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Stutthof-Urteil angefochten
Verteidigung wie auch Nebenklage beantragen Revision
Das Urteil gegen eine ehemalige Zivilangestellte im NS-Konzentrationslager Stutthof nahe Gdańsk (damals Danzig) ist noch nicht rechtskräftig. Es wird nun auch den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigen. Denn gegen das von der 3. Großen Jugendkammer am Landgericht Itzehoe am 20. Dezember verkündete Urteil gegen die heute 97-jährige Irmgard F. wurde von zwei Seiten Revision eingelegt.
Entsprechende Medienberichte bestätigte die Pressesprecherin des Landgerichts, Frederike Milhoffer, am Mittwoch. Nun muss der BGH prüfen, ob die Revision zugelassen wird und ob es möglicherweise Fehler in der Verhandlungsführung gab. Eine neue Beweisaufnahme wird es in Karlsruhe allerdings nicht mehr geben.
Zum einen hatte die Verteidigung der früheren KZ-Schreibkraft Revision eingereicht. Dafür hat sich maßgeblich die Anwaltskanzlei starkgemacht und weniger die unmittelbar Betroffene. Irmgard F. war wegen Beihilfe zum Mord in 10 505 Fällen verurteilt worden und in fünf Fällen wegen versuchten Mordes von 1943 bis 1945 zu einer zweijährigen Jugendstrafe auf Bewährung, weil sie zu Beginn ihrer Anstellung in dem Gefangenenlager erst 18 Jahre alt war.
Zum anderen sorgt ein Anwalt der Nebenklage, den das Landgericht namentlich nicht benennt, dafür, dass der BGH sich das Urteil noch einmal anschauen muss.
Wolf Molkentin als Verteidiger von F. hatte bereits nach der Urteilsverkündung beanstandet, dass sich das Gericht mehr von Mutmaßungen als von Beweisen habe leiten lassen. Damit bezog er sich auf Aussagen des Vorsitzenden Richters Dominik Groß wie jene, dass es »schlicht außerhalb jeder Vorstellungskraft« gewesen sei, dass die Beschuldigte, die in der Kommandantur des Lagers gearbeitet hatte, vom systematischen Massenmord nichts mitbekommen habe.
Aus dem Kreis der Nebenklageanwälte hatte nach der gleichlautenden Strafmaßforderung im Plädoyer der Staatsanwaltschaft und nach der Urteilsverkündung einzig Christoph Rückel öffentlich kritisiert, dass Irmgard F. mit einer Bewährungsstrafe davonkommen soll. Absolutes Unverständnis hatte auch Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee darüber geäußert.
Das mit der Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern bekannt gewordene Wiesenthal-Zentrum kritisierte das Vorgehen der Verteidigung von Irmgard F. als »Beleidigung des Andenkens der Opfer«. Die Revision sei »total unbegründet«, sagte der Leiter des Wiesenthal-Zentrums in Israel, Efraim Zuroff. Ein Freispruch würde die »Auslöschung der Erinnerung an die
Verbrechen und an die Todesopfer« bedeuten.
Der BGH hatte 2016 ein ähnliches Urteil aus dem Vorjahr zuletzt ausdrücklich bestätigt und damit den Weg für eine späte strafrechtliche Verfolgung von NS-Tätern frei gemacht. Damals ging es um die Entscheidung des Landgerichts Lüneburg, gegen den an der Rampe des Vernichtungslagers Auschwitz tätigen SS-Freiwilligen Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen eine vierjährige Haftstrafe zu verhängen.
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