- Berlin
- Kunst am Bau
Buntes statt graues Einerlei
Brandenburgs Landtag zeigt Ausstellung über baubezogene Kunst in der DDR
Hatte sich nach der Wende die veröffentlichte Meinung durchgesetzt, die DDR sei trist und grau gewesen, so wagt der Potsdamer Landtag nun eine punktbezogene Gegenthese. »Umwelt gestalten!« lautet der wenig präzise Titel einer Ausstellung, die sich auf vier Etagen des Parlaments am Potsdamer Alten Markt mit der Kunst am Bau auseinandersetzt, die in 40 Jahren DDR entstand.
Der Landtag setzt damit seine starke DDR-Fixiertheit bei der Wahl der Ausstellungsthemen fort, denn schon die vorherigen Ausstellungen hatten die Arbeitswelt beziehungsweise ihre künstlerische Darstellung in der DDR zum Gegenstand. Nun läuft also die neue Ausstellung, die in der vergangenen Woche eröffnet wurde und bis zum 8. Dezember zu sehen ist.
Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) sprach bei der Eröffnung von Werken, die »in großer Zahl verschwunden oder gefährdet sind«. Viele der Wandbilder, Mosaike, Reliefs oder Skulpturen gingen dem öffentlichen Raum verloren, für den sie eigentlich bestimmt waren. Manche wurden gepflegt, manche zerbröckelten nach und nach oder wurden von der Natur überwuchert. Nicht jedes dieser Kunstwerke am Bau ist aus Sicht der Parlamentspräsidentin erhaltenswert. »Das gilt für Ost wie für West«, betonte sie.
Ein unbefangener Blick verrät laut Liedtke, dass die Bezeichnung »sozialistischer Realismus« nur bedingt als Beschreibung für die enorme Vielfalt dieser Arbeiten tauglich ist. Es habe abstrakte, geradezu wilde Formen gegeben: kraftvoll, bunt und lebensfroh, nicht selten vielleicht auch kitschig. »Sie gehörten zum Leben vieler von uns oder zum Leben unserer Eltern«, sagt Liedtke. Zugleich handelt es sich meist um Auftragswerke staatlicher Stellen, Volkseigener Betriebe und Kombinate, Parteien oder Massenorganisationen.
Diese Ausstellung des Museums Utopie und Alltag Eisenhüttenstadt-Beeskow fußt im Wesentlichen auf Fotografien des Künstlers Martin Maleschka. Laut Kuratorin Sabrina Kotzian umfasst sie 80 Werke aus den einstigen Bezirken Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder), die 1990 das Land Brandenburg bildeten. Diese Werke entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg in »noch ungezählter Menge« für Stadtparks, Sporthallen, Produktionsanlagen, Kulturstätten, Speisesäle, Schulen und andere Orte. Der Betrachter begegnet der Fassadengestaltung der vor vier Jahren abgerissenen Fachhochschule Potsdam von Wolfgang Kärgel, dem vom »Paar am Strand«-Maler Walter Womacka beeindruckend gestalteten Foyer des Eisenhüttenstädter Rathauses und auch dem einzigartigen »Eisernen Vorhang« des Theaters in Schwedt, geschaffen von Axel Schulz.
Vor allem in Potsdam wurde um Erhaltung oder Beseitigung von DDR-Kunst und -Gebäuden nach der Wende bisweilen erbittert gestritten. »Andere baugebundene Kunstwerke sind nahezu unbemerkt verschwunden«, sagt Kotzian. Zumindest eine Dokumentation wäre in solchen Fällen wichtig.
Oder-Spree-Landrat Rolf Lindemann (SPD) erinnerte bei der Eröffnung daran, dass beide deutsche Staaten bestrebt waren, sich von der Nazizeit auch auf diesem Feld der Baukunst abzugrenzen und als geläutert zu präsentieren. Der lange Jahre um Anerkennung ringenden DDR kam es mit der staatlich geförderten Kunst am Bau darauf an, ihr Motto »Auferstanden aus Ruinen« zu bebildern. Lindemann zufolge wurde dabei vor allem in den ersten Jahren eine stark idealisierende, berührende Kunst- und Symbolsprache gewählt. Diese Darstellungen gerieten laut Lindemann nicht selten »in Konflikt mit Alltagserlebnissen«. Für Landtagspräsidentin Liedtke aber haben diese Kunstwerke »vielfach doch einen bleibenden Wert«, auch wenn sie ein Versprechen beinhalteten, das zu DDR-Zeiten nicht oder nur unvollkommen eingelöst werden konnte.
Eine enorme Entwicklung seit den 90er Jahren bis in die Gegenwart sieht Landeskonservator Thomas Drachenberg. Es habe gegenüber der DDR-Kunst zunächst »eine Phase der Geringschätzung gegeben«. Diese sei später jedoch allgemeiner Wertschätzung und Anerkennung gewichen. Ein stark emotionales Verhältnis zu diesen Werken hätten vor allem Menschen, die die alte Zeit noch erlebt haben. Doch auch bei jüngeren Generationen sei Interesse festzustellen. Die Beschäftigung mit DDR-Kunst nannte Drachenberg ein dankbares Thema, denn es handele sich um ein abgeschlossenes Gebiet. Die zur Stadt Bernau gehörende Waldsiedlung, wo das SED-Politbüro wohnte, steht heute unter Denkmalschutz. Das wäre vor 30 Jahren noch undenkbar gewesen. Drachenberg meinte: »Das hat etwas mit dem Zeitabstand zu tun.« Er kündigte an, sich im Frühjahr an der Gründung eines »Netzwerkes Postmoderne« in Halle/Saale zu beteiligen.
In keinem anderen Bundesland ist die Dokumentation der DDR-Fassadenkunst so fortgeschritten wie in Brandenburg, erklärte Kuratorin Kotzian. Zur Vielfalt des Umgangs mit der DDR-Kunst gehöre, dass die Plastik auf dem inzwischen abgerissenen »Haus des Reisens« in Potsdam jetzt an der neuen Schwimmhalle zu besichtigen sei – »eine Situation, der man den Kompromiss ansieht.« Kotzian berichtete außerdem von einem erstaunlichen Vorgang: Für die Gestaltung des Potsdamer Brauhausberges sei in der DDR-Endzeit ein Kunstwerk vorgesehen gewesen, das aber aufgrund der Zeitläufte nicht mehr zur Ausführung kam. Es lagen also nur Pläne und Entwürfe vor. Im Zuge der Rekonstruktion und Neugestaltung des Terrassenrestaurants »Minsk« wurde dann dieses Kunstwerk drei Jahrzehnte später doch noch realisiert. Der Kuratorin zufolge wäre ein solcher Vorgang »vor wenigen Jahren noch keine Option gewesen«.
Das Land Brandenburg habe erstmals 100 000 Euro für die Restaurierung der Ostmoderne bereitgestellt, lobte die Kunstwissenschaftlerin. Es sei zu hoffen, dass man auch in Zukunft mit solchen Mitteln rechnen könne. »Vielleicht auch mit ein paar Groschen mehr.«
»Umwelt gestalten! Baubezogene Kunst aus der DDR im Land Brandenburg«, bis 8. Dezember, montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr, Landtag Brandenburg, Alter Markt in Potsdam, Eintritt frei.
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