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Hertha BSC: Chaos in Charlottenburg
Krisenklub Hertha Berlin feuert Fredi Bobic nach dem verlorenen Derby gegen Union Berlin
Als Hertha BSC das letzte Mal in der Bundesliga gegen den 1. FC Union Berlin gewann, war ein gewisser Michael Preetz verantwortlich für die sportlichen Geschicke des Fußballklubs aus Charlottenburg. 3:1 endete das Stadtderby im Dezember 2020 zugunsten der Hertha – sieben Wochen später trennte sich der Verein trotzdem von Preetz, Trainer Bruno Labbadia musste gleich mitgehen: 17 Punkte nach 18 Spieltagen und Tabellenplatz 14 waren zu wenig für die Ansprüche des Hertha-Präsidiums um den damaligen Klubpräsidenten Werner Gegenbauer. Arne Friedrich übernahm interimsweise die Aufgaben von Preetz, bis Fredi Bobic durch Gegenbauer von Eintracht Frankfurt nach Berlin gelotst wurde und im Juni 2021 die Position des Geschäftsführers Sport bei der Hertha übernahm.
Bobic hatte die Eintracht in seiner fünfjährigen Amtszeit als Vorstand Sport zum DFB-Pokalsieg und zum Einzug in das Halbfinale der Europa League geführt. Ähnliches erhofften sich auch die Berliner von Bobic, der als Stürmer von 2003 bis 2005 selbst für die Hertha spielte. Doch nach anderthalb Jahren mit dem 51-Jährigen als Manager steht Hertha Berlin kaum besser da als vorher: Das 0:2 am Samstagnachmittag gegen den Stadtrivalen Union Berlin nach Treffern von Danilho Doekhi (44. Minute) und Paul Seguin (67.) war bereits die fünfte Derbyniederlage in Folge in Bobics Amtszeit. Dazu nur 14 Punkte aus 18 Spielen, der bedrohliche Tabellenplatz 17, die ersten drei Spiele des Jahres verloren – zu wenig für den ambitionierten Hauptstadtklub, der auf lange Sicht gerne ins internationale Geschäft möchte.
Zumindest für die Verantwortlichen bei Hertha BSC: »Fredi Bobic ist ab sofort nicht mehr Geschäftsführer Sport bei Hertha BSC. Das Präsidium hat gemeinsam mit dem Aufsichtsrat des Hertha BSC e. V. einstimmig entschieden, seinen Geschäftsführer Sport, Fredi Bobic, mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben zu entbinden«, verkündete der Verein am Samstagabend auf seiner Webseite. Während viele Fans noch auf dem Nachhauseweg zurück aus dem Olympiastadion in schleichenden S-Bahnen feststeckten, hatte der Verein also auf die sportliche Misere reagiert und den als Hoffnungsträger gekommenen Bobic von seinen Aufgaben entbunden.
Die Personalentscheidung sei bereits nach dem 0:5 am Dienstagabend gegen den VfL Wolfsburg konkretisiert worden, erklärte Vereinspräsident Kay Bernstein am Sonntag in einer Pressekonferenz der Berliner. »Fredi Bobic kam 2021 unter anderen Voraussetzungen nach Berlin zu Hertha BSC. Die Voraussetzungen haben sich in den letzten anderthalb Jahren deutlich geändert. Wir sind weit weg davon, nach vorne und nach oben zu gucken«, sagte Bernstein, der Gegenbauer im Juni 2022 als Präsident von Hertha BSC ablöste und nie so richtig warm geworden war mit dem von Gegenbauer installierten Geschäftsführer. Als vor ein paar Wochen Bobic als Nachfolger von Oliver Bierhoff beim Deutschen Fußball-Bund gehandelt worden, deutete Bernstein an, dass er auch ohne Bobic zurechtkäme. »Reisende soll man nicht aufhalten«, sagte der ehemalige Hertha-Ultra.
Bobics Reise mit der Hertha ist nun also vorbei – der Klub aus Westberlin setzt seinen Kurs mit zwei Identifikationsfiguren fort: Der langjährige Akademieleiter Benjamin Weber wird neuer Sportdirektor der Berliner, der Ex-Profi und frühere Co-Trainer Andreas »Zecke« Neuendorf soll ihn dabei unterstützen. Die Position des Sport-Geschäftsführers wird vorerst nicht neu besetzt. »Die meisten von euch haben sicher damit gerechnet, dass Horst Heldt hier sitzt, dass Andreas Rettig hier sitzt. Wir sind aber überzeugt von diesem Weg«, sagte Bernstein über die neuen Männer an Bord der zu sinken drohenden Alten Dame.
Ob sich das Chaos bei der derzeit zweitbesten Fußballmannschaft der deutschen Hauptstadt mit dem Abgang von Bobic beruhigt, bleibt abzuwarten. Immerhin darf Trainer Sandro Schwarz erst einmal weitermachen. »Er hat unsere einhundertprozentige Rückendeckung«, betonte Bernstein. »Wir brauchen auf dieser Position eine Kontinuität. Wir glauben an das Zusammenstehen und das gemeinsame Miteinander.«
Mit Bobics früheren Arbeitgeber Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund als kommenden Gegnern braucht es viel Optimismus in Charlottenburg, dass der neu eingeschlagene Weg der Hertha einen positiven Anfang findet. Die Chance auf Wiedergutmachung gegen den Stadtrivalen aus Köpenick haben Trainer Schwarz und seine Mannschaft zudem erst wieder in der nächsten Saison – sofern Hertha denn nicht absteigt.
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