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Eröffnung an der Ostsee
LNG-Terminal in Lubmin in Betrieb genommen – Umweltschützer sorgen sich um Greifswalder Bodden
Gemeinsam drehten Bundeskanzler Olaf Scholz und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) am Samstag am Rad, das durch Öffnen eines Ventils dem künftig in Lubmin ankommenden Erdgas den Weg ins deutsche Netz freigibt. Die Anlage, von der aus jährlich bis zu 5,2 Milliarden Kubikmeter Gas auf den Weg geschickt werden können, hat einen Namen: »Terminal Deutsche Ostsee«. Jene See ist der Weg, über den das bei minus 162 Grad Celsius verflüssigte Erdgas als LNG (Liquefied Natural Gas) zum Hafen des 2000 Einwohner kleinen Ortes gelangt.
Transportiert wird es bis dorthin mit Shuttle-Schiffen. Sie nehmen das verflüssigte Gas von den Tankern, die es nach Deutschland transportieren, an Bord und bringen es zum schwimmenden Terminal in Gestalt des Schiffes »Neptune«. Auf diesem wird die flüssige Fracht in einer Regasifizierungsanlage wieder in den gasförmigen Zustand versetzt und dann über ein Rohrsystem ins Netz geleitet.
Direkt bis zum Hafen können die großen Gastanker nicht fahren, liegt doch zwischen Lubmin und dem Ankerplatz jener Tanker der Greifswalder Bodden. Das Ostsee-Nebengewässer ist nur 5,60 Meter tief – zu flach für schwere Schiffe. Doch drei bereitstehende Shuttles, von denen jedes 7800 Kubikmeter LNG aufnimmt, können sich dort gut bewegen.
Betrieben wird das Terminal vom französischen Energiekonzern Total Energies und dem Unternehmen Deutsche Regas. Wie von diesem zu erfahren war, seien bereits Aufträge für LNG-Lieferungen, die effektiv 3,6 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr ausmachen, vergeben worden: an die Firmen Total Energies und die Schweizer Met Group. Beide haben zugesagt, kein Erdgas aus den USA und Russland nach Lubmin zu bringen. Der Grund: LNG aus den USA steht wegen der Gewinnung mittels des umweltgefährdenden Frackings in der Kritik. Dieses Verfahren ist in Deutschland verboten. Energielieferungen aus Russland werden als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine boykottiert.
Im Dezember 2022 hatte ein Tanker eine erste LNG-Lieferung aus Ägypten nach Mecklenburg-Vorpommern gebracht. Inzwischen hat damit ein Testlauf der neuen Anlage stattgefunden. In dieser Zeit hatten sich Anwohner über ein »Wummern« beschwert, das die Nachtruhe gestört habe. Stephan Knabe, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Regas, räumte ein, eventuell sei Lärm durch mittlerweile beendete Tests entstanden, bei denen die Anlagen unter Spitzenlast gefahren worden seien. Umweltminister Backhaus sagte am Samstag: Derzeit liefen amtliche Schallmessungen. »Sollte die Regasifizierungsanlage ursächlich für die Belästigung sein, werden schallmindernde Auflagen folgen«, versprach der Ressortchef.
Auch wenn das Wummern nicht wieder auftritt, so befürchten Umweltschützer doch, dass der Betrieb des Terminals fortan Störungen mit sich bringen wird. Ihrem Unmut machten etwa 300 Aktivisten während der Terminal-Eröffnung mit Protesten Luft. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beispielsweise gibt zu bedenken, dass die Klimafolgen des Projektes ungeprüft blieben. Das gelte besonders für den Betrieb der Shuttle-Schiffe, »die bis zu sechs Mal am Tag den ökologisch hochsensiblen Greifswalder Bodden durchkreuzen«. Es sei allerdings ein Lichtblick, dass die Behörden den Betrieb des Terminals nur begrenzt bis zum 31. Dezember 2031 genehmigt haben.
Daran sollten sich Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit Blick auf dortige LNG-Terminals ein Beispiel nehmen, sagt Constantin Zerger von der DUH. Er kritisiert die Eile der zuständigen Stellen bei der Genehmigung für Lubmin ohne Prüfung der Klimafolgen in angemessenem Umfang. Solche Eile sei fehl am Platz, weil in diesem Winter auch nach Einschätzung der Bundesnetzagentur gar kein Gasmangel zu erwarten sei.
Die Umweltschutzorganisation WWF bemängelt, im Genehmigungsverfahren sei der permanente Shuttleverkehr von Tankern und Schleppern nicht ausreichend als Störfaktor berücksichtigt worden. Dieser erhebliche zusätzliche Schiffsbetrieb wirbele im flachen Bodden permanent Sedimente auf, die verdriften und die verbliebenen Seegraswiesen beschädigen. Mehrere Umweltverbände kündigten an, gegen die Genehmigung des Terminals Widerspruch einzulegen.
Keine Sorge dürfte Umweltschützern das Reinigen des Terminals von Algen und Muscheln machen: Solche Arbeiten sollen auf mechanischem Wege erfolgen. Biozide wie Chlor, das am LNG-Terminal in Wilhelmshaven verwendet wird und zum Ärger der Umweltschützer in die Nordsee gelangt, werden in Lubmin nicht eingesetzt.
Wie Bundeskanzler Scholz ankündigte, werde das neue Terminal nicht das einzige in Lubmin bleiben. Ein zweites, das dort entstehen soll, sei bereits in Planung. Zu diesem werde das Gas aber nicht mit Shuttle-Schiffen gebracht, sondern per Pipeline, die durch den Greifswalder Bodden verlegt wird.
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