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- Rodel-WM 2023 in Oberhof
Scheitern war keine Option
Trotz schwieriger Bedingungen wurde die Rodel-WM in Oberhof durchgedrückt
Gerade ist die letzte Rodlerin für diesen Vormittag den Oberhofer Eiskanal hinuntergeschossen. Der Trainingsblock ist beendet, es wird ruhig auf der Bahn. Und ein junger Mann mit langem Zopf, in der Hand einen kleinen Eimer, macht sich an die Arbeit. Diesmal werden auf dem weltmeisterlichen Kurs nur Kleinigkeiten ausgebessert – Anfang Januar sah das allerdings noch ganz anders aus.
Über den Jahreswechsel war es im Thüringer Wald anhaltend so warm und windig gewesen, dass sich die WM-Organisatoren entschlossen, die 1354,50 Meter lange Bahn mit ihren 15 Kurven und einem Höhenunterschied von 102 Metern komplett neu zu vereisen. »Das macht keiner gerne, und das ist wirklich eine knochenharte Arbeit«, erklärt Sascha Benecken im Gespräch mit »nd«. Und der achtmalige Weltmeister aus dem nahe gelegenen Suhl weiß diesen Kraftakt, abgeschlossen erst gut zwei Wochen vor den am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften, zu interpretieren: »Dass das in Oberhof jetzt wieder so hingebogen wurde, zeugt von einem sehr starken Hintergrund. Und von dem unbedingten Willen, die WM hier auch tatsächlich erfolgreich auszurichten«, betont Benecken, der vermutet, dass die Titelkämpfe auf anderen Bahnen in der Rodlerwelt unter diesen Umständen womöglich abgesagt oder zumindest verschoben worden wären.
Für die Organisatoren in Oberhof war das keine Option. Zu prestigeträchtig ist das Projekt, das mit dem Zuschlag im Juni 2019 hier angegangen wurde. Mit Blick auf die Rodel-WM, die unter der neuen, futuristisch anmutenden Holzverdachung der Bahn ausgetragen wird, vor allem aber auch mit einem klaren Fokus auf die Zukunft – und damit auf die Bedeutung des Standorts. »Mindestens eine Generation muss die Organisation einer solch großen Sportveranstaltung schon nachwirken«, macht Organisations-Chef Hartmut Schubert deutlich. »Auch wenn man sieht, welche Kinderprojekte hier mit durchgeführt werden.« An der Rodelbahn in Oberhof, in der ersten Februarhälfte außerdem noch Austragungsort der Biathlon-WM, wurde so zum Beispiel die ursprüngliche Konzeption angepasst: Eine Kinderstarthöhe wurde neu eingerichtet – und dazu ein Trainingszentrum für den Nachwuchs geschaffen.
»Die Rodelbahn war früher eine Halbruine. Jetzt macht es einfach viel mehr Spaß, dort zu sein und zu trainieren«, sagt Schubert. Der WM- und Oberhof-Beauftragte der Thüringer Landesregierung findet: »Wir haben jetzt so gute Bedingungen bei uns, das gibt es nirgendwo in Deutschland.«
Billig war das nicht: Inklusive der 9,5 Millionen Euro, die der Bund beigesteuert hat, investierte der Freistaat 84 Millionen Euro in die Modernisierung der Oberhofer Sportstätten. Gut die Hälfte davon – 44 Millionen Euro – flossen dabei in den Umbau der Rennrodelbahn. Auch dank dieser Investitionen gewinnt das neue Vorzeigeobjekt im Westen des 1600-Einwohner-Städtchens nun wieder an Anziehungskraft: So hat SPD-Politiker Schubert beispielsweise beobachtet, dass seit der Eröffnung des Luxus-Familienresorts am Ortsausgang im Oktober 2022 »ständig Leute unterwegs sind, die in die Bahn hineinschauen«. Das offenkundige Interesse vieler Touristen und Urlauber müsse man »vielleicht noch ein bisschen besser kanalisieren«, sinniert der 62-Jährige und denkt dabei an die Möglichkeit, separate Rundgänge zu den diversen Oberhofer Sportstätten gezielt zu forcieren.
Was die Vorlieben der Menschen vor Ort angeht, gibt es bereits einen erkennbaren Trend: In den Sportvereinen in und um Oberhof, die im Winter Rodeln als Schwerpunkt anbieten, sind die Mitgliederzahlen während der Corona-Pandemie gestiegen. Das gewachsene Interesse am Schlittenfahren im Eiskanal hat allerdings auch seinen Preis. Das weiß nicht zuletzt Lokalmatador Benecken, der einräumt: »Es gibt die – wie ich denke, berechtigte – Kritik, was energetische Fragen betrifft. Weil allen klar ist, dass das sehr viel Energie kostet.«
Und weil das so ist, haben sich die Verantwortlichen beim Internationalen Rodelverband Gedanken gemacht, welche Einsparmaßnahmen in ihrer Sparte möglich sind. Ein aktuelles Ergebnis der Überlegungen: Im kommenden Jahr soll der Weltcup statt Mitte November erst Mitte Dezember starten. Dementsprechend sollen die Rodlerinnen und Rodler auch nicht vor dem 1. November, einen Monat später als sonst, auf dem kurz zuvor präparierten Eis fahren.
Eine Fachgruppe habe ermittelt, dass – wenig erstaunlich – der Oktober der Monat ist, der, wie Benecken es formuliert, »uns energetisch am meisten killt«. Der gebürtige Suhler denkt dabei an den großartigen Altweibersommer im vergangenen Oktober, als die Bahnen trotzdem mit riesigem Aufwand eingeeist wurden – ohne dass dies eine große Effizienz im Sinne des Sports hatte. Oder wie Benecken es salopp formuliert: »Wenn es so warm ist, sind die Bedingungen fürs Rodeln trotzdem kacke.«
Dann verweist der 32-jährige Familienvater noch darauf, dass Kunsteisbahnen wie die in Oberhof inzwischen generell energetisch saniert werden. Etwa dadurch, dass Kurven nach oben hin abgeschnitten werden. So wird die Eisfläche reduziert, und die fleißigen Eismeister mit den kleinen Eimern haben etwas weniger Arbeit. Zumindest in der Höhe.
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