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Ohne Daten keine Vergesellschaftung

Um Immobilieneigentümer zu ermitteln, braucht es den Blick in Grundbuch oder Kataster – nach Monaten hat die Expertenkommission die Daten bekommen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Verwirrung in der Debatte ist unübersehbar. Seit Monaten will die Expertenkommission, die über den Vergesellschaftungs-Volksentscheid berät, wissen, wem eigentlich wie viele Wohnungen in Berlin gehören. Um das herauszufinden, braucht es Daten. Diese wollten aber bislang weder die Senatsjustizverwaltung noch die Senatsbauverwaltung bereitstellen. Beide zeigten mit dem Finger auf das jeweils andere Haus.

Jetzt spielt die Partei von Linke-Justizsenatorin Lena Kreck der SPD-geführten Senatsbauverwaltung den Ball wieder zu. Die wiederum stellt der Expertenkommission bereit, was die Senatsjustizverwaltung bisher nicht herausgeben wollte.

Ohne die Daten kann es keine Umsetzung des Volksentscheids geben. Wenn es bei der Grenze von 3000 Wohnungen für die Vergesellschaftungsreife bleibt, können nicht einfach nur die Bestände von Unternehmen vergesellschaftet werden, von denen man weiß, wie viele Wohnungen sie besitzen, während andere, die diese Informationen nicht veröffentlichen, unbeachtet blieben. Das widerspräche dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Schon im November hatte Deutsche Wohnen & Co enteignen kritisiert, dass die Senatsjustizverwaltung bei der Herausgabe der Daten aus dem Grundbuch blockiert. Auch Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) äußerte Unverständnis darüber, dass das Linke-Ressort die Daten schuldig bleibt. Krecks Haus wiederum verwies an die Senatsbauverwaltung, bei der die Verantwortung über das Liegenschaftskataster liegt, aus dem sich die nachgefragten Daten ebenfalls entnehmen ließen.

Auch die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus macht nun Druck auf die Verwaltung von Bausenator Andreas Geisel (SPD). »Schon jetzt« könne Geisel wohl die Daten aus dem Liegenschaftskataster herausgeben, die Blockade der Expertenkommission müsse aufhören, sagen die Linke-Abgeordneten Niklas Schenker und Elif Eralp am Mittwoch. 

Wer ist also zuständig? »Die Antwort ist einfach: Es gibt ein Hilfsregister, über das die Grundbuchbeamten digital die Daten für das Liegenschaftskataster bereitstellen«, sagt Christoph Trautvetter, der seit Jahren Eigentümern auf dem Immobilienmarkt nachforscht. »Auf dieses Hilfsregister kann von beiden Seiten zugegriffen werden.« Von der Senatsjustizverwaltung sei ihm vorgerechnet worden, dass es zehn Jahre bräuchte, um PDFs mit Grundbuchdaten auszuwerten. »Wir versuchen der Senatsjustizverwaltung aber schon seit Monaten klarzumachen, dass wir die aufbereiteten Daten aus dem Hilfsregister für unsere Arbeit brauchen.« 

Die Daten bereitzustellen, sei eine »Ermessensentscheidung der Senatsjustizverwaltung«, meint Trautvetter. In anderen Bundesländern werde das gemacht. Warum also nicht vom Haus einer Linke-Senatorin, deren Partei auch mit ihrer Unterstützung für die Vergesellschaftung Wahlkampf macht? »Es scheitert sicherlich nicht am politischen Willen. Das Hauptproblem ist der Widerstand aus der eigenen Verwaltung«, sagt Trautvetter. Auch Krecks Sprecher erklärt: »Über Einsichtsanträge entscheiden die Grundbuchämter eigenständig.« 

Diese wiederum sind bei den Amtsgerichten angesiedelt. Die Entscheidung über die Herausgabe von Daten wird je nach Bezirk unterschiedlich gehandhabt. Über die Abgeordneten der Linksfraktion fand in der vergangenen Legislaturperiode auch eine koordinierte Abfrage solcher Daten von den Grundbuchämtern in mehreren Bezirken statt. Bei manchen wurden die Daten herausgegeben. Bei anderen nicht, beispielsweise auf die Anfrage einer Linke-Politikerin im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Letztinstanzlich entschied der Bundesgerichtshof Anfang 2020, dass Abgeordnete nicht allein wegen ihres Mandats die Daten aus dem Grundbuch erhalten können, weil die Voraussetzung eines »berechtigten Interesses« dadurch noch nicht gegeben sei. 

Dass die Frage des »berechtigten Interesses« der Knackpunkt ist, verdeutlichte auch Justizsenatorin Kreck bei einer Veranstaltung in der vergangenen Woche. Man sei immer wieder mit der eigenen Senatsverwaltung in Diskussion getreten, auch gerade wieder, habe sich an die Datenschutzbeauftragte gewandt und wolle nichts unversucht lassen. Die Auffassung, die das eigene Haus vertrete, sei aber, dass im entsprechenden Fall das »berechtigte Interesse« nicht gegeben sei. Kreck rief in Erinnerung, dass, falls die Vergesellschaftung umgesetzt werde, gegen diese mit Sicherheit bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt wird. »Wenn die Daten nicht korrekt herausgeben wurden, auf deren Grundlage vergesellschaftet wird, dann haben wir ein echtes Problem«, sagte Kreck. Sie mahnte an, es brauche eine »100 Prozent wasserdichte Lösung«.

Nach dieser haben Linke-Rechtspolitikerin Eralp und Mietenpolitiker Schenker gesucht. Um Rechtssicherheit zu schaffen, schlagen sie vor, dass in das Gesetz über das Vermessungswesen eine Defition des berechtigten Interesses aufgenommen wird, nach der unter anderem zu wissenschaftlichen Zwecken die Daten zweifelsfrei herausgegeben werden können.

Auch Immobilienmarktexperte Trautvetter hält das mit Blick auf die rechtliche Sicherheit für einen Weg, »für den es sich lohnt, zusätzliche Zeit in die Erarbeitung eines Vergesellschaftungsgesetzes zu investieren«. Denn anders als die Grundbuchordnung ist das Vermessungswesen in Berlins Landeszuständigkeit. Elif Eralp und Niklas Schenker sagen, dass mit der Änderung auch aus Sicht der Senatsbauverwaltung nichts der Datenherausgabe mehr im Weg stehen könne. »Wenn der Senator diese rechtliche Klarstellung braucht, um die Daten herauszugeben, sollten wir sie schnell vornehmen«, heißt es von den beiden Linke-Politikern am Mittwoch. 

Doch Bausenator Geisel scheint diese nicht zu brauchen. Sein Sprecher bestätigt auf »nd«-Anfrage: »Die Liste ist der Kommission vorletzte Woche zugegangen.« Ohnehin ist man damit noch nicht am Ziel. Der genaue Wohnungsbestand kann allein über die Auswertung des Liegenschaftskatasters nicht ermittelt werden. Informationen zur Anzahl von Wohnungen enthält dieses nicht. Für solch ein Wohnungskataster kämpfen Mietenpolitiker seit langem, um den Immobilienmarkt transparenter zu machen. 

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