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Mit Protestpose zum Wahlsieg
CDU punktete mehr mit Unmut als mit Programm – das wirkte in alle Richtungen
Die Berliner CDU schwebt derzeit wahrscheinlich auf Wolke 7. Mehr als 28 Prozent und damit ein Zuwachs um die Hälfte gegenüber der letzten Wahl – mit so einem Ergebnis konnten die Christdemokraten selbst bis kurz vorm Wahltag nicht rechnen. Woher kamen die vielen neuen Wähler, die die CDU in der Hauptstadt mit Abstand an die Spitze katapultierten? Die Daten über Wählerwanderungen zeigen, dass die CDU Stimmen aus allen anderen Parteien abziehen konnte. Offensichtlich ist es ihr gelungen – unterstützt durch einen Teil der Hauptstadtmedien –, frustrierte Wählerinnen und Wähler aus anderen Lagern zu einer Art Proteststimme zu überreden.
Dafür spricht, dass weniger als die Hälfte der CDU-Wähler diese Partei wegen ihres Wahlprogramms ankreuzten, während etwa 50 Prozent dies aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien taten. Die klassische Pose der Protestwähler also, die früher bei den Ergebnissen der PDS bzw. der Linken, zuletzt vor allem der AfD zu beobachten war. Dazu passt, dass 96 Prozent derjenigen, die diesmal (anders als 2021) CDU wählten, dies getan haben, »damit sich in Berlin endlich etwas ändert«, wie das Umfrageinstitut Infratest Dimap ermittelte. 87 Prozent dieser Wähler glauben, dass die CDU besser für Recht und Ordnung sorgen würde; 83 Prozent billigen ihr zu, dass sie »Probleme mit Zuwanderern klar benennt«. Das sind genau die Themen, mit denen die CDU massiv Wahlkampf gemacht hat und die auch der Chef der Bundespartei, Friedrich Merz, forciert.
Mit dieser Linie gelang es der CDU, 53 000 Wähler von der SPD abzuziehen – das sind mehr als ein Zehntel aller CDU-Wähler am Sonntag. Aber auch von den Grünen (15 000), der Linken (10 000) und der FDP (29 000) konnten die Konservativen Wähler gewinnen. Wobei man im letzteren Falle sagen muss: Diese Verluste in Richtung CDU haben ganz entscheidend dazu beigetragen, dass die Liberalen aus dem Abgeordnetenhaus rausgeflogen sind.
Das ist möglicherweise auch Ergebnis der FDP-Wahlstrategie, auf eine Ablösung des rot-grün-roten Senats zu setzen und für eine bürgerliche Mehrheit zu trommeln. Mit dem Ergebnis, dass Interessenten dieser politischen Richtung lieber gleich die CDU gewählt und die FDP damit kannibalisiert haben.
Während die CDU aus fast allen Richtungen massiv Stimmen gewonnen hat, ist es bei der SPD umgekehrt. Mindestens ebenso wie die Verluste nach rechts wird die Sozialdemokraten die Abwanderung von fast 60 000 Wählern schmerzen, die diesmal der Wahl fernblieben. Das trifft übrigens auch auf die meisten anderen Parteien zu – kein Wunder angesichts der gegenüber 2021 deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung. Auch Grüne, Linke, AfD und FDP kassierten die weitaus größten Verluste durch Wahlabstinenz vieler einstiger Sympathisanten.
Die Verluste der SPD und von Rot-Grün-Rot insgesamt (alle drei bisher am Senat beteiligten Parteien verloren gegenüber 2021) sind umso erstaunlicher, da die Berliner mit 39 Prozent das Thema Wohnen und Mieten als wichtigstes in der Stadtpolitik benannten, wie die Forschungsgruppe Wahlen ermittelte. Die klassischen CDU-Themen wie Kriminalität und Zuwanderung/Asyl rangieren mit jeweils 11 Prozent weit hinten auf der Hitliste der dringendsten Fragen.
Der Zuspruch für die CDU trotz dieser sozialen Interessenlage mag sich auch daraus erklären, dass die bisher Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) kein Interesse zeigte, den in Berlin 2021 erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen in die politische Praxis umzusetzen. Auch die Grünen legten sich hier nicht sonderlich ins Zeug. Die Linke ist mit ihrer Unterstützung des Volksentscheids im bisherigen Senat in der Minderheit und konnte nicht verhindern, dass das Anliegen des Volksentscheids in eine Kommission abgeschoben wurde.
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