Polizeispitzel mit sexuellen Beziehungen

Fünf Frauen zeigen enttarnten Beamten in Katalonien wegen Missbrauchs an

Der laut »La Directa« unter dem Alias »Daniel Hernàndez Pons« agierende Polizist auf einem privaten Foto.
Der laut »La Directa« unter dem Alias »Daniel Hernàndez Pons« agierende Polizist auf einem privaten Foto.

Die katalanische Zweiwochenzeitung »La Directa« hat einen verdeckten Ermittler enttarnt, der im Auftrag der spanischen Nationalpolizei über drei Jahre soziale Bewegungen in Barcelona infiltriert hat. Der damals 31-jährige Polizist begann seinen Einsatz demnach 2020, gab sich als Mallorquiner aus und nutzte den Alias »Daniel Hernàndez Pons«. Den Recherchen zufolge setzt sich auch sein Klarname aus den Initialen D.H.P. zusammen.

»Dani« war offenbar auf Personen und Gruppen angesetzt, die sich mit Polizeigewalt, Antikapitalismus und Gentrifizierung beschäftigen. Er sei bei mindestens vier Räumungen anwesend gewesen, so »La Directa«. Dabei habe der Polizeispitzel auch Straftaten begangen, in einem Fall sollte er etwa wegen Vermummung eine Geldstrafe von 600 Euro bezahlen.

Die Enttarnung geht auf nicht näher beschriebene Fehler des Polizisten zurück, heißt es in einem Artikel. Anschließend hätten Aktivisten seine Identität anhand von Fotografien aus seiner Polizeischule bestätigt. »Dani« habe im Juni 2019 seinen Abschluss gemacht und sei daraufhin auf die Mission nach Barcelona geschickt worden. Dort war er den Berichten zufolge zuerst in einem besetzten Sozialen Zentrum aktiv.

Reisen führten ihn außerdem nach Madrid und ins Baskenland, so die Zeitung unter Berufung auf Aussagen von Aktivisten. Diese beschrieben sein Verhaltensmuster mit »ständiges Flirten, Konfliktvermeidung und ein geringes politisches Profil«. Dabei habe er auffällige T-Shirts mit antifaschistischen und antipolizeilichen Botschaften getragen.

Während seines Einsatzes soll »Dani« nach Aussagen mehrerer Aktivistinnen bis zu acht emotionale und sexuelle Beziehungen eingegangen sein, dabei habe er auch die Dating-App »OkCupid« genutzt, um Personen mit einem bestimmten politischen Interesse zu finden. Die darüber eingegangenen Beziehungen sollen geholfen haben, Zugang zu besetzten Häusern, Sozialen Zentren oder Gruppen zu erlangen.

Fünf betroffene Frauen haben am Dienstag eine Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs angekündigt. Sie werden dabei unterstützt von den Anwältinnen Anaïs Franquesa, Mireia Salazar, Laia Serra und Sònia Olivella vom Menschenrechtszentrum Irídia sowie der Gewerkschaft CGT. Die Anwältinnen schließen nicht aus, »dass sich die Zahl der betroffenen Frauen in nächster Zeit noch erhöhen könnte«.

Die Klägerinnen betonen, dass sie unter keinen Umständen eine Beziehung mit dem Polizisten eingegangen wären, hätten sie dessen wahre Identität gekannt. Eine der Klägerinnen beschreibt dies gegenüber »La Directa« als Vergewaltigung.

Das Verhalten des verdeckten Ermittlers verstoße gegen die körperliche, emotionale und moralische Unversehrtheit, heißt es in der Klageschrift, die zwanzig mutmaßliche Straftaten beinhaltet. Dies greife auch die sexuelle Autonomie der betroffenen Frauen an. Weitere Vorwürfe sind der Verstoß gegen die moralische Integrität, die Behinderung der Ausübung von Bürgerrechten und die Weitergabe von Geheimnissen der ausgespähten Personen.

Die Anwältinnen der Frauen fordern nun die Vernehmung von »Dani«, seinen Vorgesetzten und Verantwortlichen des Innenministeriums durch ein Gericht. Dabei soll festgestellt werden, wer die Maßnahme für welchen Zeitraum genehmigt hat. Derartige Ermittlungen dürfen nur in Fällen von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Drogenhandel angeordnet werden, erklärt eine Anwältin der Betroffenen.

Auch der katalanische Innenminister Joan Ignasi Elena fordert Aufklärung. »Wir nehmen diese Polizeieinsätze mit großer Sorge und Empörung zur Kenntnis«, heißt es in dem Schreiben an seinen spanischen Amtskollegen Fernando Grande-Marlaska. Dessen Behörden versuchten, »bestimmte Ideologien zu verfolgen und zu kriminalisieren«. Unterstützung kam von Parteien im spanischen Abgeordnetenhaus. In einem gemeinsamen Antrag fordern die katalanischen Unabhängigkeitsparteien ERC, CUP, Junts, PDeCAT, die baskische Unabhängigkeitspartei Bildu und die galicische Unabhängigkeitspartei BNG eine Erklärung vom spanischen Innenminister Marlaska. Der äußerte sich zunächst nicht.

Im Sommer des vergangenen Jahres hatte »La Directa« bereits den Polizeispitzel mit dem Alias »Marc Hernàndez Pon« enttarnt. Warum die beiden Beamten von ihren Auftraggebern mit einem nahezu identischen Nachnamen ausgestattet wurden, kann sich die Zeitung nicht erklären. Es habe sich aber vermutlich um eine gezielte Mission des Innenministeriums gehandelt. Nach der Enttarnung des ersten verdeckten Ermittlers hätten seine Vorgesetzten auch »Dani« aus Barcelona abgezogen, dieser habe anschließend gegenüber Aktivisten behauptet, sich im Süden Spaniens und anschließend im Ausland aufhalten zu wollen.

Der nun bekannt gewordene Fall in Katalonien ähnelt dem des britischen Polizisten Mark Kennedy, der sieben Jahre lang linke, teilweise militante Bewegungen in Großbritannien und anschließend in ganz Europa ausgeforscht hatte. Er flog 2010 auf, nachdem seine damalige – unfreiwillige – Partnerin seinen echten Pass gefunden hatte. Auch Kennedy unterhielt sexuelle Beziehungen zu mehreren Frauen.

Das Bekanntwerden dieser sexuellen Ausbeutung im Dienst führte schließlich ab 2015 zu einer umfassenden richterlichen Untersuchung gegen zwei ab 1968 eingerichtete Spitzeleinheiten, denen auch Kennedy angehörte. Erst danach wurde bekannt, dass die Beamten mehr als tausend politische Gruppen ausspionierten, darunter auch in Deutschland. Im Rahmen der Untersuchung hat der zuständige Richter bislang mehrere Dutzend Aliasnamen von Polizisten öffentlich gemacht, die in den vergangenen Jahrzehnten als verdeckte Ermittler eingesetzt waren.

Mindestens zwanzig Beamte gingen mit Frauen intime Beziehungen ein. Dabei entstanden auch Kinder, deren Väter nach Ende ihrer Mission fast immer verschwanden. Acht betroffene Frauen hatten daraufhin Klage gegen die NPOIU eingereicht und dies unter anderem mit emotionalem und sexuellem Missbrauch begründet. Nach einem zehnjährigen Rechtsstreit haben die Klägerinnen schließlich sechsstellige Entschädigungszahlungen erhalten.

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