Der neue Mann für die CDU-Spitze

Fraktionschef Jan Redmann will und kann auch Landesvorsitzender werden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

»Es ist ein Novum in der Geschichte der CDU Brandenburg«, sagt die Moderatorin am Dienstagabend. Erstmals dürfen alle Parteimitglieder mitentscheiden, wer Nachfolger des scheidenden CDU-Landesvorsitzenden Michael Stübgen werden soll. Es geht darum, wer den Landesverband in den Landtagswahlkampf 2024 führen wird. Ganz so spannend ist diese Frage aber nicht, weil sie fast schon beantwortet ist. Denn bisher hat sich nur ein einziger Bewerber für den Posten gemeldet: Landtagsfraktionschef Jan Redmann. Der tingelt jetzt durch die Kreis- und Ortsverbände und hat nach eigener Auskunft jeden Abend einen solchen Termin.

Am Dienstagabend kann jeder zusehen, wie sich Redmann ab 19 Uhr bei einer digitalen Mitgliederkonferenz vorstellt. Die Konferenz wird live im Internet übertragen. Fragen stellen dürfen aber nur die Mitglieder der CDU Brandenburg, die sich dafür entweder live zuschalten oder ihre Fragen vorab per E-Mail eingereicht haben.

Die Moderatorin begrüßt Redmann versehentlich als CDU-Landesvorsitzenden. Das sei er »noch nicht«, wehrt der Politiker lächelnd ab. Bisher ist er nur Vorsitzender der Landtagsfraktion. Doch als Parteivorsitzender möchte er künftig die Ortsvorsitzenden regelmäßig zu Gesprächen zusammentrommeln, erläutert Redmann nach 40 Minuten, ziemlich zum Abschluss der Konferenz, wie er sich die künftige Zusammenarbeit und den engen Kontakt zur Basis vorstellt.

Zum Einstieg erzählt Remann aber erst einmal, wie ihn eine Idee des Philosophen Richard David Precht ärgerte. Der Dauergast in Fernseh-Talkrunden hatte in einem Gespräch mit Moderator Markus Lanz gemeint, er finde es nicht schlimm, wenn in den Weiten des Bundeslandes nur wenige Menschen leben. »Ich habe immer gesagt: In Brandenburg machen wir Deutschlands Antwort auf die Serengeti: Einen Nationalpark«, witzelte Precht.

CDU-Politiker Redmann stammt aus einer dünn besiedelten Region im Norden. 1999 hat er in Wittstock Abitur gemacht. Es war die Zeit, in der dort die Arbeitslosenquote schwindelerregende Höhen von 24 bis 26 Prozent erreichte, erinnert Redmann. Und dabei waren die ohne Aussicht auf einen regulären Job in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen geparkten Menschen noch nicht einmal mitgerechnet. Auch der Vater von Redmann war arbeitslos, und am Gymnasium in Wittstock wurde den Schülern erklärt, wie man einen Antrag auf Arbeitslosengeld ausfüllt – weil einige Lehrer glaubten, dies müssten die Jugendlichen für ihr späteres Leben wissen.

Inzwischen sieht es in Wittstock und auch in ganz Brandenburg anders aus. Die Arbeitslosenquote im Bundesland lag im Januar bei 6,1 Prozent, und einzelne Branchen suchen händeringend Fachkräfte. Trotzdem steht Brandenburg für Redmann »an einem Scheideweg«. Er nennt beispielhaft die Energiepolitik. Es genüge nicht, den Ausstieg aus Atomkraft und Kohle zu debattieren. »Wer denkt, die Windräder würden als Lösung für die Zukunft reichen, der weiß nicht, wie viel Energie wir verbrauchen.«

Nicht zuerst Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), aber ihren sozialdemokratischen Amtsvorgängern, die seit mittlerweile drei Jahrzehnten die Bildungspolitik im Land verantworten, kreidet Redmann die schlechten Ergebnisse brandenburgischer Schüler in Tests und Leistungsvergleichen an. Den Grünen wirft er vor, nur ihre Klientel zu bedienen, und alles darüber hinaus finde bei denen nicht statt. »Die CDU ist die letzte verbliebene wirkliche Volkspartei«, behauptet der 44-Jährige. Die CDU suche und finde im Spannungsfeld zwischen Klima-Union und Mittelstands-Union abgewogene Lösungen für die ganze Gesellschaft.

Befragt nach seiner Meinung zur geplanten Umbenennung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, sagt Redmann: »Ich finde, man kann diesen Preußen-Begriff nicht einfach tilgen. Das ist Teil unserer Geschichte.« Preußen sei militaristisch und autoritär regiert worden, aber es habe auch Lobenswertes gegeben, etwa die Stein-Hardenbergischen Reformen. Eingeleitet wurden diese übrigens nach der Niederlage Preußens gegen die napoleonischen Truppen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Jahr 1806 – und nur diese militärische Niederlage hatte die Reformen erst möglich und durchsetzbar gemacht.

Nach Ansicht des designierten Vorsitzenden braucht die Landes-CDU ein neues Profil. Das will er anscheinend von seinen Berliner Parteifreunden abschauen, die am Sonntag bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl als strahlenden Sieger hervorgingen. Probleme mit einer hohen Zahl von Flüchtlingen will Redmann ansprechen. »Da dürfen wir uns nicht wegducken. Das machen andere, insbesondere linke Parteien.« Die Taskforce Abschiebung hat den Segen von Redmann.

Immerhin grenzt er sich klar von der AfD ab. Deren Landesverband in Brandenburg habe sich mehrfach gehäutet und sei dabei immer hässlicher geworden. Der offiziell aufgelöste völkische »Flügel« des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke, das sei in Brandenburg der ganze Vogel. Es gebe keine Partei im Landtag, von der die CDU weiter entfernt sei als von der AfD. Die Werte-Union sei keine Vorfeld-Organisation der CDU, sondern der AfD, stellt Redmann bei der Gelegenheit auch gleich noch klar. Vorsitzender der Werte-Union ist der umstrittene Hans-Georg Maaßen, der im November 2018 als Präsident des Bundesamtes für Verfassungschutz in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, nachdem er nach Ausschreitungen in Chemnitz abgewiegelt hatte.

Einen persönlichen Tipp kann Redmann einem Parteifreund geben, der im Jahr 2016 mit der Eigentümergesellschaft seines Wohnhauses 20 000 Euro in eine Solaranlage investierte. Rund 10 000 Kilowattstunden Strom im Jahr produziere die Anlage. Diese Energie werde komplett ins Netz der Stadtwerke eingespeist, erzählt das CDU-Mitglied. Zwölf Cent Vergütung je Kilowattstunde gebe es dafür. Aber von ihren Kunden, auch von den acht Mietern und zwei Eigentümern der Wohnungen im Haus – kassieren die Stadtwerke mittlerweile 50 Cent für jede verbrauchte Kilowattstunde. »Das ist doch ungerecht«, meint der alte Parteifreund, der sich per Video zugeschaltet hat. »Warum verbrauchen Sie Ihren Strom nicht selbst?«, fragt Redmann pragmatisch nach. Die Abrechnung zwischen Eigentümern und Mietern wäre kompliziert, erhält er zur Antwort. Aber die Messtechnik sei besser geworden, und bei dem Preisunterschied lohne es sich vielleicht, meint Redmann und empfiehlt, sich an einen Energieberater zu wenden.

Auch die PCK-Raffinerie in Schwedt kommt zur Sprache. Nach dem Importverbot für russisches Erdöl, das sich die Bundesrepublik zum 1. Januar selbst auferlegt hatte, sei die Raffinerie im Moment bloß zu 57 Prozent ausgelastet. »Das stellt auf Dauer die Wirtschaftlichkeit der Anlage infrage«, bedauert Redmann. »Die Situation ist im Moment sehr schwierig.« Die Polen lassen Öl vom Hafen Gdańsk nicht durch, beziehen aber selbst entgegen ihrer Selbstverpflichtung weiter russisches Öl aus der Druschba-Pipeline, die bis Schwedt führt. Das verheißene kasachische Öl sei immer noch nicht eingetroffen. Sollte die PCK-Raffinerie aufgeben müssen, wären Benzin und Diesel von anderswo herzuschaffen – mit hohen Transportkosten und entsprechenden Auswirkungen für die Preise an den Tankstellen. »Das stellt die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Embargos.«

Bei der Landtagswahl 2019 erzielte die CDU 15,6 Prozent der Stimmen. Schlechter hatte sie bei keiner Landtagswahl seit 1990 in Brandenburg abgeschnitten. Da es aber für die damalige rot-rote Koalition nicht mehr reichte und eine rot-rot-grüne Koalition nur über eine knappe Mehrheit der Landtagssitze verfügt hätte, entschied sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für eine Koalition mit CDU und Grünen. Interne Streitigkeiten in der CDU hätten diesen Plan fast noch zu Fall gebracht. CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben, der im Wahlkampf mit dem Gedanken einer Koalition mit der Linken gespielt hatte, bekam seinen Laden nicht in den Griff. Erst nachdem der CDU-Bundestagsabgeordnete Stübgen die Führungsrolle einnahm, beruhigte sich alles so weit, dass sich Ministerpräsident Woidke guten Gewissens mit der CDU einlassen konnte.

Im Bundestrend befindet sich die CDU gerade im Aufwind. Die letzte Meinungsumfrage für Brandenburg stammt von Ende 2022 und bescheinigte den Christdemokraten 17 Prozent (SPD 27, AfD 23, Linke 9, Grüne 7 Prozent).

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