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- Fußball-WM in Katar
DFB-Elf am Boden angekommen
Der Enttäuschung über das erneute WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft folgt sofort die Debatte über Konsequenzen
Wie tief der Schock sitzt, das war schon direkt nach dem Abpfiff an den leeren Blicken zu erkennen gewesen. Doch auch später, mit etwas Abstand, rangen viele bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach dem WM-Aus um Fassung. Manche Spieler trotteten schweigend und mit gesenktem Blick durch die Gänge des Al-Bayt-Stadions zum Mannschaftsbus. Andere blieben stehen und versuchten Worte zu finden für das, was sie noch gar nicht richtig begriffen hatten.
Wie bei der WM vor vier Jahren in Russland ist die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auch bei der WM in Katar bereits nach der Gruppenphase ausgeschieden, diesmal trotz eines 4:2 (1:0) im dritten Spiel gegen Costa Rica. Doch dieser Sieg änderte nichts daran, dass es schon wieder frühzeitig vorbei war im dritten Turnier hintereinander. Bei der EM im vergangenen Jahr war im Achtelfinale Schluss gewesen. Es ist eine für den deutschen Fußball in der Geschichte einmalige Negativserie.
Diesmal kam das Aus so: 1:2 gegen Japan nach einer 1:0-Führung. Dann 1:1 gegen Spanien nach einem 0:1-Rückstand. Und schließlich dieses wilde 4:2 gegen Costa Rica an einem irrwitzigen Donnerstagabend, an dem Spanien im Parallelspiel nach einer 1:0-Führung gegen Japan 1:2 verlor. Deshalb brachte der Sieg der DFB-Elf nach den Toren von Serge Gnabry (10.), Kai Havertz (73./85.) und Niclas Füllkrug (89.) nichts mehr. Für Costa Rica hatten Yeltsin Tejeda (58.) und Manuel Neuer per Eigentor (70.) getroffen – in jenem Spiel, in dem der DFB-Kapitän mit 19 Einsätzen zum weltweiten WM-Rekordtorhüter aufgestiegen war. Dass von Spanien keine Schützenhilfe gekommen war, wollte niemand als Ausrede anführen. »Ich glaube nicht, dass es uns zusteht, Spanien einen Vorwurf zu machen«, formulierte Joshua Kimmich den Tenor. Neuer verwies auf den verspielten Sieg gegen Japan, dadurch habe man es »vergeigt«. Füllkrug erkannte auch im letzten Spiel in der DFB-Elf »eigenes Unvermögen«. Ergänzen ließ sich: vorne und hinten.
Die deutsche Mannschaft hatte sich zwar im Turnierverlauf gesteigert, wenngleich das dritte Spiel wieder einen Rückschritt bedeutete im Vergleich zum einzig überzeugenden WM-Auftritt gegen Spanien. Ihre Anfälligkeit, ihr Wankelmut bei dieser WM, besonders im ersten und dritten Spiel, glichen einem Abbild der vergangenen Jahre, in denen es sportlich immer wieder zu Turbulenzen gekommen war – begleitend zu denen im Verband.
Es klang nun rasch an, dass sie beim DFB alles hinterfragen müssen nach einer WM, die mit der politischen Debatte um die »One Love«-Armbinde begonnen hatte und mit der sportlichen Debatte einen langen Nachhall finden dürfte. Mitten hinein in die Enttäuschung setzten sofort die Diskussionen um die inhaltlichen und personellen Konsequenzen ein. Bundestrainer Hansi Flick kündigte eine »sehr schnelle« Aufarbeitung an und »sehr zeitnahe« Entscheidungen. Doch bis dieses ganze Knäuel an unglücklichen Auftritten und Problemen beim DFB wirklich entwirrt ist, könnte es wohl länger dauern. Die Frage ist sogar, ob das überhaupt gelingt.
Wie schwer allein der sportliche Schaden zu verkraften und einzuordnen ist für die Spieler, das ließ sich am frühen Freitagmorgen auch daran erkennen, dass sogar dem erfahrenen Offensivspieler Thomas Müller erst die Orientierung fehlte und dann die Worte. Zunächst vollzog er eine Kehrtwende vom zuvor im Fernsehen mehr als angedeuteten Abschied aus der DFB-Auswahl und ließ seine Zukunft offen. Dann brach er mitten im Satz seine Ausführungen zu den Gründen dieser erneuten WM-Enttäuschung ab und zog von dannen. Von einem »Ohnmachtsgefühl« und einer »absoluten Katastrophe« hatte er zuvor gesprochen, Müller sagte ratlos: »Ich weiß auch nicht, wie es weitergeht.« Wenn selbst der sonst so eloquente Müller seinen inneren Kompass sucht, dann muss der Schock wirklich sehr tief sitzen.
Von einer »riesigen Enttäuschung und auch Wut« sprach DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff. Doch bei der Frage nach den Konsequenzen blieb er vage. Nach dem Rückflug am Freitagnachmittag werde man sich »zügig zusammensetzen und die gesamte Lage diskutieren«, kündigte er an. Vorab sagte Bierhoff nur, dass er von Flicks Verbleib ausgehe. Er verwies auf den Vertrag des Bundestrainers bis 2024. Was die eigene Zukunft angeht, scheint sich Bierhoff nach 18 DFB-Jahren als Manager, Teamdirektor und Geschäftsführer nicht so sicher zu sein. »Das weiß ich auch, dass der Mechanismus jetzt losgeht, dass die Diskussion stattfindet. Der muss man sich stellen«, sagte Bierhoff, »ich werde auch meine Verantwortung tragen. Dann sind es andere, die entscheiden, ob es weitergeht.« Diese Überlegungen anzustellen, liege nicht an ihm. Einen Rücktritt schloss er damit ebenso aus wie Flick und auch Kapitän Manuel Neuer, 36. »Soweit ich eingeladen werde und meine Leistungen zeige, kann ich das ausschließen«, sagte der Torwart. Müller, 33, ist sich offenbar weniger sicher, ob er das Projekt Heim-EM 2024 in gut anderthalb Jahren noch angehen wird. Kurz nach dem Abpfiff hatte er in der Emotion im TV eine Abschiedsrede gehalten, später sagte er: »Was die Zukunft betrifft, werde ich mir die nötige Zeit geben, ein paar Tage nachdenken.« Er wolle sich erst mit seiner Frau und mit Flick besprechen, »was der Plan ist. Und dann werde ich mich konkret dazu äußern«.
Der Bundestrainer hatte schon vor dem Spiel erklärt, dass er bleiben wolle. Kurz nach dem WM-Aus gab er erste Einblicke in seine Gedankenwelt, was sich ändern müsse, um wieder mehr Erfolg zu haben. »Ich glaube, dass es für die Zukunft im deutschen Fußball wichtig ist, dass man in der Ausbildung verschiedene Dinge anders macht«, sagte er unspezifisch. Flick verwies darauf, dass echte Neuner und spielstarke Außenverteidiger schon länger fehlen würden und sagte: »Im Nachwuchsbereich brauchen wir die Basics. Für die nächsten zehn Jahre ist es enorm wichtig, dass wir da die richtigen Schritte machen.« Konkret wurde er nicht. Als es um das Spiel gegen Costa Rica ging, sagte Flick noch, er sei in der Halbzeitpause »sauer« auf seine Mannschaft gewesen. Ob er sich auch selbst etwas vorzuwerfen habe nach diesem WM-Aus, das mit ständigen Wechseln in den Aufstellungen samt Denkmalpflege für verdiente Spieler wie Müller einhergegangen war? Das werde man »intern besprechen«, antwortete Flick. Auch bei ihm saß der Schock tief.
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