Ein Zoo für Rosa

Alphamännchen und hohe Tiere – Systemkonkurrenz in Berlin

  • Nathaniel Flakin
  • Lesedauer: 4 Min.

Rosa Luxemburg hat sich immer darüber geärgert, dass sie Revolutionärin geworden ist. »Kannst du mir sagen«, fragte sie eine Freundin, »weshalb ich stets so lebe, wie ich nicht die geringste Neigung habe?« Viel lieber hätte sie Biologie studiert und irgendwo gelebt, »wo ich Tiere füttern und sie lieben kann«. Hauptsache »nicht in dieser ewigen Hetzjagd«.

Es hat etwas Poetisches, dass 37 Jahre später ein enger Mitstreiter Rosa Luxemburgs einen neuen Zoo in Berlin eröffnete. Am 2. Juli 1955 war Wilhelm Pieck dabei, als der Tierpark in Friedrichsfelde zum ersten Mal seine Tore aufmachte. Die Gehege wurden in vielen freiwilligen Arbeitsstunden errichtet. 1957 war der nordvietnamesische Staats- und Parteichef Ho Chi Minh zu Besuch und brachte einen kleinen Elefanten mit.

Die Westpresse hetzte gegen den »Propagandazoo« und den »VEB Staatszoo«, wo »Vater Staat für linientreue Affen und Elefanten« bezahlen würde. Doch die Fachkolleg*innen mussten trotz ideologischer Differenzen anerkennen: der Berliner Tierpark, so die Einschätzung des Frankfurter Zoodirektors, sei auf dem Weg, größter und modernster Zoo der Welt zu werden. Auferstanden aus Ruinen!

Der Tierpark punktet vor allem mit seinem riesigen Areal — fast fünfmal größer als die Konkurrenz im Westen. Die Fläche für den alten Zoo Berlin wurde vom preußischen König Friedrich gespendet. Der Schlosspark Friedrichsfelde dagegen wurde im Rahmen der sowjetischen Bodenreform enteignet. Das Haus von Treskow, das einst hier residierte, hat immer noch einen kleinen Friedhof neben den Eisbären. Der eine Park wurde vom Adel verschenkt, der andere einfach genommen. Dank Enteignung ist der flächenmäßig größte Zoo Europas entstanden.

Dass Berlin heute zwei Zoos hat, die zu den besten der Welt gezählt werden, ist dem Kalten Krieg zu verdanken. Beide waren Schaufenster, nicht nur für eine Hälfte der Stadt oder für ein Land, sondern für konkurrierende Gesellschaftssysteme.

Professor Heinrich Dathe, der leidenschaftliche Gründungsvater des Ostberliner Tierparks
Professor Heinrich Dathe, der leidenschaftliche Gründungsvater des Ostberliner Tierparks

Während der Teilung der Stadt hatte jeder Zoo nur einen Chef. Im Westen hatte Heinz-Georg Klös im Jahr 1956 das Ruder von Katharina Heinroth übernommen — eine Frau war an der Spitze nicht erwünscht, auch wenn sie den Zoo nach dem Krieg gerettet hatte — und blieb bis 1991 an der Spitze. Im Osten war es Heinrich Dathe, der den Tierpark gründete und vorstand, bis er 1990 zwangspensioniert wurde und verstarb.

Der Historiker Clemens Maier-Wolthausen berichtet über die beiden »Alphamännchen« Klös und Dathe — und auch über die »hohen Tiere« in der Politik, von deren Gnade der Zoobetrieb hie wie da abhing. Klös und Dathe verstanden es meisterhaft, die Erfolge der anderen Seite als Drohung zu präsentieren, um genug Geld sowie diplomatische Kontakte für Neuerwerb von Tieren etc. zu bekommen. Es ging nicht nur um Pandas, die bis heute in Tierparks rund um den Globus heiß begehrt sind, sondern auch um Komodowarane (»Pandas des Aquariums«) oder Kiwis (»neuseeländische Pandas«). Zoo und Tierpark waren ein Kapitel deutsch-deutscher Beziehungen. Bis 1969 gab es, trotz Mauer, einen gemeinsamen Verband der Zoodirektoren. Internationale Fachkonferenzen wurden sorgsam in den Außenministerien vorbereitet. Bei einer Tagung in San Diego wehte erstmals eine DDR-Fahne auf US-Boden.

Dieses Buch greift tief in die Archive, wobei deutlich mehr Informationen aus der DDR überliefert sind. Dank der Stasi, die auch hier alles akribisch vermerkte (warum auch immer). Vor fünf Jahren ist bereits eine Geschichte der beiden Zoos erschienen, aus der Feder von Jan Mohnhaupt. Sie ist weniger strukturiert gewesen, wies dafür aber mehr journalistisches Flair auf. Liebhaber von exakten Fakten werden bei Maier-Wolthausen auf ihre Kosten kommen.

In drei Jahren wird der Berliner Tierpark 70. Ältere, in der DDR sozialisierte Besucher der Schöpfung von Professor Heinrich Dathe, hört man klagen, dass immer weniger Tiere in Friedrichsfelde zu sehen seien. Er wirke heute »wie ein Bambusgarten mit ein paar Hirschen«, heißt es wehmütig. Als jemand, der den Ostberliner Tierpark erst nach der Wende entdeckte, gehört dieser für mich zu den besten Zoos weltweit. Ich wette, Rosa hätte auch gern viele Stunden dort verbracht.

Clemens Maier-Wolthausen: Alphamännchen und hohe Tiere. Deutsch-deutsche Beziehungen in Tierpark und Zoo Berlin. Reimer-Verlag, 176 S., geb., 29,90 €.

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