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Konfrontationskurs gegen Palästinenser
Die neue israelische Regierung zeigt keinerlei Interesse an einer Friedenslösung
Ein paar leere Gebäude, verwaiste Straßen – mehr hatte das israelische Militär 2005 nicht übrig gelassen von Chomesch, einer israelischen Siedlung im Norden des besetzten Westjordanlands. Damals hatte die Regierung von Ariel Scharon den groß angelegten Abzug aus dem Gazastreifen und Teilen des Westjordanlands angeordnet und dabei auch Chomesch räumen lassen. Kurze Zeit später zog das riesige Medienaufgebot ab. Chomesch, wo sich der heftigste Widerstand gegen die Räumung formiert hatte, verschwand für gut 15 Jahre weitgehend aus den Medien.
Doch nun macht die einstige Siedlung wieder Schlagzeilen: Rechtsextreme Siedler*innen haben dort schon vor Jahren eine neue, ungenehmigte Siedlung gebaut, die eigentlich geräumt werden soll. Darüber streiten seit Monaten rechte Gruppen und Menschenrechtsorganisationen vor dem Obersten Gerichtshof Israels. Denn anders als in vielen anderen Fällen ist im Fall von Chomesch eindeutig, dass die Siedlung auf Land gebaut wurde, dass sich in palästinensischem Privatbesitz befindet. Die neue israelische Regierung aus dem rechtskonservativen Likud, den ultra-orthodoxen Parteien und einem rechtsradikalen Parteienbündnis möchte das neue, ungenehmigte Chomesch nun trotzdem zu einer regulären Siedlung machen. Rücksicht auf die juristischen und außenpolitischen Rahmenbedingungen möchte man dabei nicht nehmen.
Schon wenige Stunden nach Vereidigung der neuen Regierung ging man auf volle Konfrontation mit dem Rechtssystem und ordnete an, dass die Rechtsvertreterin der Regierung die Position vor dem Obersten Gerichtshof ändert: Der Staat werde die Siedlung legalisieren. Dafür werde man Teile des Gesetzes ändern, das 2005 die Grundlage für die Räumung gebildet hatte.
Es war als erste Nachricht von der neuen Regierung »ein deutliches Signal, dass man sich um den Status Quo, den Friedensprozess oder überhaupt um eine Suche nach einer Lösung für diesen Konflikt nicht mehr schert«, sagte der palästinensische Regierungschef Mohammad Schtajjeh. Besorgt sind alle, die man nun nach der Zukunft fragt: Die Regierungen Bahrains und der Vereinigten Arabischen Emirate, die gerade erst diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen haben. Saudi-Arabien, wo man seit Jahren immer lauter über einen solchen Schritt nachdenkt. Sogar die politische Führung der Vereinigten Staaten: »Diese Siedlung ist selbst nach israelischem Recht illegal«, sagte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums nach der Ankündigung vor dem Obersten Gerichtshof.
Bei der Vereidigung des neuen Generalstabschefs Herzi Halevi versuchte Verteidigungsminister Joav Galant die Sorge vor einer Eskalation zu zerstreuen: Versuche, politischen Einfluss auf das Militär zu nehmen, würden an seiner Tür enden.
Und gleichzeitig zeigt sich: Viel können weder die palästinensische Führung noch die gemäßigteren Akteure in der Regierung oder die internationale Gemeinschaft dem politischen Klima-Wandel in Israel nicht entgegensetzen. Die Rechtsradikalen haben sich wichtige Posten in der Zivilverwaltung der besetzten Gebiete und großen Einfluss auf die Polizei gesichert. Und international war der israelisch-palästinensische Konflikt auch auf der Tagesordnung der Arabischen Liga immer weiter nach unten gerutscht, bis er dort nahezu keine Rolle mehr spielte.
In Israel regierte ab 2009 Benjamin Netanjahu, bis er Mitte 2021 kurzzeitig abgesetzt wurde. Er hat stets das Bild des zuverlässigen Bewahrers des Stillstands vermittelt. Es gab keine Fortschritte, aber auch keinen länger andauernden neuen Gewaltausbruch. Stattdessen begann, von Netanjahu forciert, das iranische Atomprogramm die Außenpolitik der Region zu dominieren. Vor allem auf der Arabischen Halbinsel, in unmittelbarer Nähe zum Iran, sah man in einem Ausbau der Beziehungen zu Israel einen Ausweg aus dieser Bedrohungslage.
Die palästinensische Führung verlor derweil auch innenpolitisch immer mehr an Boden: Präsident Mahmud Abbas ist mittlerweile 87 Jahre alt, krank, extrem unbeliebt in der Bevölkerung und nur noch mit Hilfe von autokratischen Methoden an der Macht. Politiker*innen, die zu stark an Einfluss gewinnen, lässt er gerne kaltstellen. Möglichkeiten, den Entwicklungen etwas entgegenzusetzen, gebe es damit kaum noch, sagt ein jordanischer Diplomat.
Was nun passiere, könne auch massive Auswirkungen auf andere Länder haben, die Beziehungen zu Israel unterhalten, sagt er. Denn in Jordanien lebt eine große Anzahl an Menschen palästinensischer Herkunft, überall in der arabischen Welt gibt es öffentlichen Widerstand gegen Beziehungen zu Israel, der mit der politischen Lage steigt oder sinkt.
Unmittelbar nach der Amtseinführung besuchte der rechtsradikale Polizeiminister Itamar Ben Gvir den Tempelberg in Ost-Jerusalem. In der Vergangenheit ist er bereits wegen Aufstachelung zum Hass verurteilt worden. Kurz nach der Wahl, bei der sein Parteienbündnis 14 der 120 Parlamentssitze errungen hatte, marschierte er mit Dutzenden Anhängern durch die palästinensische Stadt Hebron, in deren Zentrum sich auch eine der radikalsten israelischen Siedlungen befindet. Nur mit Mühe konnte das Militär Gewalt verhindern, als die Israel*innen die Absperrungen durchbrachen und auf die aufgebrachten Palästinenser*innen in der Nähe zustürmten.
In Ost-Jerusalem ließ Ben Gvir ein Treffen von arabischen Eltern auflösen; es sei von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) finanziert worden. Die Polizeiführung betonte, man habe nur den Befehl Ben Gvirs ausgeführt. Denn der hatte sich von Netanjahu bislang nicht dagewesene Weisungsbefugnisse über die Polizei zugestehen lassen.
Die neue Regierung Netanjahus nimmt aber nicht nur mehr Eskalation in Kauf, sie setzt auch auf offene Demütigung der palästinensischen Führung. Als deren Außenminister Riad Maliki aus Brasilien zurückkehrte, musste er feststellen, dass die israelische Regierung sein Recht auf freien Grenzübertritt aufgehoben hatte – zur Strafe für mehrere Initiativen, die die palästinensische Führung bei den Vereinten Nationen eingeleitet hat.
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