Nun mit anderen Genossen

Ex-Gleichstellungsbeauftragte von der Lippe wechselt von der Linken zur SPD

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Monika von der Lippe, als sie 2015 zur Gleichstellungsbeauftragten ernannt wird.
Monika von der Lippe, als sie 2015 zur Gleichstellungsbeauftragten ernannt wird.

Nach der Mittagspause betritt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die Bühne des SPD-Landesparteitags in Cottbus. Sie erklärt: »Ich freue mich, dass sich eine Frau dafür entschlossen hat, in die SPD einzutreten, die allen in Brandenburg, die sich mit Gleichstellungspolitik beschäftigen, etwas sagen wird: Unsere ehemalige Gleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe. Komm doch bitte nach oben. Ich freue mich, dass du uns verstärkst.« Dann stehen die beiden Frauen zusammen, schütteln sich die Hände. So tritt Monika von der Lippe unter dem Applaus der Delegierten und vor den Augen der Zuschauer der Liveübertragung im Internet in die SPD ein. Sie sagt: »Vielen Dank!« Sie sagt: »Dankeschön.« Mehr sagt sie nicht. Am vergangenen Samstag ist das gewesen.

Warum Monika von der Lippe im Sommer aus der Linken ausgetreten ist und sich im Kreistag Dahme-Spreewald zunächst als Parteilose der SPD-Fraktion angeschlossen hat? Warum sie nun auch noch der SPD beigetreten ist? Das bleibt vorerst ihr Geheimnis. Sie äußert sich im Moment nicht öffentlich dazu. Vielleicht wissen einige ihrer neuen Genossen Bescheid. Von ihren alten Genossen sind etliche ein Stück weit ratlos.

Das Besondere an dem Fall: Chefin von Monika von der Lippe ist nach wie vor die Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Linke). In deren Berliner Abgeordnetenbüro ist von der Lippe im Augenblick noch beschäftigt. Das sorgte bereits im September für Irritationen und Nachfragen, seit dem SPD-Parteitag vom Samstag aber in viel höherem Maße. Für eine Abgeordnete arbeiten, aber einer anderen Partei angehören, das kann auf lange Sicht nicht funktionieren.

Ein Beispiel: Nachdem die Linksfraktion im Bundestag nach der Wahl von 2021 schrumpfte und die Mitarbeiterin Anja Friedrich arbeitslos wurde, vermittelte ihr der Landtagsabgeordnete Clemens Rostock (Grüne) eine neue Stelle bei seinen Parteifreunden, obwohl sie zunächst noch der Linkspartei angehörte. Inzwischen beschäftigt Rostock sie selbst als seine Wahlkreismitarbeiterin in Hennigsdorf. Aus der Linken ist Friedrich Ende 2021 ausgetreten, bei den Grünen aber »noch nicht« eingetreten, erläutert Rostock. Friedrich selbst erklärt augenzwinkernd, nach 21 Jahren Beziehung mit der Linken sei sie »noch nicht reif für etwas Neues«. Um für Rostock zu arbeiten, muss sie sich nicht verbiegen. Er wird dem linken Flügel der Grünen zugerechnet und war in Oberhavel auch schon gemeinsamer Landratskandidat der eigenen Partei und der Linken. Als Wahlkreismitarbeiterin von Rostock einer anderen Partei anzugehören, wäre trotzdem seltsam gewesen.

Doch zurück zu Monika von der Lippe. Bereits mit 17 Jahren hat sie im niedersächsischen Oldenburg als Sympathisantin bei der PDS mitgemacht. 2004 ist sie dann in die Partei eingetreten. Sie studierte in Münster und an der Freien Universität Berlin und arbeitete als studentische Hilfskraft vor 20 Jahren schon einmal für Petra Pau. Dann machte sie Öffentlichkeitsarbeit im Karl-Liebknecht-Haus, bevor sie 2015 von Brandenburgs damaliger Sozialministerin Diana Golze (Linke) zur Landesgleichstellungsbeauftragten berufen wurde. Den Job machte von der Lippe sehr engagiert bis 2019, als in Brandenburg die rot-rote Koalition endete und Ursula Nonnemacher (Grüne) Sozialministerin wurde. In Dahme-Spreewald war von der Lippe bis zum Sommer Linksfraktionschefin im Kreistag, bildete dort eine Doppelspitze mit Ex-Justizminister Stefan Ludwig.

Ihren Wechsel zur SPD versteht der Linke-Kreisvorsitzende Michael Wippold bis heute nicht. Er hat zwar mit von der Lippe telefoniert, ist aber aus ihren ausweichenden Antworten nicht schlau geworden. Er erfuhr lediglich, dass ihn keine Schuld trifft. Das hat sie ihm versichert. Es hätte ihn auch gewundert. »Denn wir haben uns gut verstanden«, betont der 60-Jährige. Zwar seien sie nicht immer einer Meinung gewesen und es habe auch kulturelle Unterschiede wegen ihrer Westherkunft und seiner Ostprägung gegeben. So will und kann sich Wippold nicht an die geschlechtergerechte Sprache (Stichwort: Gendersternchen) gewöhnen. Aber der Meinungsaustausch mit von der Lippe sei für ihn »immer eine Inspiration gewesen«, schwärmt der Kreisvorsitzende regelrecht. Ihr Wechsel zur SPD habe ihn tief getroffen und sehr enttäuscht – zumal sich von der Lippe nach seiner Erinnerung früher stets kritisch über die Sozialdemokraten geäußert habe.

Die SPD-Ministerin Geywitz zeichnet da ein anderes Bild, wenn sie von sich und von der Lippe sagt: »Wir beide haben viele Schlachten zusammen geschlagen, zum Beispiel die Debatte um das Paritégesetz.«

Warum hat von der Lippe der Linken den Rücken gekehrt? Michael Wippold gegenüber äußerte sich die 45-Jährige nur allgemein zum Zustand der Bundespartei. Da wäre als Auslöser viel denkbar: die Haltung zum Krieg in der Ukraine, der unbefriedigende Umgang mit Fällen von Sexismus. Doch das alles ist Spekulation, solange von der Lippe nicht Klartext spricht. Fakt ist nur ein Zerwürfnis in der Gemeindevertretung von Bestensee, in der Monika von der Lippe und Kerstin Rubenbauer früher die Linksfraktion bildeten, aber Rubenbauer die Zusammenarbeit aufkündigte und sich der Fraktion der Wählervereinigung Plan Bestensee anschloss. In der Gemeindevertretung gab es im vergangenen Jahr auf einen AfD-Antrag hin einen Beschluss gegen die Verwendung der geschlechtergerechten Sprache. Darüber jubelte dann im Bundestag der AfD-Politiker Stephan Brandner. Einem solchen Vorstoß stellte sich die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte von der Lippe entgegen – weil er von der AfD kam und auch der Sache wegen.

Klarheit wird es geben, wenn sich Monika von der Lippe beruflich neu orientiert, womit fest zu rechnen ist. Vielleicht sieht man sie in einer kommunalpolitischen Funktion wieder. Aber dies ist vorerst reine Spekulation. Die SPD konnte ihr da jetzt wohl kaum eine steile politische Karriere versprechen. In die Landratswahl im Oktober 2023 beispielsweise schickt der SPD-Unterbezirk Dahme-Spreewald Susanne Rieckhoff, die Stellvertreterin des bisherigen Landrats Stephan Loge (SPD). Rieckhoff bekommt es mit Sven Herzberger zu tun. Der parteilose Bürgermeister von Zeuthen tritt als Einzelbewerber an, aber dennoch nicht auf eigene Faust. Rückhalt geben ihm Linke, FDP und CDU. Die haben das am 5. November in einem Gasthof in Schlepzig beschlossen. Dort gab es im Zwei-Stunden-Takt Versammlungen dieser drei Parteien, um Herzberger Unterstützung zuzusichern.

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