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Greenwashing statt Klimaschutz
Proteste gegen wirtschaftsfreundlichen »Energiegipfel« in Berlin
»Es gibt kein Recht auf Kohlepropaganda«, skandierten die Demonstrant*innen, die sich am Montagvormittag an einem der Eingänge des Berliner Congress Center (BCC) am Alexanderplatz in Berlin niedergelassen hatten. Dort begann am Montagvormittag der dreitätige »Energiegipfel« der wirtschaftsliberalen Tageszeitung »Handelsblatt«. Unter dem Motto »Eine neue Ära beginnt: Geopolitische Entwicklungen und die Global Players« sollen Politiker*innen und Vertreter*innen der Wirtschaft dort nicht nur Reden halten. Networking – also Vernetzung – gehört zu den ausdrücklichen Programmpunkten des Kongresses, für den fast 3000 Euro Eintritt verlangt werden. Über die Zielgruppe lassen die Veranstalter*innen keinen Zweifel. »Nutzen Sie dieses außergewöhnliche Event, um das Profil Ihres Unternehmens zu schärfen und Ihren Bekanntheitsgrad als innovativer Vordenker und verlässlicher Partner zu steigern«, werden Konzerne als Partner*innen und Sponsor*innen angesprochen. Auf dem Kongress anwesend sind Vertreter*innen sämtlicher bekannter Energiekonzerne.
Die globalisierungskritische Organisation Attac hatte in der Nähe des Eingangs einen Informationsstand aufgebaut, wo sie ihre Alternativen präsentierte. Diese können auch in dem von der Initiative eigens produzierten »Wandelsblatt« nachgelesen werden, eine satirische Anspielung auf das »Handelsblatt«. In der Attac-Zeitung werden unter anderem die Vergesellschaftung der Energiekonzerne und der sofortige Ausstieg aus der Kohle- und Gasverbrennung gefordert. Die Verlängerung der Laufzeit für die Atomkraftwerke in Deutschland wird ebenso kritisiert wie die Räumung des Dorfes Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE.
Einige der Protestierenden, die am Montag gegen den »Energiegipfel« aufzogen, kamen direkt von den Braunkohleprotesten aus Lützerath. Sie brachten nicht nur die Parolen und Transparente, sondern auch den nötigen Elan mit. So wurde am Vormittag gleich an mehreren Stellen das Congress Center belagert. Vor allem junge Aktivist*innen riefen »Kohle und Gas stoppen«. Aber sie hatten auch weitere sozialpolitische Forderungen. »Das, was Berlin jetzt braucht – Mieten runter, Löhne rauf« wurde ebenso skandiert wie »100 Milliarden für Bildung und Soziales«. Damit wurde Bezug genommen auf die massiven Ausgaben für die Rüstung, die nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine von der Bundesregierung beschlossen wurden. Die Demonstrant*innen fordern hingegen eine zivile statt eine militärische Zeitenwende.
Schnell war das BCC von den Protestierenden an mehreren Stellen belagert. Den Konferenzteilnehmer*innen, die nicht gleich mit ihren Privatwagen durch die Tiefgarage in die Halle gelangten, wurde mit dem »Wandelsblatt« eine sozialpolitische Alternative zur Agenda des Kapitals präsentiert.
Überrascht vom Protest war offenbar die Polizei. Zunächst war sie nur mit einer Funkwagenbesatzung in Sichtweise des Attac-Infostands vertreten. Dort hatte sich auch ein »Handelsblatt«-Redakteur zu Wort gemeldet, der betonte, auch die Zivilgesellschaft werde auf dem »Energiegipfel« gehört. Nach wenigen Minuten verabschiedete er sich allerdings mit der Begründung, er werde jetzt auf der Konferenz gebraucht. Da schallte ihm von den Protestierenden schon die Parole »Demokratie statt Lobbyismus« entgegen. »Statt ihrem exklusiven Eliten-Talk brauchen wir einen ganz anderen Energiegipfel, bei dem die Menschen und das Klima im Mittelpunkt stehen und echte Alternativen angegangen werden«, erklärte Carmen Junge, Mitglied des Koordinierungskreises von Attac.
Neben den jungen Leuten mit Protesterfahrung aus Lützerath waren ebenso ältere Attac-Mitglieder vor Ort, die ebenfalls eine Vergesellschaftung der Energiekonzerne und einen Ausstieg aus Kohle und Gas forderten. Im Verlauf des Vormittags verstärkte sich das Polizeiaufgebot rund um das BCC deutlich. Die Protestierenden kritisierten, dass sie von Einheiten der Polizei gezielt fotografiert worden seien. Bis auf ein kurzes Gerangel an einem der Blockadepunkte kam es allerdings zu keinen weiteren Auseinandersetzungen.
Gegen 12.30 Uhr beendete Attac die Proteste planmäßig und zeigte sich zufrieden mit der Beteiligung. Der klimapolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Ferat Koçak, war nicht nur als parlamentarischer Beobachter vor Ort. In einer Erklärung bezeichnete er die »Handelsblatt«-Tagung als reines Greenwashing. »Die Klimabewegung ist stark und so versuchen auch Konzerne und Wirtschaftsakteure sich mit ›Klimaschutz‹ zu profilieren. Eine echte Energiewende kann es aber nicht geben, solange sie von Konzerninteressen diktiert wird«, so Kocak.
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