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Ewiges Lichtermeer in Rothenburg

Im Weihnachtsdorf von »Käthe Wohlfahrt« herrscht ganzjährig Vorfreude auf den Heiligen Abend

  • Manfred Lädtke
  • Lesedauer: 4 Min.
In Rothenburg ist das ganze Jahr über Weihnachten.
In Rothenburg ist das ganze Jahr über Weihnachten.

Weihnachtliches Ambiente ohne stimmungsvolle Beleuchtung? Undenkbar für Harald Wohlfahrt, der seit 32 Jahren deutsche Weihnacht in die ganze Welt exportiert. Das ewige Lichtermeer aus Ökostrom gehöre zu seiner Ladeninszenierung. Schon vor Jahren habe er den Energieverbrauch drastisch gesenkt, erklärt der Sohn des Gründerpaares Wilhelm und Käthe. Nicht nur im Winter, wenn es mal schneit, auch bei 36 Grad Sommerhitze tummeln sich Weihnachtsjunkies und Touristen in der Ständigen Vertretung des deutschen Weihnachtsmannes.

Reiseinfos
  • Das Weihnachtsdorf mit Museum ist täglich von 10 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. www.kaethe-wohlfahrt.com
  • Infos zu Rothenburg: www.rothenburg.de
  • Weihnachtsmarkt: Seit rund 500 Jahren gibt es in Rothenburg den Reiterlesmarkt. Er gilt als einer der schönsten Weihnachtsmärkte in Deutschland; geöffnet bis 23. Dezember.
  • Unbedingt probieren: Rothenburger Schneeballen aus Mürbeteig. Festagsgebäck wahlweise mit Mandelsplitter, Schokoladenguss, Puder- oder Zimtzucker.

    Felicitas Hoeptner, eine von weltweit 280 Beschäftigten und die gute Fee im Stammhaus des Käthe-Wohlfahrt-Unternehmens, klingelt mit dem Glöckchen: »Dorfführung«. Am Eingangsbereich mit allerlei festlichem Krimskrams noch eine Treppe hinabsteigen und: Willkommen in der auf Hochglanz polierten Weihnachtswelt. In vier »Dorfvierteln« glitzert und glimmert es auf 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche. »Look, wonderfully« schwärmt Kate aus Bristol vor tickenden »Cockoo Clocks«. Derweil zieht es Töchterchen Poppy hinüber zu kunstvoll bemalten Nikoläusen und drolligen Räuchermännchen. »Please don’t touch«, warnt ein Schild nicht nur vor kindlichem Zugriff. Einem älteren Herrn haben es poetisch gestaltete figürliche Winterszenen angetan: »Limitierte Editionen«, sagt Felicitas Hoeptner stolz. Viele Unikate werden in der hauseigenen Künstlerwerkstatt gefertigt. Da sei jedes Ohr, jede Pupille eines Püppchens filigran geschnitzt, bemalt und geklebt.

    Dann führt die Kulturwissenschaftlerin und PR-Frau auf den »Dorfplatz«. Eingerahmt von künstlich verschneiten Fachwerkhäuschen und Türmchen leuchten von einem 5,70 Meter hohen Baum 122 000 Lichter in die Glückseligkeit. Wonderful Christmas Time. In Schaufenstern und Auslagen gibt es mit 30 000 Artikeln das volle Dekoprogramm. Angefangen habe alles 1964 mit einer Musikspieldose aus dem Erzgebirge, verrät Hoeptner.

    Bei ihrer Flucht 1956 aus ihrer Heimat in Sachsen hatten Käthe und Wilhelm Wohlfahrt ein Exemplar mit nach Westdeutschland genommen. Sieben Jahre später luden sie eine amerikanische Offiziersfamilie zum Weihnachtsfest ein, die das Stück ganz besonders »lovley« fand. Wilhelm wollte seinen Freunden ein Exemplar schenken. Als er sich auf die Suche nach einer Spieldose machte, traf er auf einen Großhändler. Der wollte seine Ware aber nur im Zehnerpack verkaufen. Wilhelm griff trotzdem zu. Den Rest wurde er in schwäbischen US-Kasernen los.

    Die Nachfrage nach dem Symbol deutscher Weihnachtstradition war so groß, dass bald ganzjährig Sortimente aus dem Erzgebirge Keller und Wohnung des Ehepaares bis unters Dach füllten. Auf Wohltätigkeits-Basaren für stationierte Soldaten wechselte die Ware dann den Besitzer. Ein scheinbar unwirtschaftliches Geschäft gab den Impuls für einen profitablen und krisensicheren Dauerläufer durch die Jahrzehnte. Weil der Vater damals in einem großen Unternehmen arbeitete, wurde die Firma auf den Namen seiner Ehefrau eingetragen.

    Als Erinnerung an die Heimat blieb die alte Original-Spieldose in Familienbesitz. Nachbildungen sind heute mit einem Schweizer Musikwerk erhältlich. Neben Weihnachtsdeko konnten und können Besucher bei Wohlfahrts oftmals auch Prominenten aus aller Welt begegnen. Karlheinz Böhm absolvierte in dem Erlebnisfachgeschäft seine Weihnachtseinkäufe, und Whoopy Goldberg und Arnold Schwarzenegger erlebten unter dem Sternenhimmel der Christmas-Wunderwelt ebenso ein weihnachtliches »feel good« wie andere Größen aus dem Showgeschäft. Tauchen Stars und Sternchen meistens inkognito auf, fahren gekrönte Häupter aus dem Morgenland oder Asien oft mit einem halben Dutzend Limousinen vor. Und weil ja Weihnachten ist und man einer kaufkräftigen Prinzessin ohnehin nichts abschlagen darf, wird im Weihnachtsdorf für eine Hoheit auch schon mal eine Extra-Toilette eingerichtet sowie dem Wunsch nach einem eigenen Bad entsprochen.

    Manchmal kommen Gäste nur, um sich aufzuwärmen, zu gucken, zu staunen, oder sie zücken ihr Handy, hat Felicitas Hoeptner beobachtet. »Keine Fotos, bitte«, werden sie dann von Verkäuferinnen freundlich gebeten. Kaum haben die sich umgedreht, macht’s klick.

    Will die Kundschaft, all die Ware zwischen Kostbarkeit, Rarität und Nippes historischen Ursprüngen zuordnen, ist sie eine Etage höher im Weihnachtsmuseum richtig. »Der Baum muss glänzen, glitzern, funkeln, blenden, dass einem die Augen übergehen«, formulierte 1893 eine Zeitung. Da strahlte nicht nur der Weihnachtsmann.

    Wer nun meint, der Rauschebart im roten Gewand sei eine Erfindung von Coca Cola, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Von vielen märchenhaften Erklärungen zur Herkunft des alten Kerls favorisiert das Museum eine Zeichnung des in Österreich geborenen Moritz von Schwind. Der hatte 1847 in einer Münchner Zeitschrift unter dem Titel »Herr Winter« eine Bildergeschichte mit dem Bärtigen in Bärenstiefeln und langem Mantel veröffentlicht. Für Coca Cola sei das der Prototyp für die spätere Werbefigur gewesen. Der Weihnachtsmann ist also ein Münchner. Oder ein Wiener.

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