marokko beziehen zu können, weil man sich mit dem Wirtschaftskrieg gegen Russland selbst in eine prekäre Lage gebracht hat«, meint Dağdelen. Offen antwortet die Bundesregierung auf ihre letzte Frage, dass man sich dafür einsetze, »Erzeugungspotenzial für grünen Wasserstoff« zu erschließen, und eine »langfristige und verlässliche Zusammenarbeit« mit Rabat anstrebe.
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