• Kultur
  • Nachruf auf Manfred Messerschmidt

Bitte mit »dt«

Der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt ist gestorben

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

»Messerschmidt – mit dt«. So stellte sich der Professor mit einem hintergründigen Lächeln manchmal vor. Hitlers Kampfflugzeuge habe der Willi gebaut, der schreibe sich mit »tt«… Von solchen Leuten, die Verantwortung für den verbrecherischen Weltkrieg trugen, wollte sich Manfred Messerschmidt stets weit absetzen. Und doch: Als Historiker war er ihnen jedoch so nah wie nur wenige.

Messerschmidt gehörte zur »Generation Flakhelfer«, wurde Wehrmachtssoldat, desertierte – wie er erzählte – mit »Leutnantsgenehmigung«, geriet in US-Gefangenschaft auf den berüchtigten Rheinwiesen. Kaum entlassen, holte er in seiner Heimatstadt Dortmund das Abitur nach, studierte in Münster und Freiburg Geschichte, später Jura, promovierte und kam 1962 an das nur fünf Jahre zuvor gegründete Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) in Freiburg. Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD) machte ihn zum Leitenden Historiker. Er verfasste – auch mit Kollegen – zahlreiche Bücher, einige erregen als Standardwerke bis heute Aufsehen.

Am 18. Dezember ist der Mitbegründer der kritischen Militärgeschichte in Deutschland gestorben.

Das war‹s? Von wegen! Messerschmidts Leben war wesentlich reicher. Er hat – nach westdeutschen Maßstäben – epochale Wahrheiten über Militarismus, Krieg und die planmäßige Verlogenheit bei der Aufarbeitung der Wehrmachtsgeschichte zutage gefördert. Sachlich, immer anhand belegbarer Fakten, was den Hass ewiger Marschierer zur Folge hatte. Von Rechtsaußen warf man Messerschmidt vor, »rote Zellen« im Forschungsamt zu gründen. Er gehöre zu den »Hintermännern der skandalösen Anti-Wehrmachts-Ausstellung«, mit der Historikerkollege Hannes Heer ab 1995 in vielen Orten des Landes Diskussionen über die Verantwortung der Wehrmacht auslöste. Mit scheinbarer Gelassenheit ertrug Messerschmidt in jenen Jahren auch den Argwohn vieler Bundeswehrkommandeure, die ihren Untergebenen über Jahrzehnte ein anderes Traditionsverständnis eingaben.

Dem herausragenden Historiker und Humanisten war die Achtung jener, die von der Wehrmachtjustiz verfolgt worden waren und in der Bundesrepublik weiter geächtet wurden, wichtiger. Dass der Bundesgerichtshof 1995 endlich zu klaren Aussagen über die Terrorjustiz in der Wehrmacht gelangte, ist auch den Arbeiten des Freiburger Militärhistorikers zu danken. »Der Kampf für die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz wird untrennbar mit dem Namen Manfred Messerschmidt verbunden bleiben«, erklärt die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz im Nachruf zum Tode des Ehrenvorsitzenden ihres wissenschaftlichen Beirats. Zugleich arbeitete Messerschmidt als Vize-Vorsitzender der Stiftung Deutsches Holocaust-Museum, die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas trauert nicht minder um ihr langjähriges Beiratsmitglied.

Berufungen wie diese gründeten sich auch auf die Achtung, die Messerschmidt international genoss. So war er Präsident der Internationalen Gesellschaft für Wehrrecht und Kriegsvölkerrecht sowie Generalsekretär des Deutsches Komitee für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Als bekannt wurde, dass der einstige österreichische Außenminister und Bundeskanzler Kurt Waldheim, der als Generalsekretär auch die Geschicke der Uno gelenkt hatte, wesentliche Teile seiner Biografie als grausamer Wehrmachtsoffizier auf Balkan »vergessen« hatte, half Messerschmidt als Mitglied einer speziellen Kommission beim Erinnern. Seine Art, zu sagen, was war, kann vielen, die hierzulande im Bereich der Militärgeschichte arbeiten, Vorbild sein.

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