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Klima statt Preußen
Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam sucht einen neuen Namen
Nun ist es offiziell: Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam sucht einen neuen Namen. Die Auseinandersetzung des landesgeschichtlichen Museums am Neuen Markt mit aktuellen gesellschaftlich-kulturellen Themen »spiegelt sich nicht mehr im Namen wider«, sagte Museumsdirektorin Katja Melzer am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Hauses zur Begründung. Es sei dabei auch der überkommenen Bezeichnung geschuldet, dass die Einrichtung insgesamt einen »geringen Bekanntheitsgrad« habe und sich »schwer in öffentliche Leitsysteme integrieren« lasse.
Das 2003 gegründete Museum habe sich Melzer zufolge »trotz immer wieder exzellenter Ausstellungen und Veranstaltungsprogramme bisher nicht als zentraler Kultur- und Bildungsort im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit verankern« können. Außerdem weise der Name »nicht eindeutig« auf ein Museum hin, man könnte auch eine Art Dachverband dahinter vermuten.
Aus diesem Grund habe sich der Träger des Hauses, die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte (BKG), entschlossen, den Prozess der Namensänderung einzuleiten, sagte Melzer, die zugleich BKG-Geschäftsführerin ist. Der Prozess selbst sei offen und werde nicht nur mit den Mitgliedern, dem Freundeskreis und Untergremien geführt, sondern auch mit Partnern außerhalb.
Man habe sich noch nicht festgelegt, welche Begriffe in ihm auftauchen, so Melzer auf die Frage, ob das Ziel der Aktion darin bestehe, »Preußen« aus dem Namen zu tilgen. Mögliche Varianten nannte sie nicht. Im Dezember, zum 20. Geburtstag des Hauses im beziehungsweise am historischen Kutschstall, werde man das Ergebnis präsentieren. Von der neuen Bezeichnung sei zu fordern, dass er »einprägsam« sein müsse und »leicht zu kommunizieren«.
In der Tat erinnert das ebenfalls am Donnerstag vorgestellte Jahresprogramm nur noch bedingt oder gar nicht an ein Museum, das sich dem Namen nach der brandenburgisch-preußischen Geschichte widmet. Katja Melzer sprach zwar von der geschichtlichen und kulturellen Vielfalt Brandenburgs, die es besonders jüngeren Menschen zu vermitteln gelte.
Die eigentliche Geschichte wirkt aber an den Rand gedrängt. Man wolle im Haus vielmehr »erlebbar« machen, »wie Kulturgeschichte, Naturgeschichte und aktuelle gesamtgesellschaftliche Themen mittels neuer Vermittlungsansätze sowie innovativer digitaler Medien in den Austausch gebracht werden können«. Im Vordergrund stehen dann auch andere Themen, etwa der Kampf gegen den Klimawandel.
Kuratorin Katalin Krasznahorkai sprach von »thematischen erneuerbaren Energien«, die auch darin lägen, dass Potsdam »führend in der Klimaforschung« sei. Das Land sei in der Eiszeit geformt worden und würde nun »brennen«, sagte Krasznahorkai mit Verweis auf die Waldbrände der vergangenen Jahre. Klima statt Preußen also.
So wird man bis zum 9. April im Haus laut Krasznahorkai die »Gletscher schmelzen hören«. Konkret handelt es sich dabei um die Klanginstallation »Melting Gallery«: In einer leeren Ausstellungshalle können die Besucher den gleichförmigen Klang der Tropfen eines abschmelzenden Alpengletschers akustisch erleben. Mit der Installation ist keinerlei Transportaufwand verbunden. Auch darin zeige sich ökologische Vorbildlichkeit.
Es folgt eine Fotoausstellung über die Oder, die im vergangenen Jahr mit einem katastrophalen Fischsterben zu kämpfen hatte. Den Jahresabschluss der künstlerischen Ausstellungen bildet schließlich unter der Überschrift »Toxische Landschaften« die Darstellung der »Endzeit des fossilen Zeitalters« anhand des Vergleichs zwischen Brandenburg mit seinen Tagebauen und den Niederlanden mit seiner Nordsee-Erdölförderung.
»Menschen – Klima, Klima – Menschen« ist auch das von Kristian Petschko vorgestellte Programm überschrieben. Der Leiter der Bildungsabteilung sagte, man wolle damit vor allem jüngeren Menschen die »Klimageschichte Brandenburgs« näherbringen. Anhand der »kleinen Eiszeit« solle dabei untersucht werden, welchen Einfluss der Klimawandel auf das soziale Gefüge habe. Der »Welttag zur Bekämpfung der Wüstenbildung« werde dabei einbezogen.
Museumsdirektorin Katja Melzer stellte wiederum das Projekt »SPUR.lab« vor. Unter Einbeziehung der Möglichkeiten digitaler Technik soll das Projekt Besuchern Erkenntnisse über die Konzentrationslager der NS-Zeit vermitteln. Gemeinsam mit der Filmuniversität Babelsberg »Konrad Wolf« fertiggestellt, gibt es etwa virtuelle Video-Rundgänge auf dem Gelände des ehemaligen KZ Ravensbrück und an weiteren Orten der NS-Verfolgung. Unter dem Titel »In echt? – Virtuelle Begegnungen mit NS-Zeitzeug*innen« sollen Besucher zudem virtuelle Begegnungen mit verstorbenen Opfern des Faschismus erleben können.
Auch in der ständigen »Brandenburg Ausstellung« soll das im Haus zu besichtigende drei mal vier Meter große Stadtmodell – es zeigt Potsdam im Jahr 1912 – in diesem Jahr »digital umgerüstet« werden. Informationen zu knapp 70 Gebäuden will man so abrufbar machen. Zudem können die Besucher die Stadtentwicklung in verschiedenen Zeitschichten entdecken. Katja Melzer verspricht sich davon, dass man »Geschichte als eine Frage der Perspektive« auffassen könne. Dabei muss man ihr einfach zustimmen.
Die Frage ist bei alldem berechtigt, ob das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, wie es ja aktuell nach wie vor heißt, überhaupt noch ein Geschichtsmuseum sein will.
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