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Bronzen als Türöffner
Bei Baerbocks Besuch in Nigeria geht es um mehr als Wiedergutmachung für die Kolonialzeit
Bereits vor ihrem Abflug nach Nigeria hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nur freundliche Worte für ihre westafrikanischen Gastgeber übrig. Sie nannte das Land die »bevölkerungsreichste Demokratie Afrikas«. Nigeria ist rund zweieinhalbmal so groß wie Deutschland und hat 220 Millionen Einwohner. Dort wird regelmäßig gewählt, aber das Land hat große Probleme mit Korruption und liegt bei der Pressefreiheit im internationalen Vergleich weit hinten.
Für Baerbock spielten diese Missstände bei ihrem zweitägigen Besuch zu Beginn dieser Woche keine entscheidende Rolle. Vielmehr wollte die Grünen-Politikerin etwas zurückgeben, das einst zu Kolonialzeiten in dem Land geraubt worden war. Gemeinsam mit ihrer Parteikollegin, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, ist am Dienstag die Rückgabe der ersten 20 Benin-Bronzen an Nigeria geplant. Die Tafeln und Skulpturen stammen zum großen Teil aus britischen Plünderungen im Jahr 1897. Sie waren dann unter anderem an deutsche Museen verkauft worden. Bisher waren mehr als 1100 der Benin-Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin in rund 20 deutschen Museen zu finden. Auch mehrere Museumsdirektoren begleiten die Grünen-Politikerinnen auf ihrer Reise.
Baerbock nutzt die Visite, um die Beziehungen zu Nigeria auszubauen. Dabei geht es um Sicherheits-, Wirtschafts- und Klimapolitik. Zu Beginn informierte sie sich am Montag über ein mit deutscher Unterstützung arbeitendes Berufsbildungsprojekt. In der »Akademie der Fähigkeiten« nigerianischer Bauunternehmen in der Hauptstadt Abuja wird eine duale Berufsausbildung für Schreiner, Maurer und Klempner angeboten. Damit will die Akademie einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit leisten.
Im Laufe des Montags wollte Baerbock in die nordöstliche Krisenregion fliegen. Die Region ist eine Hochburg von Boko Haram. Das nigerianische Militär bekämpft mit nahezu allen Mitteln diese islamistische Terrormiliz. Das Programm der Außenministerin sah vor, dass sie sich in einem Camp über die Wiedereingliederung früherer Kämpfer von Boko Haram informiert. Zudem war der Besuch eines Dorfes geplant, das 2015 von Terroristen zerstört wurde. Ziel des dort von Deutschland geförderten Wiederaufbauprojekts ist es, den Menschen eine Rückkehr zu ermöglichen sowie Polizeistationen, Schulen und Krankenhäuser wieder aufzubauen. Der Terror verschärfe die ohnehin fragile Situation, hatte Baerbock erklärt. Positiv bewertete sie aber, dass sich seit dem vergangenen Jahr 100 000 Kämpfer von Boko Haram und deren Unterstützer ergeben haben.
Auch die Bundeswehr ist in Westafrika im Einsatz, um nach eigenen Angaben für Stabilität zu sorgen. Allerdings setzt die politische Führung in Mali bei der Bekämpfung von Islamisten derzeit eher auf Russland als Partner. Die Bundeswehr will im Mai 2024 aus dem Land abziehen. Dafür könnte sie sich im nördlichen Nachbarland Nigerias, im Niger, festsetzen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte Ende vergangener Woche erklärt, dass sich Deutschland »substanziell« an einer neuen EU-Mission im Niger beteiligen werde. Der Beitrag mit deutschen Soldaten werde »mindestens zweistellig« sein, sagte die SPD-Politikerin zum Abschluss ihrer Sahel-Reise in der nigrischen Hauptstadt Niamey. Demnach sehen die Planungen für die EU-Mission eine Gesamtzahl von 200 oder 250 Soldatinnen und Soldaten vor. Boko Haram ist auch im Niger aktiv.
In den vergangenen Jahren war eine Beratergruppe der Bundeswehr in Nigeria, die verschiedene Projekte unterstützt. So hatte die nigerianische Marine etwa fünf Flachboote erhalten, um das Nigerdelta »besser schützen zu können«, wie es vonseiten des Bundesverteidigungsministeriums hieß. Die großen Ölvorkommen im Delta würden nämlich viele Kriminelle anziehen. Dass auch dem nigerianischen Militär schwere Menschenrechtsverletzungen und Morde vorgeworfen werden und der Konzern Shell für Umweltzerstörungen im Nigerdelta verantwortlich ist, wurde vom deutschen Verteidigungsministerium in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.
Nigeria ist der größte Ölproduzent des Kontinents. Baerbock hatte angemerkt, dass das Land derzeit noch ein großer Emittent des klimaschädlichen Gases CO2 und Exporteur fossiler Brennstoffe sei. Das soll sich aber bald ändern. Nigeria spielt nämlich bei der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral ist. Dafür werden große Mengen Wasserstoff benötigt.
Im November vergangenen Jahres teilte das Auswärtige Amt mit, dass es in strategisch wichtigen Ländern Büros für Wasserstoffaußenpolitik eröffnen werde. Eines davon ist in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Das Büro werde die Aktivitäten der seit 2008 bestehenden deutsch-nigerianischen Energiepartnerschaft erweitern, hieß es im Auswärtigen Amt.
Deutschland setzt zudem auf die Kooperation mit weiteren afrikanischen Ländern. Die Produktion von grünem Wasserstoff ist dort günstiger als in Europa. Auch Wind und Sonne sind wichtig für die Energiewinnung und somit für die Standortwahl. Im Wasserstoff sehen die Grünen und Baerbock eine Alternative zur langjährigen Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland, die seit dem Krieg in der Ukraine wegen Sanktionen und der Feindschaft zwischen Moskau und den westlichen Staaten ohnehin eingebrochen sind.
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