Die grenzenlose Gier der Fifa

Wie der Fußball-Weltverband mit neuen Plänen die Kommerzialisierung und den Gigantismus vorantreibt

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Steht gern im Rampenlicht: Fifa-Präsident Gianni Inafantino
Steht gern im Rampenlicht: Fifa-Präsident Gianni Inafantino

War einen Tag vor Heiligabend auch das geklärt: Der Fußball-Weltverband Fifa verkündete, dass die eingesetzte Integritäts-Taskforce an den 64 Spielen der Weltmeisterschaft in Katar nichts zu beanstanden hatte. Kein Verdacht auf Spielmanipulationen und keine relevanten Probleme. Alles sauber also bei der gigantischen Show in der Wüste, die für den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, nicht besser hätte laufen können. Dass der Herrscher am katarischen Nationalfeiertag mit dem Umhängen eines Edelgewands namens Bischt für Lionel Messi deutlich machte, um welche Botschaften es am Ende ging, nahm Fifa-Präsident Gianni Infantino lächelnd hin.

Die zumindest skurrile, eher perfide Vereinnahmung machte einmal mehr deutlich, welche Macht die WM-Bühne besitzt. Diese Strahlkraft nur alle vier Jahre zu nutzen, ist dem Strippenzieher Infantino zu wenig. »Es muss die Mission der Fifa sein, dieses Event in neuen Ländern auszutragen, es noch globaler zu machen«, lautete das Fazit des 52-jährigen Präsidenten. Um damit noch mehr Geld zu machen. Die erwarteten Einnahmen von 4,6 Milliarden Dollar im WM-Jahr werden wohl deutlich übertroffen – aber der Weltverband giert nach größeren Summen.

Nachdem der Versuch scheiterte, eine WM im Zwei-Jahres-Turnus durchzuboxen, gibt es laut englischen Medienberichten offenbar Pläne für einen Drei-Jahres-Takt. Der könnte ab 2030 anlaufen, wobei in einem Jahr eine Weltmeisterschaft, im nächsten Jahr die Konföderationen mit Europameisterschaft, Afrika-Cup oder Südamerika-Meisterschaft an der Reihe wären, ehe im dritten Jahr eine Klub-Weltmeisterschaft mit 32 Teams gespielt würde. Zwei dieser drei Großturniere würden unter der Hoheit der Fifa stehen. Dazu käme alle zwei Jahre im März noch eine World Series als eine Art Mini-WM, die niemand braucht.

Sogar Infantinos Vorgänger Joseph Blatter kritisiert diese Taschenspielertricks, die der Überkommerzialisierung die Krone aufsetzen. »Es wird versucht, immer mehr aus der Zitrone zu pressen – beispielsweise mit der WM-Endrunde mit 48 Teams oder nun mit einer Klub-WM, die als direkte Konkurrenz zur Champions League betrachtet werden muss«, sagte der 86-Jährige Blatter in der Wochenzeitung »Die Zeit«. Die Fifa mische sich »in etwas ein, das sie eigentlich nichts angeht – in den Klubfußball.«

Dass die neuesten Pläne des Weltverbandes in Europa auf Widerstand stoßen, wo die Europäische Fußball-Union Uefa mit ihrer Aufstockung der EM auf 24 Teams, der Einführung einer Nations League und einer bald deutlich erweiterten Champions League selbst auf Wachstum setzt, versteht sich von selbst. Beide Institutionen haben nicht verstanden, dass weniger mitunter mehr ist. Oder dass bestehende Modelle einfach nicht angetastet werden sollten.

Bei der WM in Katar war die Gruppenphase spannend, doch die Fifa bläht das nächste Turnier 2026 bekanntlich auf 48 Teilnehmer auf. Und den Modus will Gianni Infantino zudem »neu diskutieren«. Es deutet sich eine Abkehr von 16 Dreiergruppen an, stattdessen könnte in Vierergruppen gespielt werden, wofür vor allem die Gastgeber USA, Kanada und Mexiko plädieren. Davon soll der Fifa-Council überzeugt werden. Die Ausrichter hätten drei garantierte Heimspiele, zudem gute Chancen auf die K.-o.-Runde, weil neben den jeweiligen Gruppensiegern und -zweiten auch die acht besten Gruppendritten weiterkämen. Das Turnier würde damit auf 104 statt 64 Spiele ausgedehnt – Gigantismus ohne Ende. Da passen die riesigen Entfernungen, die zwischen Vancouver oder Mexiko-Stadt, von der West- bis an die Ostküste der USA zurückgelegt werden müssen.

Aspekte der Nachhaltigkeit missachtet die Fifa schon bei der WM der Frauen 2023 in Australien und Neuseeland. Abertausende Flugkilometer warten auf die 32 Teams. »Es werden bei dieser WM alle lange Wege haben«, weiß Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, deren Team in der Gruppenphase in Melbourne, Sydney und Brisbane antritt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat zusammen mit den Verbänden der Niederlande und Belgien eine Bewerbung für die WM der Frauen 2027 vorbereitet, um ein besseres Konzept zu liefern: Die Pläne für ein Turnier der kurzen Wege im Dreiländereck sind fertig, die vier deutschen Spielorte wären Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln.

Doch das Bewerbungsprozedere hängt fest, wie Doris Fitschen, DFB-Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball, erklärt: »Wir sind dort in der Warteschleife. Die Unterlagen der Fifa, um uns offiziell bewerben zu können, sind noch nicht da.« Eigentlich soll es im Sommer 2024 zur Vergabe kommen, aber ganz sicher ist das längst nicht mehr. Infantino will den Kritikern aus Europa offenbar mit Kalkül die nächste Ohrfeige verpassen. Deutschland könnte es auf die Füße fallen, international an Ansehen und Einfluss verloren zu haben, weil seine Funktionäre und Nationalmannschaft zunehmend als Besserwisser wahrgenommen werden.

Gerade Fifa-Boss Infantino würde offenbar liebend gerne die Weltmeisterschaft 2027 nicht mit nach Deutschland geben, wo überdies schon das Turnier 2011 gespielt wurde – sondern erstmals nach Afrika. Eine offizielle Bewerbung hat Südafrika angekündigt, deren Organisatoren auf die für die Weltmeisterschaft der Männer 2010 errichtete Stadioninfrastruktur zurückgreifen wollen. Weitere Konföderationen sollen ermuntert werden, sich zu bewerben. Chile oder Kolumbien gelten dabei als mögliche Kandidaten – auch in Südamerika wurden bislang noch nie Weltmeisterinnen gekürt.

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