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Eine Herzenssache
»Doors of Learning« – eine Ausstellung in Dessau erinnert an den Anti-Apartheid-Kampf und Solidarität
Mein Blut wird den Baum nähren, der die Früchte der Freiheit tragen wird.» Diesen vielleicht in westlichen Ohren etwas pathetisch klingenden Satz soll Solomon Kalushi Mahlangu gesagt haben, bevor er am 6. April 1979 im Alter von 23 Jahren vom südafrikanischen Apartheidregime hingerichtet wurde. Er gehörte zu einer Generation von Jugendlichen, die sich 1976 beim Aufstand der Schülerinnen und Schüler von Soweto gegen rassistische Unterdrückung und Willkür politisierten. Mahlangu schloss sich dem African National Congress (ANC) an, der damals in Südafrika mit allen Mitteln, auch bewaffnet, gegen die Apartheid kämpfte. Seine Hinrichtung löste vor 43 Jahren weltweit eine Welle der Empörung aus. Neben der Uno setzten sich auch die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und der damalige US-Präsident Jimmy Carter bei der südafrikanischen Regierung für eine Begnadigung des jungen Mannes ein – vergeblich. Mahlangu avancierte zu einem Helden und politischen Märtyrer der südafrikanischen Befreiungsbewegung. Seinen Namen trug unter anderem eine Bildungseinrichtung in Tansania, in der von 1976 bis 1992 junge Kämpfer*innen gegen die Apartheid ausgebildet wurden.
An die Geschichte des heute weitgehend vergessenen Solomon Mahlangu Freedom College und der Siedlung Dakawa, in der nach Tansania geflüchtete südafrikanische Anti-Apartheid-Aktivist*innen wohnten, erinnert eine kleine informative Ausstellung im Bauhaus Dessau. Erstellt wurde die Exposition mit dem treffenden Namen «Doors of Learning» (Tore zum Lernen) von Studierenden und Mitarbeiter*innen der Dessauer Bauhausuniversität im Rahmen des «Bauhaus Lab». Dabei handelt es sich um ein Programm, das die Bauhaus-Stiftung seit 2013 jährlich durchführt.
Jede Ausgabe hat einen anderen thematischen Schwerpunkt. «Die Stiftung Bauhaus geht aus einer Vorläuferorganisation hervor, die in der DDR gegründet worden war», erklärte der wissenschaftliche Mitarbeiter der Bauhaus-Stiftung Philipp Sack in einem Interview mit der Monatszeitung «Analyse und Kritik». Bei deren Aufarbeitung sei man auf eine Konferenz im Jahr 1989 aufmerksam geworden, die sich mit der Siedlung Dakawa für exilierte ANC-Kämpfer*innen befasst habe, an der die DDR beteiligt gewesen sei. Die Gebäude waren in Fertigteilbauweise errichtet worden. Fotos geben einen Eindruck davon. Die Unterkünfte sind den tropischen Temperaturen gemäß offen, luftig und freizügig errichtet.
Hier wird Geschichte lebendig. Berichtet wird, wie der ANC Ende der 70er Jahre ein transnationales Netzwerk aufbaute, um den Kampf gegen das Apartheid-System auf eine breitere Basis zu stellen. ANC-Vertretungen gab es in vielen europäischen Ländern. Allerdings wurde der ANC damals in vielen westeuropäischen Ländern und in den USA als prokommunistische Terrororganisation diffamiert und seine Mitglieder wurden an Einreise und Asyl gehindert. In der BRD gab es eine starke Pro-Apartheid-Lobby, in der sich neben Alt- und Neonazis auch Politiker wie der langjährige CSU-Rechtsaußen und Bundestagsabgeordnete Graf Friedrich Huyn tummelten. Sie feierten das südafrikanische Apartheid-Regime als Bollwerk gegen den Kommunismus, unterstützten es finanziell und mit Waffenlieferungen. Dahingegen standen die realsozialistischen Staaten an der Seite des ANC, boten Ausbildung und Logistik an, und die Bevölkerungen zeigten ihre Solidarität mit Spenden und Sympathiebekundungen. Solche kamen aber auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Westeuropa und den USA.
Die vielfältigen Kontakte des ANC rund um den Globus, insbesondere auch zur afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und deren prominenten Vertretern, sind in der Ausstellung im Bauhaus gut dokumentiert, wenngleich nicht die gesamte Bandbreite erfasst werden konnte. Es sind Flugblätter zu sehen, die seinerzeit über das Solomon Mahlangu Freedom College informierten. Die Bildungseinrichtung erhielt vor allem tatkräftige Hilfe von jungen Menschen aus Skandinavien. Einige der damaligen Helfer und Aktivisten kommen in der Ausstellung per Video zu Wort. Sie berichten über die Aufbruchstimmung in den ersten Jahren der Existenz dieser Bildungseinrichtung und den kosmopolitischen Geist, der dort herrschte. Die dort lehrenden Menschen stammten aus allen Erdteilen und sahen es als ihre Verpflichtung an, auf diese Weise den Kampf gegen das brutale Apartheid-Regime in Südafrika zu unterstützen.
Besondere Würdigung findet in der Ausstellung bemerkenswerterweise Tansania, das Land, das unter dem weltweit geachteten Präsidenten Julius Nyerere einen afrikanischen Sozialismus umzusetzen versuchte und die Befreiungsbewegung am Kap Horn tatkräftig unterstützte, indem es beispielsweise dem ANC Rückzugsmöglichkeiten bot sowie eine Siedlung und eine Schule zur Verfügung stellte. Das erste außerafrikanische Land, das sich dem anschloss, war Norwegen.
Beachtenswert angesichts des Verschweigens der Verdienste der DDR zur Unterstützung von kolonial und rassistisch unterjochten Völkern in Geschichtspublizistik und Medien und sogar in postkolonialen Studien hierzulande ist deren spezielle Würdigung in dieser Ausstellung. Davon zeugen nicht nur Fotos vom Treffen zwischen Erich Honecker und dem damaligen ANC-Präsidenten Oliver Tambo im Februar 1979 in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, die nach der Erlangung der Unabhängigkeit wie Angola einen heftigen Bürgerkrieg erlebte. Mosambik war damals ein Frontstaat im Kampf gegen die Apartheid und wurde immer wieder von der durch die Nato unterstützten südafrikanischen Armee angegriffen. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie junge DDR-Bürger*innen sich am Kampf gegen die südafrikanische Apartheid beteiligten. Dokumentiert sind Briefe junger Frauen aus Berlin, Rostock und Schwerin an das Solomon Mahlangu Freedom College, in denen sie ihre Unterstützung für das Personal anbieten. Es handelte sich hier nicht nur um FDJ-Mitglieder, auch eine junge Frau aus einer christlichen Jugendgruppe in der DDR wollte Hilfe vor Ort leisten. Solche Angebote kamen aus dem Herzen, waren gefühlte und gelebte Solidarität und nicht staatlich verordnet, wie heute gerne behauptet wird. Von einer solchen Sichtweise scheinen jedoch auch die Macher*innen dieser Ausstellung nicht ganz frei zu sein, wird hier doch auch ein Künstler zitiert, der das Engagement der DDR im Kampf gegen die Apartheid zu einem «politischen Schachzug» degradiert, «um internationale Anerkennung und Unterstützung zu generieren».
Es ist schade, dass diese Ausstellung kaum mediale Aufmerksamkeit erfuhr. Ein Grund hierfür dürfte vielleicht die mangelnde beziehungsweise nicht sehr professionelle Werbung der ausrichtenden Institution sein, weshalb auch «nd» erst zufällig auf sie stieß.
«Doors of Learning. Mikrokosmen eines zukünftigen Afrikas», nur noch bis zum 15. Januar, Bauhaus Dessau, 10 bis 17 Uhr.
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