Hohe Strompreise durch Frankreichs AKW

Anke Herold über hohe Strom- und Energiekosten in Deutschland

  • Anke Herold
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Jahresbeginn sieht die Situation bei den Strompreisen an den Börsen erstaunlich entspannt aus. Im vergangenen August lag der Strompreis bei über 800 Euro pro Megawattstunde. Nach einem kurzen Höhenflug Mitte Dezember liegt der Börsenstrompreis seit 22. Dezember nun wieder unter 200 Euro pro Megawattstunde. Auch die Gasspeicher sind mit knapp 90 Prozent noch gut gefüllt. Laut Bundesnetzagentur ist die befürchtete Gasmangellage in diesem Winter nun unwahrscheinlich.

Wirken die getroffenen Maßnahmen? Haben viele die Appelle befolgt, die Heiztemperaturen gesenkt und viel Gas eingespart? Oder waren die Befürchtungen vor dem Winter übertrieben?

Im vergangenen Jahr sank der russische Anteil an den Gasimporten von 65 Prozent auf 22 Prozent. Aber 320 Terrawattstunden Gas, die 2022 noch aus Russland nach Deutschland flossen, müssen in diesem Jahr durch andere Quellen ersetzt werden. Die Kapazitäten der neuen LNG-Terminals in Norddeutschland liegen bei 350 bis 430 Terrawattstunden, die Importkapazitäten müssten also reichen.

Der Gasverbrauch im vergangenen Jahr sank um 14 Prozent unter das Niveau der Vorjahre. Die Haushalte haben 13 Prozent Gas gespart, die Industrie 21 Prozent. Nur in den Kraftwerken wurde fast die gleiche Gasmenge verbraucht. Gerade für den Strom haben wir doch viele alte Kohlemeiler wieder in Betrieb genommen und die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert. Gleichzeitig war das Gas im vergangenen Jahr extrem teuer. Warum wurde dann so viel Gas verstromt?

Die Erklärung liefert der europäische Strommarkt. Deutschland hat im vergangenen Jahr neun Terrawattstunden Strom mehr exportiert als in 2021. Vor allem nach Frankreich war der Nettoexport mehr als doppelt so hoch. Durch den Ausfall vieler Atomkraftwerke erzeugte Frankreich im vergangenen Jahr 80 Terrawattstunden oder 22 Prozent weniger Strom als im Vorjahr durch Kernkraft. Im Vergleich: Alle Gaskraftwerke in Deutschland produzierten 2022 nur 46 Terrawattstunden Strom. In Europa gab es seit Mitte Februar eine große ungeplante Stromlücke; von Juli bis September sank die Atomstromproduktion in Frankreich auf ein Rekordtief. Daher liefen in Deutschland Gaskraftwerke für den Stromexport auch dann, als der Gaspreis extrem hoch war. Diese Situation hat im Sommer entscheidend zu den hohen Strompreisen in Europa und Deutschland beigetragen.

Es ist eine erstaunliche politische Leistung von Präsident Emmanuel Macron, dass die Krise der französischen Atomenergie bei den vielen Brüsseler Energiegipfeln im vergangenen Jahr weitgehend unterging. Während die deutsche Regierung häufig im Zentrum der Kritik stand, musste Frankreich kaum erklären, wann die AKW wieder funktionieren werden.

Wie sich die Strompreise in 2023 entwickeln werden, hängt daher vor allem davon ab, ob Frankreich die Probleme mit seinen Atomkraftwerken in den Griff bekommt. Zwölf der größten und neuesten Atommeiler waren 2022 außer Betrieb, um Rohre mit neu aufgetretenen Korrosionsrissen auszutauschen, einige davon sind immer noch in Reparatur. 2023 werden wegen solcher Risse noch weitere sechs Reaktoren stillgelegt. Bei mindestens zehn weiteren Reaktoren steht eine zehnjährige Sicherheitsüberprüfung an, wofür diese ungefähr ein Jahr lang stillstehen werden. An weiteren Reaktoren müssen Wartungsarbeiten mit kürzeren Stillständen durchgeführt werden.

Diese geplanten Maßnahmen werden dazu führen, dass wieder mindestens ein Drittel der französischen AKW außer Betrieb sein wird. Bei einem heißen Sommer werden weitere Kernkraftwerke in Frankreich ausfallen, weil aufgeheiztes Kühlwasser bei hohen Temperaturen nicht mehr in die Flüsse eingeleitet werden darf. Für Deutschland bedeutet das wahrscheinlich weiterhin hohe Stromexporte, hohe Strompreise und hohe Treibhausgasemissionen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -