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Kottiwache: Sie kam, sah und brachte einen Hochsitz

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eröffnet umstrittene Polizeiwache am Kottbusser Tor

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Polizisten riegeln die neu eröffnete »Kottiwache«, das Prestigeprojekt der Innenverwaltung und damit auch das Wohnhaus gegen Demonstrierende ab.
Polizisten riegeln die neu eröffnete »Kottiwache«, das Prestigeprojekt der Innenverwaltung und damit auch das Wohnhaus gegen Demonstrierende ab.

Sie wolle sich erst ein bisschen umgucken, sagt Iris Spranger (SPD), als sie die Polizeiwache betritt. »Ist das nicht toll geworden, ich habe es euch gesagt«, freut sich die Innensenatorin, als sie in einen der Diensträume blickt. Es ist soweit. Am Mittwoch übergab sie der Polizei den symbolischen Schlüssel zur neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor. Wie vor einem Jahr angekündigt, bekommt die Polizei einen neuen Außenposten im Obergeschoss des Gebäuderiegels »Zentrum Kreuzberg«. Über drei Millionen Euro hat die umstrittene »Nebenwache« gekostet.

Nötig sei sie, weil die Gegend um das Kottbusser Tor der »am heftigsten« kriminalitätsbelastete Ort in Berlin sei, meint Spranger und zählt auf, wie viele Betäubungsmittelfälle, Körperverletzungen, sexuelle Übergriffe und Raubdelikte es hier in den vergangenen Jahren gab. Es ist Sprangers Prestigeprojekt. »Die, die mich kennen, wissen: Nach sieben Jahren Diskussionen und Runden Tischen sage ich: Irgendwann muss es gemacht werden.« Auch den Einwand, dass die CDU schon vor zehn Jahren eine Polizeiwache gefordert habe, lässt Spranger an sich abprallen: »Ich aber habe sie umgesetzt.«

Ob die Kottiwache mehr Sicherheit bringen wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. »Mehr Polizeipräsenz wird den Drogenhandel zum Beispiel nur verlagern«, ist sich Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sicher. »Es ist Ausdruck einer Stadtpolitik von oben herab, wie Frau Spranger diese Polizeiwache durchgedrückt hat«, kritisiert er im Gespräch mit »nd«. So sehen es auch die rund 200 Aktivisten einer Kundgebung gegen die Eröffnung der Wache am Mittwoch. Während der Zugang zum Wohnblock abgeriegelt wurde und Polizisten auch auf dem Dach des Gebäuderiegels zu sehen waren, machte Schraders Parteikollege Ferat Koçak am Kottbusser Tor in Richtung Polizei deutlich: »Ihr seid keine Sicherheit.« Koçak erzählte davon, wie er in Kreuzberg aufgewachsen ist, wo für viele Menschen mit Migrationsgeschichte die Polizei eben keine Sicherheit bedeute.

Oben in der Wache hingegen erklärte Innensenatorin Spranger: »Die Demo, das sind alles Leute, die wohnen gar nicht hier.« Als sie für die SPD noch für Stadtentwicklungspolitik zuständig war, wäre sie um Hilfe gebeten worden von den Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Auch Turgut Altuğ, Abgeordneter der Grünen, der hier in Kreuzberg seinen Wahlkreis hat, sagt: »Seit Jahren klagen die Anwohner über die Kriminalität rund um das Kottbusser Tor. Die Wache ist deshalb ein wichtiger Schritt.« Es bräuchte aber ein Gesamtkonzept für den Kotti, bei dem es eben auch um die Ausgestaltung der Sozialarbeit vor Ort geht. Ein von den Grünen initiierter Antrag würde vorliegen, die SPD hätte das auch beschlossen. »Wir warten auf die Entscheidung der Fraktion Die Linke«, sagt Altuğ zu »nd«. »Eine merkwürdige Toilette auf der Mittelinsel reicht nicht«, folgt dann auch der Seitenhieb an das grün-geführte Bezirksamt, das am Kotti zuletzt eine Ökotoilette aufstellte.

Linke-Innenpolitiker Schrader winkt ab. Er wolle auch ein Gesamtkonzept für den Kotti. Es habe auch einen Antrag gegeben, mit vielen Details von der Sozialarbeit bis hin zum Taubenkot, bei dem er lediglich Ergänzungsvorschläge gehabt habe. Bis auf einen zentralen Streitpunkt: Auch die Kottiwache hätte in diesem gestanden. »Durch den parlamentarischen Antrag hätte sie nachträglich legitimiert werden sollen.«

Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bestätigt, dass die Kottiwache der Streitpunkt war. Franco sieht die Wache kritischer als sein Parteifreund Altuğ. Als »Symbolprojekt« bezeichnet er sie. Es hätten erst mit allen Beteiligten Maßnahmen besprochen, priorisiert und finanziert werden müssen, anstatt nur eine Polizeiwache von oben durchzudrücken, sagt er zu »nd«.

Frau Spranger könne sich jetzt zwar hinstellen und sagen, sie hätte geliefert und den anderen die Schuld in die Schuhe schieben, wenn es keine Verbesserungen am Kotti gibt, so der Grünen-Innenpolitiker. »Tatsächlich hat sie bisher aber auch nur den teuersten Pausenraum der Stadt geschaffen.« Polizisten, die am Kotti im Einsatz sind, könnten sich hier ausruhen, gleichzeitig könnten in der neuen Dienststelle Anzeigen aufgegeben werden, erklärt Franco. Bei der Eröffnung betont Innensenatorin Spranger hingegen: »Es ist ein Ort, wo man hingehen kann – 24 Stunden. Ein Ort, wo man nicht nur sitzt, sondern auch nach unten gehen kann.« Drei Polizisten sollen in der Wache jederzeit Ansprechpartner sein. 20 Beamte, die hier arbeiten wollen, braucht die Wache mindestens. Zuletzt gab es nur wenige Freiwillige.

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, freute sich am Mittwoch zwar über eine moderne neue Dienststelle. Sagte aber auch: »Wir hätten unsere Prioritäten mit Blick auf die personellen und finanziellen Kapazitäten eher woanders gesetzt.«

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