- Politik
- Verdeckte Ermittler
»Er hat uns als Frauen und als Aktivistinnen benutzt«
Die Aktivistin Clara beschreibt ihre intime Beziehung mit einem verdeckten Ermittler in Barcelona, ohne seine wahre Identität gekannt zu haben
Wie haben Sie Daniel Hernández kennengelernt?
Clara ist eine anarchistische Aktivistin und Mitglied des feministischen, antikapitalistischen Sozialen Zentrums »La Cinètika« in Barcelona. Sie war ein Jahr lang die Partnerin des Undercover-Polizisten Daniel Hernández Pons. Das Interview erschien zuerst in der katalanischen Zweiwochenzeitung »La Directa«, die die heimlichen Ermittlungen vergangene Woche öffentlich machte.
Übersetzung: Matthias Monroy.
Das war Ende November 2020 in einer Versammlung von »La Cinètika«, wo wir an einem Leitfaden für Prävention und Maßnahmen gegen patriarchalische Gewalt arbeiteten. Einer unserer ersten Termine im Dezember 2020 fiel mit einer Demonstration gegen einen Lagerhausbrand im Stadtteil Gorg in Badalona zusammen: Ich erinnere mich, dass er mit einem palästinensischen Schal ankam. Wir haben uns an diesem Tag miteinander eingelassen, und es war eine intensive Woche, wir haben uns jeden Tag gesehen.
Was hat er Ihnen über sein Leben auf Mallorca erzählt?
Er zeigte mir einige Fotos aus seiner Jugendzeit und von einer seiner angeblichen Ex-Partnerinnen. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, ließen ihn auch seine Tattoos normal erscheinen. Eines Tages erzählte er mir, dass sein Vater tot sei, dass dieser ein ziemliches Arschloch gewesen sei und dass er immer noch eine Beziehung zu seiner väterlichen Familie unterhalte, aber seine Mutter nicht. Deshalb sei er über Weihnachten nach Granada und Mallorca gefahren, um beide Seiten seiner Familie zu sehen.
Hat er sich über seine politischen Ansichten geäußert?
Wir haben sehr wenig über Politik gesprochen, und am Ende hat er mir immer recht gegeben. Seine allgemeine Dynamik bestand darin, über alles Witze zu machen und am Ende dasselbe zu sagen wie ich. Jetzt ist mir klar, dass er anfangs überhaupt kein politisches Bewusstsein hatte, aber ich glaube auch, dass er im Laufe der Zeit einiges gelernt hat.
Wie würden Sie seinen Charakter beschreiben?
Ein extrovertierter, aufmerksamer, sehr freundlicher und hilfsbereiter Mensch. Er war sehr nett und gesprächig. Er gewann mit Leichtigkeit das Vertrauen aller und erzählte mir, dass die Leute zu ihm kämen, um ihm ihre »Dramen« zu erzählen. Er hat sich sehr um mich gekümmert und war der Typ, von dem man denkt, dass er gar nicht existiert.
Was hat er in seiner Freizeit gemacht, und wie hat er sich verhalten?
Als wir zusammen waren, war er nicht so sehr auf Partys aus, er machte Pläne mit mir und meinen Kumpels, er passte sich an. Allerdings ging ich mit ihm feiern und war ziemlich betrunken. Ich nehme keine Drogen, und er hat mir immer gesagt, dass er auch nicht wirklich welche nimmt. Aber andere haben mir später erzählt, dass er viel mehr nahm, als er zugegeben hat. Eines seiner Lieblings-T-Shirts war eines mit der Aufschrift »MonoPoly«, ein Wortspiel aus den Wörtern für Affe und Polizist.
Sie sind zusammen nach Mallorca gereist. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Ich sagte ihm, er solle mir Mallorca zeigen, und reiste vom 6. bis 9. August 2021 dorthin. Er fuhr ein paar Tage vorher und holte mich dann am Flughafen in einem großen und makellosen Auto ab; er sagte, es gehöre einem Verwandten. Wir trafen einen angeblichen Freund von ihm in einer Bar auf einen Mojito, und der hinterließ uns die Schlüssel zu einem Haus in Montuïri. Dani wollte, dass ich die Person, von der er sagte, sie sei seine Mutter, am Stadtrand von Palma treffe, aber ich hatte keine Lust dazu und sagte Nein. Darüber wurde er sehr wütend.
Warum endete Ihre Beziehung?
Am 24. Oktober 2021 bat er mich um ein paar Tage Bedenkzeit, und am 28. Oktober trennten wir uns offiziell. Unsere Beziehung war immer von seinem Misstrauen gegenüber meiner Beziehung zu meinem Ex geprägt. Er sagte mir immer, dass er »der Einzige sei, der mich liebe«, aber dass ich ihn nicht genug liebe, und das machte mir große Schuldgefühle.
Wie hat sich die Trennung auf Sie ausgewirkt?
Ich ging nicht mehr zu Abendessen ins »La Cinètika«, weil ich ihn nicht sehen wollte. Alle Leute dachten: »Armer Dani, er hat es schwer wegen Clara.« Ich zog mich ein wenig zurück, um seinen Raum zu respektieren, und hörte auf, zum Sozialzentrum zu gehen, um ihn nicht zu treffen. Er ging nicht mehr zu den Versammlungen, aber weiterhin zu den Abendessen und engagierte sich sehr für eines der Filmprojekte, wodurch er die Schlüssel für den Raum in der Hand hatte.
Wie hat es Sie beeinflusst, als Sie herausfanden, dass er ein Undercover-Polizist ist?
Es ist etwas, das viel Angst und Sorge in mir geweckt hat. Wenn ich jetzt einen Polizisten sehe, werde ich sehr unruhig, und auch mein Selbstvertrauen hat gelitten. Ich fühle mich sehr benutzt, er hat uns als Frauen und als Aktivistinnen benutzt, ich fühle mich angewidert und wehrlos. Wenn er uns ausspionieren wollte – was meiner Meinung nach an sich schon schlimm genug wäre –, hätte er keine so intensiven Beziehungen aufbauen müssen; er hat viele Dinge getan, die nicht notwendig waren. Ich finde es schwer zu verstehen, dass man sich so in das Leben anderer Menschen einmischt. Ich erinnere mich daran, wie sehr er darauf bestand, mit mir zusammen zu sein, und wie er mir sagte, dass er mich liebe und eine Beziehung wolle. Er lernte sogar meine Eltern und meine Schwester kennen.
Hätte ich gewusst, dass er bei der Polizei war, hätte ich mich nie mit ihm eingelassen. Ich war nicht in der Lage, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Ich erinnere mich immer wieder daran, dass ich ihn Menschen gegenüber eingeführt habe, die mir sehr nahestehen. Nichts kann rechtfertigen, dass der Staat und die Polizei in mein Privatleben eingedrungen sind. Ich habe das Gefühl, dass er mich vergewaltigt hat; ich war mit jemandem zusammen, von dem ich jetzt weiß, dass ich ihn überhaupt nicht kannte, und das macht mir wirklich Angst. Was er mir als Frau angetan hat, ist sehr schwerwiegend, aber ich denke, es ist ebenso ernst, wie er sich in das Leben seiner Freunde und die politischen Aktivitäten von Räumen wie »La Cinètika« eingefügt hat. Ich bin schockiert, aber dass wir dies gemeinsam bewältigen, gibt mir Kraft.
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