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Puppe lernt Empathie

Der Horrorfilm »M3GAN« erzählt von einer Hightech-Puppe, die einen mörderischen Beschützerinstinkt entwickelt

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Cady (Violet McGraw) ist glücklich, weil die Androidenpuppe Megan (Amie Donald, links) auf sie aufpasst.
Cady (Violet McGraw) ist glücklich, weil die Androidenpuppe Megan (Amie Donald, links) auf sie aufpasst.

Puppen sind sauunheimlich, weil sie auf eine Weise unbelebt erscheinen, die einem spätestens im Halbdunkel suggeriert, gleich könnte die Starrheit sich lösen und das Leblose lebendig werden, um einen zum Beispiel mit einem spitzen Gegenstand anzugreifen. Das Horrorgenre hat das Motiv der Puppe mit teuflischem Eigenleben natürlich immer wieder aufgenommen. Am prominentesten in der »Chucky«-Serie, die allerdings eher juxig und ab dem zweiten Schwung Ende der 90er dann auch sehr postmodern-selbstreflexiv gestrickt war.

Es gab noch einige weitere mehr oder weniger populäre Horrorpuppenfilme, aber alles in allem ist die Figur nie so populär geworden wie andere Horrormythen. »M3GAN« nimmt die Figur und modernisiert sie, indem sie die Puppe, anders noch als in den ebenfalls von James Wan produzierten zwei »Annabelle«-Filmen nicht mehr antiquarisch wirken lässt, sondern sie als Androiden konzipiert, der als Künstliche Intelligenz fortwährend lernt und Eigensinn entwickelt.

Die Eltern von Cady (Violet McGraw) kommen bei einem Autounfall zu Tode, Gemma (Allison Williams), die Schwester der Mutter, erhält das Sorgerecht, ist aber kaum motiviert und außerdem Workaholic. Sie arbeitet für einen Tesla-artigen Hightech-Spielzeugkonzern. Dort entwickelt sie in einer Geschwindigkeit, die man auch nur in einem Genrefilm als plausibel durchgehen lässt, den Prototyp für eine neue, intelligente Puppe, die sich mit ihrer ersten Bezugsperson, identifiziert über Handkontakt, innig verbindet.

Bei den meisten rundum gelungenen Horrorfilmen läuft auf einer Ebene ein psychologisches oder soziales Drama mit, das mit den Mitteln der Fantastik, aber eben auch ganz unmittelbar und realistisch erzählt wird: die zerstörte Kleinfamilie in »Der Exorzist«, die Entfremdung des Ehepaars in »Rosemaries Baby«, der Alltagsrassismus in »Get Out«. Auf dieser Ebene ist »M3GAN« ein Film über die fehlgeschlagene Bindung zu einer Mutterfigur, die eigentlich dazu da sein müsste, die Trauer eines Kindes über den Verlust der Eltern aufzufangen und gemeinsam mit ihm zu bearbeiten.

Das kann und will Gemma nicht, weil sie ständig am Handy oder vor dem Rechner hängt und von der Situation noch nicht einmal überfordert ist, weil sie es gar nicht erst probiert. Die Lücke füllt Megan (Amie Donald). Cady ist glücklich, weil das Androidenpuppenspielzeug, das Gemma ihr geschenkt hat, schnell Empathie lernt und ihr das geben kann, was ihre Tante nicht vermag. Gemma ist glücklich, weil sie endlich ungestört arbeiten kann, während die Puppe ihre Nichte ins Bett bringt.

Dass das nicht gut gehen wird, weiß man schon nach drei Minuten. Im klassischen Horrorfilm wurde Versündigung an der Natur bestraft; in einem modernen Horrorfilm wie »M3GAN« ist es das Scheitern an der für einen vorgesehenen Rolle, durch welches das Tor zur Hölle aufgestoßen wird. Die Resultate sind entsprechend: Bald ist der Nachbarhund tot, ein Kinderohr fliegt durch die Luft – und von da an wird es unangenehm für alle, die bei Megan den Eindruck erwecken, sie würden ihre Besitzerin bedrohen.

»M3GAN« ist angenehm straff und trotzdem detailreich erzählt. Die Gewaltszenen sind auf den Punkt inszeniert und nicht ausgewalzt, die Figuren plausibel konstruiert, der Blick auf die Hightech- und Spielzeugbranche angenehm ironisch. Schön auch, dass der Showdown nicht als ewige Materialschlacht daherkommt, sondern in wenigen Minuten das Feld klärt. »M3GAN« läuft ähnlich wie seine Titelheldin wie ein Uhrwerk, ist intelligenter, als es zuerst erscheinen mag, und langweilt nicht. Wirklich in die Tiefe geht er auch nicht, verstörend ist hier zum Beispiel nichts, aber das ist auch erkennbar nicht das Anliegen. Alles sehr entertaining, vergnüglich und schwarzhumorig.

»M3GAN«, USA 2022. Regie: Gerard Johnstone, Drehbuch: Akela Cooper. Mit: Allison Williams, Violet McGraw, Amie Donald, Ronny Chieng, Brian Jordan Alvarez, Jen Van Epps, Lori Dungey, Stephane Garneau-Monten. 102 Min. Jetzt im Kino.

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