• Kultur
  • Liga der gewöhnlichen Gentlemen

Ferien für immer

Komm, du holst Getränke, dann schauen wir die Filme von Werner Enke – und hören Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Diese Hamburger Gentlemen (vormals Superpunker) machen es uns leicht. Sie schicken uns mit dem Lebensmotto »Ferien für immer« in den Orbit. Dieses Lied, eine Single von 2020, kommt für mich gleich nach dem Evergreen »Wir wollen ewig leben«, dem trotzigen Kanon aller Union-Berlin-Fans, mit dem sie der ewigen Banalität des Todes trotzen wollen.

Ja, der gute alte Trotz. Nichts ist wichtiger für einen guten Song, gepaart mit Humor und einer Spur leichten Glücks, das wie eine Wurst einen Zentimeter vor unserer Nase baumelt. Das ist für die 2012 in Hamburg gegründete Band Die Liga der gewöhnlichen Gentleman gar kein Problem. Ihr unverwechselbarer melancholischer Sound und die leicht irren Texte, versehen mit jahresendgemäßer korrekter politischer Botschaft, werden uns fein übers Mittelohr ins Nebenhirn sausen, wenn sie jetzt am Donnerstag zwischen den Jahren im Berliner Monarch spielen.

Schon im Sommer warfen sie ein schönes Best-of-Sammelalbum auf den Markt: »Alleine auf Parties: 18 gewöhnliche ›Hits‹« liefert einen prima Überblickihres bisherigen Schaffens. Bereits im ersten Titel »Ein Leben in Rot mit purpurnen Blitzen« tanzen wir traumverloren im extrem eingängigen Gitarrensound und erfreuen uns am melancholischen Grundtenor, der alle ihre Texte durchzieht. Hast du zu Hause ein schreiendes Kind, nervt dein Hamster und schreit der Gummibaum nach Wasser? Mensch, lehn dich zurück, schau in den Spiegel, erröte vor Freude und düse ins Takkatukkaland. Denn auch wenn jeder Schmerz nach Ewigkeit schreit, sind wir doch glücklicherweise nicht unsterblich, womit alles gesagt ist.

In »Kennst du Werner Enke?« werden wir euphorisch ins Lebenswerk des Filmemachers und Großschauspielers Werner Enke, der sich sein Leben lang rar statt lang gemacht hat, eingeführt: »Komm ich schmier ein paar Brote und du holst Getränke, und dann schaun wir die Filme von Werner Enke«. Geht es schöner? Nein, natürlich nicht. Das ist doch einen Tick besser als Bernd Begemann und auf eine typisch hamburgische Art sehr smart, klug und trotzdem tanzbar. Sänger und Texter Carsten Friedrichs sagt dazu: »Natürlich darf das Tanzbein geschwungen werden. Selbst wenn wir es nicht wollten, würde trotzdem getanzt werden, so gut sind wir.« Ein wahrer Tausendsassa. Und bescheiden ist er auch noch!

Wie macht man eigentlich solche Texte? Carsten Friedrichs: »Am besten schreibt es sich in meinem Fall nach dem Aufstehen, wenn ich gut und lange geschlafen habe und mich niemand nervt. Dann geht das fast wie von selbst. Der Textgeist kam bisher erfreulicherweise an allen möglichen Orten über mich: Im Bus, unter der Dusche, beim Musikhören, im Stadion. Meistens aber, wie wohl bei allen großen Dichtern, vorm Fernseher.«

»Ferien für immer« ist ganz programmatisch gesehen ein Superhit, in »Mrs. Svendsens Heim für Esel« kümmert sich die Band um Tiere in der Sinnkrise: »Willst du glückliche Esel sehn, müsstest du nach England gehen«. Aber auch »Der kleine Matratzenmarkt«, »Der beste Zechpreller der Welt« und »Der große Kölner Pfandflaschenbetrug«, all diese mächtigen Dinge sind es wert besungen zu werden. Also »Salü und chin-chin!«

»Dummerweise haben wir uns mal entschieden auf Deutsch zu singen, was der internationalen Karriere im Wege stand, daher ist Berlin für uns immer ein Highlight, weil es da so international ist«, freut sich Friedrichs. Auch auf die Location am Kottbusser Tor: »Und auf der Bühne des Monarchen zu stehen, aus dem Augenwinkel die Berliner Nacht und die U-Bahn zu sehen, wenn da nicht der Textgeist sowie der Geist von Iggy Bowie in uns fährt, dann weiß ich auch nicht.«

Es war im Sommer 22, als er endlich seine Gesammelten Songtexte in Buchform vorlegte. Groß war die Freude der Menschen zwischen Meppen und Mailand, jede und jeder wollten (und wollen noch immer) sofort dieses Buch haben – das ich uns frühen und späten Lyrikerinnen ans Herz legen möchte. Wie sagt es Andreas Dorau? »Songtexte schreiben ist schwierig. Sie bestehen aus drei Säulen: Thema, Sprache und Standpunkt. Carsten Friedrichs erklimmt alle drei Säulen mit spielerischer Leichtigkeit. Daher sollten Sie dieses Buch kaufen.« Dem ist
nichts hinzuzufügen.

29.12, Monarch, Skalitzer Straße 134 ,Berlin, Support: Die Zärtlichkeit, 19 Uhr; Carsten Friedrichs: Ausgewählte Songtexte. Ventil, 216 S., br., 17 €; Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen: »Alleine auf Partys: 18 gewöhnliche ›Hits‹« (Tapete)

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