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Die einprägsamsten Popkultur-Momente des Jahres
Nadia Shehadeh blickt auf Tiefpunkte und Highlights in Musik, Film und Fernsehen zurück
Das Jahr startete mit der spektakulären Will-Smith-Ohrfeige bei den Oscars und es endete quasi mit Heidi Klum als Wurm – und dazwischen gab es sowohl Tiefpunkte als auch Highlights und Material, das zum Klassiker taugt. Virale Pop-Momente lieferten ein dringend benötigtes und vor allem auch unterhaltsames Gegengewicht zu allem, was sonst so in der Welt passierte, wobei natürlich nicht alles davon schön war. Einiges kann bleiben, einiges kann weg – und manches, so wie die ein oder andere Promi-Demontage, erledigte sich dann auch von selbst.
Die Rückkehr von »Size Zero«
Ein Phänomen, auf das man gern verzichtet hätte – und dann war es ausgerechnet Kim Kardashian, die diesen fragwürdigen Trend zurück in die Modewelt manövrierte: Um sich in ein Original-Marilyn-Monroe-Kleid für den mittlerweile legendären Kurzauftritt bei der Met-Gala zu zwängen, nahm sie innerhalb weniger Wochen mehrere Kilo ab – und läutete damit das Ende des Curvy-Zeitalters ein. Schade!
Misogyne Presse und Prozesse
Als übelster frauenfeindlicher Höhepunkt des Jahres kann zweifelsohne der Prozess »Johnny Depp vs. Amber Heard« auf die Tiefpunktcharts des Jahres gesetzt werden. US-Schauspielerin Evan Rachel Wood wurde im März 2022 von ihrem Ex-Partner Marilyn Manson wegen Verleumdung verklagt, nachdem sie Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben hatte. Und auch in Deutschland bekam man wieder eine Idee davon, wie sehr Gewalt gegen Frauen auch in der Welt der Reichen, Berühmten und Erfolgreichen verbreitet ist. Vor allem der deutsche Profi-Fußball bekam sein Fett weg: Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng wurde wegen Körperverletzung zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, und das Recherche-Kollektiv »Correctiv« machte strukturelle Gewalt im privaten Bereich so mancher Profifußballer öffentlich.
Kanye West: Ein Jahr der Selbstdemontage
Es gab viele Menschen, die sich in diesem Jahr nicht mit Ruhm bekleckert haben – aber Kanye West demontierte sich so konsequent, dass es teilweise schmerzhaft war, dabei zuzuschauen. Erst konzentrierte er sich beherzt auf eine regelrechte Online-Stalking-Kampagne gegen Ex-Frau Kim Kardashian und ihren neuen Freund Pete Davidson. Dann lieferte er Verschwörungsgelaber und antisemitische Ansagen, die sich gewaschen hatten. Und dann kam heraus, dass er während seiner Laufbahn bei Adidas regelmäßig durch toxisches Verhalten aufgefallen war. Die Folge: Auftraggeber, die ihn kurzerhand entließen, Verlust des Milliardärsstatus und eine Spur verbrannter Erde in den sozialen Medien.
A Negroni… Sbagilato… With Prosecco in it!
Es war ein scheinbar unspektakulärer Interview-Moment zwischen den »House of the Dragon«-Darstellerinnen Emma D’Arcy und Olivia Cooke. Ein kurzer Plausch über ihren Lieblingsdrink, wenige Sekunden lang: »Ein Negroni. Sbagliato. Mit Prosecco«, erklärte D’Arcy. »Stunning!«, entgegnete Cooke. Der Sound wurde so beliebt, dass der Negronie Sbagliato zum Trendgetränk des Herbstes wurde – und das Schwätzchen von D’Arcy und Cook in die Annalen der beliebtesten Video-Audios bei TikTok einging.
Butter Boards
Rustikale Holzbretter, auf die zentimeterdick Butter zusammen mit ein paar Zusatzzutaten wie Honig, Kräutern, Nüssen oder Marmelade aufgetragen wird, trendeten wie verrückt in den Sozialen Medien – obschon sie wie die schmierigste Angelegenheit aller Zeiten rüberkommen. Ich weiß nicht, wer die durchgefetteten Holzbretter mit Freude abschruppen möchte – aber irgendwer muss es damit aufgenommen haben, denn laut Social Media wurden in diesem Jahr sehr viele Butter Boards als Butterbrotalternative zur Hand genommen!
It’s Corn!
Die Musiker The Gregory Brothers produzierten einen der Ohrwürmer des Jahres. Er basiert auf den Ausschnitten eines Interviews des Komikers Julian Shapiro-Barnum mit dem siebenjährigen Tariq aus New York City. Tariq berichtete euphorisch von dem Verzehr seines ersten Maiskolbens – und wurde nach dem phänomenalen Viral-Erfolg des Lieds als Maisbotschafter durch das Land geschickt. Eins der besten Lieder des Jahres, mit einer ehrlichen Botschaft, die man ohne schlechtes Gewissen unterschreiben kann: »It‹s vorn (…) I can‹t imagine a more beautiful thing!«
Die besten Serien
TV-technisch war 2022 ein Jahr der Neuauflagen und Fortsetzungen: »Sex And The City« bekam mit »And Just Like That…« und »Game of Thrones« mit »House oft the Dragon« einen Spin-Off. Und auf den letzten Metern des Jahres entpuppte sich die Addams-Family-Netflix-Neuauflage »Wednesday« zum Quotenrenner. Mit der letzten Staffel »Ozark« ging ein Stück Streaming-Geschichte zuende, »Stranger Things« befeuerten die 80s-Nostalgie und »The Dropout«, »Der Tinder Schwindler« und »Inventing Anna« machten klar, dass wir uns im Zeitalter der Scammer*innen bewegen.
Die Rückkehr der It-Personen
Sie sind berühmt, aber niemand weiß so recht, warum: 2022 brachte einige illustre Sternchen auf die Bildfläche, die berühmt wurden, weil sie irgendwie nur sie selbst waren. Ganz vorne dabei: der deutsche Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance, der mittlerweile als Universalentertainer durchs Fernsehen tingelt. Oder US-Schauspielerin Julia Fox, die durch alles Mögliche außer ihrem Wirken im Filmgeschäft auf sich aufmerksam machte. Ich finde es nicht schlimm – Fragrance ist bisher so unterhaltsam und unproblematisch, dass man ihn meinetwegen gern überall da einsetzen könnte, wo eigentlich ein Auftritt von Richard David Precht eingeplant war. Und Julia Fox ist einfach interessant – auch, wenn man nicht dahinter kommt, was eigentlich ihr Kerngeschäft und -talent ist.
Einfach gute Musik
Hier mache ich es kurz und schmerzlos: Die Alben von Ethel Cain und Beyoncé verdienen einen Platz in den Klassiker-Listen. Und die schwedische Band Kite bewies, dass man unfassbar gut und gleichzeitig schmerzhaft unterbewertet sein kann. Wer gute Musik möchte, sollte hier reinhören!
Und last but not least…
Trotz allem Schönen: Momente wie die mediale Rezeption des Prozesses Johnny Depp versus Amber Heard, aber auch der Skandal um häusliche Gewalt im deutschen Profi-Fußball sind welche, die wir im nächsten Jahr so nicht mehr haben wollen. Weniger schlechte Promi-Nachrichten in 2023 – das wäre ein Ziel, mit dem ich mich anfreunden könnte.
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