Abschiebung des Vietnamesen Phi Son und seiner Familie droht

Der frühere DDR-Vertragsarbeiter soll wegen eines formalen Fehlers nach 36 Jahren das Land verlassen.

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 65-jährige Pham Phi Son mit seiner Frau und Tochter lebt seit 1987 in Chemnitz. Am 17. Februar wird vor der Ausländerbehörde für sein Bleiberecht demonstriert.
Der 65-jährige Pham Phi Son mit seiner Frau und Tochter lebt seit 1987 in Chemnitz. Am 17. Februar wird vor der Ausländerbehörde für sein Bleiberecht demonstriert.

Die sächsische Härtefallkommission sieht im Fall der von Abschiebung bedrohten Familie des früheren vietnamesischen DDR-Vertragsarbeiters Pham Phi Son keinen Härtefall. Sie hat den Antrag der Familie auf ein humanitäres Bleiberecht am Freitag abgelehnt. Damit sind Son, seine Frau und die sechsjährige Tochter Emilia ausreisepflichtig.

Der 65-jährige Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR und lebte als unbescholtener Bürger in Chemnitz. Er arbeitete sein halbes Leben in der Gastronomie und hatte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. 2016 machte er einen Fehler: Er verlängerte seinen Vietnam-Urlaub aus gesundheitlichen Gründen auf neun Monate. Erlaubt sind allerdings maximal sechs Monate, sonst erlischt das Aufenthaltsrecht.

Der Fehler fiel der Chemnitzer Ausländerbehörde ein Jahr später auf, als Son die Geburt seiner Tochter beurkunden wollte. Die bundesweit für ihre Härte berüchtigte Behörde löschte den Aufenthaltstitel der gesamten Familie und kündigte von Amts wegen Sons Arbeitsplatz und Wohnung. Gerichte und die sächsische Härtsfallkommission lehnten 2019 den Antrag auf ein Aufenthaltsrecht ab.

Der Fall erregte Aufsehen, mehr als 84 000 Menschen unterzeichneten eine Petition für ein Bleiberecht der Familie. Im vergangenen Herbst stellte Chemnitz den Eltern endlich wieder eine Arbeitserlaubnis aus. Beide Ehepartner arbeiteten seitdem als dringend benötigte Arbeitskräfte in einem Gastronomiebetrieb. Die Frau besucht zusätzlich einen Deutschkurs, der Mann, dessen schlechte Deutschkenntnisse 2019 von der Härtefallkommission kritisiert wurden, ist für einen Kurs angemeldet.

»Ich bin sehr enttäuscht von der demokratischen Gerechtigkeit in Deutschland«, schreibt Pham Phi Son. »Die Härtefallkommission sollte die Menschenrechte vertreten. Haben die Leute kein Herz?« Schockiert ist auch Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat, einer der Unterstützer der Familie. »Es ist eine Schande, was da einem hier geborenen Kind angetan wird sowie seinen Eltern, die alles tun, um ihren Integrationswillen nachzuweisen.«

Der Flüchtlingsrat selbst habe in der Härtefallkommission für den Antrag auf ein Bleiberecht gestimmt, sagt Schmidtke zu »nd«. »Zum Abstimmungsverhalten der anderen Mitglieder darf ich nichts sagen, hier gilt Vertraulichkeit.« Er suche jetzt nach anderen Wegen, ein Bleiberecht für die Familie zu erreichen. Bei der Chemnitzer Ausländerbehörde liege noch ein Antrag der Anwältin auf ein humanitäres Bleiberecht, sagt Schmidtke. Das neue Chancenaufenthaltsrecht greift nach seiner Überzeugung jedoch nicht, weil die Familie nach 2019 untergetaucht war.

Max Stryczek, Co-Vorsitzender der sächsischen Jusos, fordert ein »entschlossenes Handeln« gegen die mögliche Abschiebung eines Mannes mit jahrzehntelangen Integrationsbemühungen. Ein letzter Ausweg ist dann möglicherweise das Kirchenasyl.

»Es ist nur noch bizarr: Deutschland wie Sachsen stecken Millionen in Hochglanz-Kampagnen und werben mit vorgeblicher Weltoffenheit, einem offenen Arbeitsmarkt und freundlicher Nachbarschaft, weil unserem Land Arbeitskräfte fehlen«, schreibt die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel. Trotzdem bekomme eine integrierte Familie aus Vietnam, also aus einem Land, wo Sachsen Arbeitskräfte anwerbe, kein Aufenthaltsrecht. »Ich erwarte, dass die Ausländerbehörde Chemnitz jetzt endlich das beendet, wozu eine Kommission, die den Härtefall im Namen trägt, nicht in der Lage war!«, so Nagel. Nämlich der Familie ein Aufenthaltsrecht zu geben.

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