Flughafen Frankfurt Hahn: Hahnenkampf im Hunsrück

Der Verkauf des Regionalflughafens Frankfurt-Hahn an den russischen Milliardär Wiktor Charitonin beschäftigt die Bundespolitik

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Wiktor Wladimirowitsch Charitonin ist jetzt knapp über 50. Dem Milliardär gehört der größte Pharmahersteller Russlands, und so ganz nebenbei besitzt der als Autonarr Verrufene zwei Drittel der Anteile an der Rennstrecke Nürburgring (NR) in Rheinland-Pfalz. Vielleicht sucht er ja nur einen Weg, um aus Moskau schnell dorthin zu gelangen, aber vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Charitonin über seine NR-Holding den gleichfalls in Rheinland-Pfalz nur eine Autostand entfernt gelegenen Flughafen Frankfurt-Hahn kaufen will. Der ist, seit die US Air Force 1991 abzog und eine zivile Nutzung eingeleitet wurde, chronisch defizitär. Im Oktober 2021 meldete die Betreibergesellschaft Insolvenz an. Derzeit ist der Flughafen, so ist zu hören, für schlappe 20 Millionen Euro zu haben.

Für den jetzt als möglichen Käufer ins Gespräch Gekommenen sind das sozusagen »Peanuts«. Auch wenn Charitonin nur auf Platz 66 in der Rangliste der reichsten Russen steht, so schätzte das US-Wirtschaftsmagazin »Forbes« vor rund einem Jahr dessen Vermögen auf rund 1,3 Milliarden Euro.

Hahn ist tatsächlich ein Schnäppchen, glaubt man den Prospektbeteuerungen jener, die das ziemlich verlassene Flugfeld am Leben erhalten wollen. Es handele sich um einen der wenigen Verkehrsflughäfen in der Bundesrepublik mit 24-Stunden-Betriebserlaubnis, wird betont. Das bietet insbesondere für den Bereich Luftfracht Entwicklungsmöglichkeiten, denn Hahn liege »mitten in einem der bedeutendsten Wirtschaftsräume Europas«: im Gebiet der sogenannten Blauen Banane, das sich von Norditalien über die Schweiz, Westdeutschland und Benelux bis London erstreckt. In dieser dicht bevölkerten, sich dynamisch entwickelnden Zone, so liest man weiter, leben rund 110 Millionen Menschen. Schon als sich der irische Billigflieger Ryanair in Hahn für kurze Zeit niederließ, warb man mit hoher Effizienz und beständiger Kostenminimierung in allen Bereichen. Dumm nur, dass diese angeblichen Vorzüge bisher nie die richtigen Investoren anzogen.

Ist der Moskauer »Pillendreher« nun der richtige? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Nicht nur vor Ort oder in den Landeshauptstädten von Rheinland-Pfalz und des benachbarten Hessen. Man lebe »in seltsamen Zeiten«, twitterte der einstige schwedische Regierungschef Carl Bildt, der sich heute als Sicherheitsexperte ausgibt. »Ein Flughafen in Deutschland, der einst zur Lagerung US-amerikanischer Cruise Missiles diente, soll jetzt an einen russischen Milliardär verkauft werden. Wacht da jemand auf?«

Einige Konservative aus der Bundestagsopposition geben sich hellwach. Die rheinland-pfälzische CDU-Abgeordnete Julia Klöckner, in der Regierung Merkel noch Ministerin, kommt mit einer Vermutung und höchst prinzipiell daher: »Wer in diesen Zeiten als Russe erfolgreich im Pharmageschäft in Russland tätig ist, kann dies nur mit dem Segen Putins tun«, sagte die aktuelle CDU-Schatzmeisterin der »Rheinischen Post«. Ein Einfallstor für Putins Armee wittert Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel. Er erhofft sich ein Machtwort des Verteidigungsministeriums in Berlin. Dort wisse man schließlich, dass Hahn durchaus für den Transport von US-Nachschub Bedeutung erlangen könnte.

Sebastian Brehm, finanzpolitischer Sprecher der CSU im Bundestag, ritt seine Attacke gegen Robert Habeck. Als Bundeswirtschaftsminister solle der Grüne »mit einem Verkaufsverbot außen- und wirtschaftspolitischen Schaden von Deutschland abwenden«.

Habeck indessen hält sich bedeckt. Er screene das gerade, verkündete er vor einigen Tagen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei normal, wenn es um den Verkauf von potenziell kritischer Infrastruktur gehe. Obwohl er über die Tendenz des »Screenings« nicht sagen könne, wird Habeck inzwischen zugetragen worden sein, dass rein rechtlich nichts gegen den Verkauf spricht. Charitonin ist offensichtlich dem russischen Präsidenten und Kriegstreiber Putin nicht so zugetan, dass er auf einer EU-Sanktionsliste landete. Aber das kann ja noch werden.

Das hessische Finanzministerium – das Land ist zu 17,5 Prozent am Airport beteiligt – hat sich jedenfalls gegen den Investor Charitonin ausgesprochen. Man bitte die Bundesregierung, »die gemäß des Außenwirtschaftsgesetzes mit der Prüfung des Vorgangs betraut ist, all ihre Möglichkeiten auszuloten, diesen Verkauf zu verhindern«, teilte das Ministerium in Wiesbaden mit. Sieht das Tarek Al-Wazir, Wirtschaftsminister in Hessen und ein Parteikollege Habecks, ebenso?

Aber vielleicht lässt sich das von vielen an die Wand gemalte Unheil ja noch abwenden. Laut Insolvenzverwalter haben sich nämlich zwei weitere Interessenten für das Flugfeld gemeldet. Eine von ihnen, die Richter-Immobilien-Gruppe, hat nach eigenen Angaben über eine Tochterfirma bereits einen notariellen Kaufvertrag unterschrieben und eine Kaufsumme auf ein Anderkonto überwiesen. Gleiches behauptet auch die NR-Holding Charitonins von sich.

In der vergangenen Woche trafen die Gläubiger bei einer Versammlung noch keine Entscheidung zu einem Verkauf. Sie betonten aber: »Viktor Charitonin ist kein Oligarch. Er nimmt keinen Einfluss auf die russische Politik.« Die Darstellung, der Geschäftsmann stehe dem Kreml nahe, sei falsch.

Derweil geht der attackierte Investor auf seine Kritiker zu und prüft eine Beteiligung von unter 25 Prozent. »Damit läge der Anteil der NR-Holding AG unter der Sperrminorität und sie hätte kein Vetorecht oder Einfluss auf die operative Geschäftsführung«, teilte die Besitzgesellschaft des Nürburgrings am Montag der Deutschen Presse-Agentur mit. Charitonin gehe es bei dem Airport im Hunsrück ausschließlich um ein finanzielles, nicht um ein strategisches Engagement. »Die übrigen gut 75 Prozent der Geschäftsanteile an der Käufergesellschaft sollen von Investoren in Deutschland gehalten werden – von welchen genau, wird noch geklärt«, hieß es weiter.

In der aufgeregten Debatte spielt die Frage, was aus den rund 430 Beschäftigten am Flughafen werden soll, praktisch keine Rolle. Charitonins Holding versicherte, diese übernehmen zu wollen. Und Betriebsratschef Thomas Dillmann hat mit Blick auf den Verkauf ein klares Anliegen: Wer immer den Zuschlag tatsächlich erhalte – für die Belegschaft des Airports sei es wichtig, dass Hahn von einem Eigentümer »endlich mal vernünftig geführt wird«.

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