Die Grüne und der Bürgerliche

Bei der Bürgermeisterwahl in Falkensee verbündet sich Die Linke mit den Freien Wählern

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Falkensee lag bis 1989 im Schatten der Berliner Mauer. Nach deren Fall mauserte es sich zu einer der größten Städte Brandenburgs und zählt jetzt schon 45 000 Einwohner. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, wobei das Stadtbild von ausgedehnten Eigenheimsiedlungen bestimmt wird. »Es wird immer noch gebaut, obwohl wir eigentlich Mondpreise haben«, sagt die Grünen-Stadtverordnete Julia Concu. Sie ist seit der letzten Kommunalwahl im Jahr 2019 Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung (SVV).

Ihrer Partei haben das rasante Wachstum der Stadt und der damit verbundene Zuzug geholfen. Die Grünen erhielten 2019 mit 22 Prozent die meisten Stimmen und stellen damit die stärkste Fraktion, noch verstärkt durch einen Vertreter der Jugendliste. »Das war ein Riesenerfolg«, erinnert sich Concu an den Wahlsieg. Sie leitet daraus eine Verpflichtung ab, die erste hauptamtliche Bürgermeisterin der Grünen im Land Brandenburg zu werden.

Ähnlich gute Wahlergebnisse in der Vergangenheit stärken das Selbstbewusstsein. Mit der Ärztin Ursula Nonnemacher, die in Wiesbaden geboren wurde und 1996 nach Falkensee zog, stellen die Grünen inzwischen die brandenburgische Gesundheitsministerin. Nun hat Julia Concu am 11. Juni 2023 durchaus gute Chancen, die Bürgermeisterwahl zu gewinnen. Bürgermeister Heiko Müller (SPD) tritt nicht erneut an. Die Sozialdemokraten mussten deshalb eine Kandidatin nominieren, die nicht über den vorteilhaften Amtsbonus verfügt.

Hätten es die Grünen gewollt, hätten sie für ihre Bewerberin die Unterstützung der Linkspartei bekommen. Denn: »Julia Concu ist in Ordnung«, wie Linke-Stadtparteichef Harald Petzold versichert. Gemeinsame Anträge in der SVV zeugen davon, dass es mehr als nur Berührungspunkte und Schnittmengen gibt. Nach Petzolds Einschätzung glauben die Grünen aber, es allein sogar leichter schaffen zu können. »Anscheinend empfinden sie ein Wahlbündnis mit uns, in dem Zustand, in dem sich unsere Bundespartei im Moment befindet, eher als Belastung.« Allerdings könnten auch erhebliche Differenzen Grund für die Distanz sein – insbesondere, was die soziale Komponente der von beiden Parteien angestrebten nachhaltigen Kommunalpolitik betrifft.

Ganz allein einen eigenen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen zu schicken, ergibt für Die Linke in Falkensee derzeit wenig Sinn. Von den einst zweistelligen Wahlergebnissen ist die Partei weit entfernt. Bei der Bundestagswahl 2021 bekam sie in Falkensee nur noch rund 6 Prozent. 2015 schnitt Bürgermeisterkandidat Norbert Kunz (Linke) mit 5,7 Prozent ähnlich bescheiden ab. Dabei war Kunz kein schlechter Bewerber und erhielt bei seinen öffentlichen Auftritten durchaus Zuspruch. Daher schien die Hoffnung berechtigt, er würde zehn Prozent der Stimmen erhalten.

Doch nach der Abstimmung bekamen die Sozialisten von etlichen Anhängern zu hören, Kunz sei zwar sehr sympathisch gewesen, das Kreuz auf dem Stimmzettel habe man aus taktischen Gründen aber bei Heiko Müller von der SPD gemacht, um die ebenfalls zur Wahl angetretene CDU-Landtagsabgeordnete Barbara Richstein als Bürgermeisterin zu verhindern. Müller entschied dann seinerzeit die auf den ersten Wahlgang folgende Stichwahl gegen Richstein mit 51 zu 49 Prozent knapp für sich.

Angesichts der politischen Realitäten nun einen eigenen Bewerber aufzustellen, kommt daher für die Mehrheit des Linke-Stadtverbands nicht infrage. Seit dem Sommer hat sich darüber hinaus in der SVV mit einer themenbezogenen Kooperation mit den Freien Wählern und der FDP die Möglichkeit ergeben, Vorschlägen im Interesse der Einwohner mehr politisches Gewicht und eine Chance auf Durchsetzung zu geben. Gemeinsam verfügen die drei Fraktionen in der SVV über 8 der 36 Stimmen. Sie konnten zum Teil auch Mehrheiten gewinnen für Anträge, die Einwohnern mehr Beteiligung, weniger finanzielle Belastung und stärkere Förderung in existenziellen Lebenslagen bringen sollten. Dabei kam es insbesondere mit den Freien Wählern und deren Neuzugang Rainer Ganser zu einer offenkundig verlässlichen Zusammenarbeit. Dies wiederum mündete in Gespräche über einen inzwischen verabredeten gemeinsamen Wahlantritt bei der Bürgermeisterwahl.

Anfang 2023 soll Ganser als gemeinsamer Bürgermeisterkandidat nominiert werden. Der Mittfünfziger, der 20 Jahre seines Lebens in China verbrachte und dort Mitglied im Vorstand der deutschen Außenhandelskammer war, gehörte fünf Jahre der CDU-Fraktion im Falkenseer Stadtparlament an. Am 1. Mai 2022 trat er zu den Freien Wählern über. Als Grund, warum er die CDU verließ, nannte Ganser vor allem unterschiedliche Auffassungen zu Entscheidungsfindungen. In einer Erklärung der Freien Wähler zu ihrem Neuzugang hieß es seinerzeit: »Rainer Ganser ist überzeugt, dass Politik für die Bürger und Bürgerinnen gemacht werden sollte und nicht für Politiker und Parteiinteressen.«

Ein Argument, das für Die Linke maßgeblicher ist als die Tatsache, dass Ganser als Bürgerlicher kein »lupenreiner Linker« ist, wie Harald Petzold sagt. »Aber wir haben Übereinstimmungen feststellen können.« Neben der Bürgerbeteiligung auch bei den Themen Bildung und Kita-Betreuung sowie bei der zu hohen Belastung der Falkenseer durch Gebühren. Die FDP könne sich, so sie denn wolle, der Nominierung von Rainer Ganser noch anschließen, sagt Petzold.

Der FDP-Landesvorsitzende Zyon Braun hätte prinzipiell nichts dagegen einzuwenden. »Über Nominierungen entscheiden die Gremien der jeweilig betroffenen Gliederung frei«, versichert er ganz allgemein. »Grundsätzlich sind Nominierungen politisch und im Einzelfall zu bewerten.« Ein Unvereinbarkeitsbeschluss gilt bei den Liberalen lediglich für jegliche Zusammenarbeit mit der AfD. »Entscheidungen auf kommunaler Ebene sind nicht mit der Bundes- oder Landesebene zu vergleichen, da es hier keine klassischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen gibt«, sagt Braun. Die FDP in Brandenburg mache »ihre Zusammenarbeit mit anderen Parteien von den Inhalten und der jeweiligen Situation abhängig«.

Ein weiteres Argument spricht dann auch aus Sicht der Linken für einen Bürgermeisterkandidaten, der gemeinsam mit den Freien Wählern aufgestellt wird: dass es der AfD nach wie vor gelinge, aus Unzufriedenheit, Frust und Verunsicherung zahlreicher Menschen politisches Kapital zu schlagen, um auf die ihr zugetrauten 12 bis 18 Prozent zu kommen – »egal, wen sie aufstellt«, sagt Harald Petzold. Zwar sei der AfD-Kandidat bei der letzten Bürgermeisterwahl 2015 mit 9,5 Prozent nach der ersten Runde ausgeschieden. Aber inzwischen zeigte das Beispiel anderer Kommunen, dass es unklug sein könnte, wenn zu viele verschiedene Kandidaten demokratischer Parteien antreten. Besser wäre es, die Kräfte von vornherein gegen rechts zu bündeln und damit auch gemeinsame Handlungsfähigkeit zu zeigen.

SPD und Grüne indes würden mit der Linken nichts zu tun haben wollen und fallen für ein solches Bündnis irritierenderweise aus. Sogar eine Verständigung mit der CDU wäre für Petzold vor diesem Hintergrund prinzipiell denkbar gewesen. Die CDU habe sich aber auf Jan Pollmann als ihren Mann für die Wahl verständigt – »und der redet nicht mit uns«, winkt Petzold ab.

Der Linke-Kreisvorstand Havelland hat der geplanten Nominierung von Rainer Ganser für die Bürgermeisterwahl von Falkensee bereits einstimmig seinen Segen gegeben. »Trotz aller Diskussionen finde ich es gut, dass es einen gemeinsamen Kandidaten gibt«, sagt der Kreisvorsitzende Christian Görke.

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