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Flirten mit Meloni
Der Chef der christdemokratischen EVP im Europaparlament sucht die Nähe zu den Rechtsnationalisten
Manfred Weber ist nicht nur Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), sondern auch Niederbayer und gläubiger Katholik. So reiste Weber in der vergangenen Woche nach Rom, um dort Abschied zu nehmen vom verstorbenen Papst Benedikt XVI. Im Anschluss an das Requiem für den bayerischen Pontifex besuchte CSU-Mitglied Weber die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in deren Amtssitz Palazzo Chigi. Beim Plausch hinter verschlossenen Türen ging es aber wohl nicht um die Amtsgeschäfte der Ministerpräsidentin. Denn Meloni ist nicht nur Regierungschefin, als Vorsitzende der postfaschistischen Fratelli d’Italia führt sie auch die rechtsnationalistische Parteienfamilie EKR (Europäische Konservative und Reformer) im EU-Parlament.
Die EKR bündelt die Interessen der in der Fraktion versammelten Parteien aus dem rechten bis rechtsextremen Lager und bildet im Europäischen Parlament eine eigene Fraktion. Die italienischen Zeitungen spekulieren nun ganz offen über ein mögliches Bündnis zwischen Konservativen und den Rechtsauslegern. Das würde auch erklären, warum sich Weber und Meloni innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal getroffen haben.
Der in Mailand erscheinende »Corriere della Serra« sieht eine »fruchtbare politische und persönliche Beziehung« zwischen Weber und Meloni. Beide hätten im Palazzo Chigi über »die Aussichten auf ein europäisches Bündnis zwischen EKR und der EVP im Hinblick auf die Wahlen zum nächsten EU-Parlament im Frühjahr 2024« gesprochen. Dass sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kurz nach Weber mit Meloni traf, ist sicher Zufall – oder auch nicht. Die deutsche Christdemokratin wäre bei ihrer Wiederwahl auf die Stimmen der EKR angewiesen.
Zwar ist die EVP stärkste Kraft im Parlament, muss aber mit den anderen großen Fraktionen zusammenarbeiten – vor allem mit der sozialdemokratischen S & D und der liberalen Renew. Doch die Christdemokraten suchen offenbar nach einer Alternative zu den Sozialisten, mit denen man in vielen Politikfeldern nicht auf einer Wellenlänge liegt.
Lange Zeit beherrschte die informelle Große Koalition zwischen EVP und S & D den Brüsseler Politikbetrieb. Bis 2019 stellten beide Fraktionen zusammen stets die Mehrheit aller Abgeordneten und konnten so viele Entscheidungen unter sich ausmachen. Doch seit den letzten Europawahlen im Jahre 2019 ist die Lage unübersichtlicher geworden. »Wir sehen einer schrumpfenden Mitte entgegen«, sagte Weber damals und wandte sich gegen jede Zusammenarbeit mit »Extremisten von links und rechts«. Diese Absage gilt offenbar nicht mehr für die Extremisten von rechts. Dafür sind sie einfach zu stark geworden.
Umfragen sehen die EKR derzeit knapp hinter den Liberalen als viertstärkste Fraktion. Wobei vor allem die Fratelli hoffen, ihr Ergebnis von 2019 deutlich zu übertreffen. Damals kamen die braunen Brüder auf knapp sechs Prozent, was ihnen sechs Parlamentssitze einbrachte. Im nächsten Jahr will Meloni ihr Ergebnis verfünffachen. Dann säßen 30 Fratelli in Brüssel. Das würde auch die Machtbalance innerhalb der Fraktion verschieben, wo derzeit noch die polnische PiS-Partei von Jarosław Kaczyński den Ton angibt. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern und stellt die meisten Abgeordneten. Neben der PiS sitzen dort auch Abgeordnete der Schwedendemokraten und der unappetitlichen spanischen Vox. Beide Parteien arbeiten in ihren Heimatländern bereits mit Christdemokraten und Konservativen zusammen.
Auch im EU-Parlament gab und gibt es eine punktuelle Zusammenarbeit zwischen beiden Fraktionen. So wurde die konservative Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mit den Stimmen der EKR gewählt. Die selbst ernannten Reformer hatten im Vorfeld der Wahl einen der Vizepräsidentenposten ausgehandelt und dafür ihren eigenen Kandidaten zurückgezogen.
Weber war maßgeblich an dem Postengeschacher beteiligt. Berührungsängste gibt es also keine, wie Martin Schirdewan, Vorsitzender der EP-Fraktion The Left, bestätigt: »In Sachen Migration, Umweltschutz oder Frauenrechte teilen die Fraktionen einen gemeinsamen Wertekanon. Zusammen übrigens mit der zweiten Rechtsaußen-Fraktion im Parlament, Identität und Demokratie (ID), in der auch die AfD sitzt«, so Schirdewan. Der Linke wünscht sich eine »demokratische Brandmauer« gegen die Rechtsextremen. »Doch leider fehlt der EVP die antifaschistische Tradition und irgendwie auch das Gespür für die
Gefahr von rechts.«
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