Langer Weg zur neuen Grundsteuer

Millionen Eigentümer von Immobilien haben trotz Fristende keine Steuererklärung abgegeben

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die großzügige Fristverlängerung um drei Monate scheint verpufft. Spätestens an diesem Dienstag sollten die Eigentümer von 36 Millionen Grundstücken in Deutschland eine Erklärung für die Neuberechnung der Grundsteuer abgeben. Doch bis Sonntag waren nach Angaben des Bundesfinanzministeriums gut 31 Prozent der Erklärungen nicht bei den Steuerbehörden eingegangen. Brandenburgs Finanzministerium teilte mit, aktuell fehle im Land noch jede dritte Erklärung für die Grundsteuer.

Wer eine Steuererklärung zu spät abgibt, riskiert Verspätungszuschläge durch das Finanzamt in Höhe von 25 Euro je angefangenem Monat, im Extremfall sogar ein Zwangsgeld von bis zu 25 000 Euro und eine Steuerschätzung durch das Finanzamt. Allerdings dürfte es zu Letzterem angesichts der Flut von Versäumnissen von Privatpersonen erst einmal nicht kommen. Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) sagte in der ARD, man werde »jetzt nicht die ganz großen Geschütze auffahren«. Die Menschen hätten im Moment »einen ganz Sack voll Probleme«, daher würden zunächst Erinnerungsschreiben verschickt. Es stehe dann im Ermessen des Finanzamts, den Verspätungszuschlag festzusetzen.

Ohnehin ist der Staat ebenfalls in Verzug. So schafft es der Bund nicht, für seine Immobilien die Abgabefrist für die Grundsteuererklärung einzuhalten. Die Bundesministerien wollen nun bis Ende März liefern, heißt es. Auch die meisten Bundesländer und wohl auch die Mehrzahl der Kommunen hinken hinterher. Gut im Rennen scheinen nur Bayern und Niedersachsen zu sein, die von der Möglichkeit Gebrauch machten, die Grundsteuer unbürokratisch nach eigenen Vorstellungen zu regeln.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für grundgesetzwidrig erklärt. Kritisiert wurde im Kern, dass die Bewertungsgrundlagen auf einem Gesetz aus dem Jahr 1934 beruhten und den aktuellen Marktwert von Grundstücken und Häusern nicht angemessen widerspiegeln. Kaum zwei Jahre blieben dem Gesetzgeber, um ein neues Gesetz zu beschließen. Versäumt wurde, Rathäuser, Schulen und Friedhöfe von der Meldepflicht auszunehmen, obwohl öffentlich genutzte Grundstücke steuerbefreit sind. Die schwarz-rote Koalition von Angela Merkel (CDU) versprach immerhin, die Reform insgesamt »aufkommensneutral« zu gestalten.

Eine Vorgabe, an der das Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner (FDP) festzuhalten gedenkt: »Das Ziel der Reform ist es, dass das Gesamtaufkommen der Grundsteuer auf gesamtstaatlicher Ebene annähernd gleich bleibt.« In der politischen Diskussion heißt es immer wieder, für lukrative Filetstücke, die von der alten Regelung besonders profitiert hatten, solle zukünftig mehr Grundsteuer abgeführt werden, während die Eigentümer von bescheidenen Einfamilienhäusern und städtischen Zinshäusern eher entlastet würden. Was dann auch für Mieter eine gute Nachricht sein könnte, denn letztlich müssen sie über ihre monatliche Wohnungsmiete die Grundsteuer mittragen.

Die Einnahmen aus der Grundsteuer fließen ausschließlich den Städten und Gemeinden zu. Mit derzeit laut Bundesfinanzministerium fast 15 Milliarden Euro im Jahr zählt sie zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen, die damit Schulen, Kitas, Schwimmbäder oder Büchereien finanzieren und wichtige Investitionen in die örtliche Infrastruktur wie Straßen, Radwege oder Brücken vornehmen.

Städte und Gemeinden wiederum können über einen sogenannten Hebesatz die Höhe der Grundsteuer selbst festlegen. Jedes Jahr erhöht bundesweit etwa jede zehnte Kommune diesen, wie eine Analyse der Beratungsgesellschaft EY zur Entwicklung der Grundsteuer-B-Hebesätze in den Jahren 2005 bis 2021 zeigt. »B« steht für »baulich« und wird angewendet bei bebauten und unbebauten gewerblichen und privaten Grundstücken. Ab 2025 ermöglicht es die Reform, dass Kommunen einen speziellen höheren Hebesatz für baureife Grundstücke einführen, die Grundsteuer C. Die Politik hofft, damit Anreize für den Wohnungsbau zu geben.

Am meisten Grundsteuer zahlen nach wie vor die Bürger in Nordrhein-Westfalen, die 2021 im Durchschnitt 216 Euro an die Gemeindekasse überwiesen – vier Euro mehr als im Vorjahr und mehr als doppelt so viel wie die Einwohner Brandenburgs, die im Durchschnitt 110 Euro zahlten (Vorjahr: 108). Im Bundesdurchschnitt zahlte 2021 jeder Einwohner und jede Einwohnerin 175 Euro an die Heimatkommune.

Ursprünglich sollten Bürger mit Immobilieneigentum ihre Erklärungen zur Neuberechnung der Grundsteuer bis Ende Oktober 2022 abgeben. Aufgrund des geringen Rücklaufs wurde die Frist um drei Monate verlängert. Grund zur Eile besteht allerdings eigentlich nicht: Bis Ende des Jahres 2024 wird die Grundsteuer noch nach der alten Regelung berechnet. So lange bleibt es ungewiss, wie sich die Grundsteuerreform auf die Einnahmesituation der einzelnen Kommunen auswirken und ob es zu einer Mehrbelastung der Bürger kommen wird.

Und womöglich muss die Reform ebenfalls wieder geändert werden. Verbände wie der Bund der Steuerzahler und die Deutsche Steuer-Gewerkschaft haben die Länder aufgefordert, die Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes vorläufig zu erlassen. Schon jetzt seien etliche Einsprüche und Klagen anhängig, die sich aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken erneut gegen die Berechnungsmethoden der neuen Grundsteuer richteten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.