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Streit wegen EU-Überwachung
Koalitionsvertrag durch SPD und FDP »unterschiedlich interpretiert«
Berlin. Eine geplante EU-Verordnung zum Durchsuchen von Internetkommunikation sorgt in der Bundesregierung für Dissens. Plattformbetreiber sollen verpflichtet werden, auch verschlüsselte Verbindungen ihrer Kunden auf Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu durchleuchten. Dazu sollen die Firmen eine Software für ein »Kundenseitiges Scannen« auf Mobiltelefonen installieren.
In der Bundespressekonferenz sprach die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) davon, sich dieser sogenannten Chatkontrolle »nähern« zu wollen. Die beiden FDP-geführten Ministerien für Justiz und Digitales lehnen dies jedoch als »rote Linien« ab. Betreiber von E-Mail-Diensten und Messengern sollen aus der Verordnung ausgenommen und das »Kundenseitige Scannen« gestrichen werden.
Diese Woche stand das Thema im Innen- und im Digitalausschuss auf der Tagesordnung. Eine Stellungnahme von Ausschussmitgliedern der SPD, Grünen und FDP sollte die eigene Bundesregierung auffordern, die Chatkontrolle abzulehnen, wurde jedoch mangels Einigkeit der drei Fraktionen nicht verabschiedet. Dabei schließt der Koalitionsvertrag eine Chatkontrolle explizit aus, bestätigt der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz dem »nd«. Dies habe er »gegenüber der Innenministerin vielfach zum Ausdruck gebracht«.
Im Parlament lägen SPD und FDP keinesfalls über Kreuz, wiegelt die stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses, Anna Kassautzki (SPD) auf Anfrage des »nd« ab. »Allerdings wurde der Koalitionsvertrag in den vergangenen Monaten teilweise unterschiedlich interpretiert, insbesondere auf der Arbeitsebene der Ministerien.«
Anke Domscheit-Berg von der Fraktion Die Linke hält die Position der SPD zur Chatkontrolle für »immer undurchsichtiger«. Im Digitalausschuss habe der zuständige Staatssekretär ohnehin bereits versichert, dass die Bundesregierung der geplanten Verordnung am Ende zustimmen wird. »Ohne Verstoß gegen den Koalitionsvertrag sowie gegen Grund- und Verfassungsrechte der EU ginge das gar nicht«, so Domscheit-Bergzum »nd«.
Letztlich kommt es aber auf die einheitliche Stimme der Bundesregierung nicht unbedingt an. Die EU-Mitgliedstaaten beschließen ihre Position zu der Verordnung im Mehrheitsprinzip. In der zuständigen Ratsarbeitsgruppe stößt das Vorhaben bislang auf grundsätzliche Zustimmung.
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