• Politik
  • Homofeindlichkeit in Japan

Japans Premierminister in Erklärungsnot

Fumio Kishida muss Homophobie-Vorwürfe gegen sein Kabinett entkräften

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

Der japanische Premierminister tritt die Flucht nach vorne an: »Diese Aussagen stehen im totalen Widerspruch zur Politik der Regierung«, erklärte er am Montag. Fumio Kishida sah sich zu einer deutlichen Erklärung genötigt: »Es ist bedauerlich, dass dies zu einem Missverständnis mit der Öffentlichkeit geführt hat. Und es tut mir leid für alle, die sich durch die Äußerungen unwohl gefühlt haben.« Denn Homophobie, betonte Kishida, sei überhaupt nicht die Sicht seiner Regierung, die doch für Diversität und Respekt stehe.

»Diese Aussagen« sind die Bemerkung, über die in Japans Öffentlichkeit seit Tagen aufgeregt diskutiert wird. Masayoshi Arai, ein Vertrauter des Premierministers, hatte erklärt, er wolle keine gleichgeschlechtlichen Paare als Nachbarn haben. Und damit, dass Kishida am Samstag Arai entlassen hat, ist das Thema auch nicht wirklich erledigt. Arai hatte nämlich auch behauptet, dass es den meisten Personen des Kabinetts so gehe wie ihm.

Japans Regierung als homophober Klüngel? Es ist das Bild, das nun jedenfalls die Opposition zeichnet. »Es ist beschämend, dass die japanische Regierung als Vorsitzende der G7 so veraltete Vorstellungen zu Themen in Bezug auf LGBT und gleichgeschlechtliche Ehen hat«, erklärte Jun Azumi, ein führender Vertreter der linksliberalen Konstitutionell-Demokratischen Partei. NGOs, die die Rechte von LGBT-Personen vertreten, teilen ebenfalls gegen die Regierung aus. Denn laut mehreren Umfragen ist eine Mehrheit in Japan für die Legalisierung der Homo-Ehe.

Tatsächlich ist Japan der einzige G7-Staat, der keine gleichgeschlechtliche Ehe anerkennt. Kisida hatte zwar angekündigt, eine Gesellschaft prägen zu wollen, in der alle Menschen friedlich und inklusiv miteinander leben können, ließ aber keine Taten folgen. Hinter den anderen G7-Staaten, deren Regierungschefs im Mai in Hiroshima zusammentreffen, bleibt Japan zurück.

Der 65-Jährige hat mit diversen Krisen zu kämpfen, bei denen er selbst zwar stets bemüht, aber oft auch unglücklich aussieht. Als im Juli 2022 der Ex-Premier Shinzo Abe auf offener Straße erschossen wurde, feierte dessen Parteikollege und Weggefährte Kishida zwei Tage später noch einen krachenden Wahlsieg. Nur kam in den Wochen danach heraus, dass der Mörder Abe wegen dessen Kontakt zu einer Sekte namens Touitsu kyoukai (Vereinigungskirche) erschossen hatte, die wiederum für den finanziellen Ruin der Mutter des Mörders verantwortlich gewesen sein soll.

Bald begann sich die Stimmung in der japanischen Gesellschaft zu wandeln. Denn es stellte sich heraus, dass ungefähr die Hälfte der Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei, der wie Kishida auch Abe angehörte, ebenfalls Kontakt zu dieser Sekte hielten. Einige hatten von der Touitsu kyoukai Spenden erhalten, andere Wahlkampfhilfen. Im Gegenzug hatten sie offenbar ein Auge zugedrückt, was die Gebaren der Sekte betrifft. Kishida musste seitdem mehrere Minister entlassen, die ebenfalls in Verruf geraten waren. So reagierte der Premierminister zwar einerseits angemessen, muss sich aber andererseits vorwerfen lassen, in seiner Personalpolitik immer wieder fragwürdige Entscheidungen getroffen zu haben.

Zusätzlich kontrovers ist Kishidas Vorhaben, die im Dezember beschlossene historische Aufrüstung des japanischen Militärs durch höhere Steuern zu finanzieren. Inmitten seit Jahrzehnten stagnierenden Lohnniveaus und inzwischen zudem hoher Inflation sehen viele Menschen hierin eine ungerechte Belastung. Der Premierminister hat sich also relativ kurz vorm G7-Gipfel mit diversen Themen herumzuschlagen.

Wegen einer möglichen Legalisierung der Homo-Ehe ist zuletzt auch Kishida selbst auf die Bremse getreten. »Wir sollten dieses Thema mit großer Vorsicht behandeln«, warnte er im Parlament, da ansonsten die Gesellschaft verändert würde. Dabei ließe sich nicht nur wegen der Umfragewerte argumentieren, die Gesellschaft habe sich längst geändert. Ende 2022 entschied ein Tokioter Gericht, dass ein Verbot einer Homo-Ehe verfassungswidrig ist. Dass sich der wegen homophober Äußerungen entlassene Ex-Mitarbeiter Masayoshi Arai von seiner eigenen Aussage wieder distanziert hat, ändert nichts. Dies gehört in der japanischen Politik nämlich fast zum regulären Ablauf: Wenn japanische Politiker durch kontroverse Äußerungen auffallen, folgt kurze Zeit später meist eine Entschuldigung. Die wird aber eher als Etikette angesehen denn als Ehrlichkeit. Die Wut der Kritiker über die Regierung könnte dies eher noch vergrößern.

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