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Aufrüstung durch Ukraine-Krieg: Lernen, die Bombe zu lieben

Mit der Zeitenwende bereitet sich Deutschland auf nukleare Abschreckung und neue Auslandseinsätze vor

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Teil der Deutschen, so scheint es, kann sich wieder für das Militär begeistern. Der für die Bundeswehr zuständige Minister Boris Pistorius ist nach einer neuen Umfrage der beliebteste Politiker des Landes. Dabei hat der SPD-Mann seit seinem Amtsantritt am 19. Januar dieses Jahres bislang nichts anderes getan, als die Truppe zu besuchen und nach noch mehr Geld für die Armee zu rufen. Das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro reicht ihm offensichtlich nicht aus. Vielen Bundesbürgern dürfte gefallen, dass Pistorius sich, anders als seine eher zurückhaltende Vorgängerin und SPD-Genossin Christine Lambrecht, als Anpacker präsentiert.

Der Verteidigungsminister hat die Aufgabe, die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende umzusetzen. Die Bundeswehr soll besser ausgerüstet werden. Angeblich dient das der »Landesverteidigung«, also der Vorbereitung auf einen möglichen Konflikt mit Russland. Dieser würde allerdings wohl nicht mehr allein mit konventionellen Waffen ausgetragen werden. Anders als in der SPD wird in konservativen Kreisen bereits offen darüber geredet. Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble plädierte kürzlich für eine schnelle nukleare Aufrüstung der Europäischen Union. Flankiert wurde diese Forderung von der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, deren Herausgeber Berthold Kohler Ende Oktober geschrieben hatte, dass »in Berlin nicht nur die friedliche Nutzung der Kernkraft über den April hinaus dringend zum Thema gemacht werden müsste, sondern auch die militärische«.

Hintergrund dieser Forderungen ist, dass sich Deutschland aus Sicht der Konservativen nicht mehr nur allein auf die USA verlassen sollte. Nach wie vor befinden sich US-Atomwaffen in der Bundesrepublik. Aber was passiert, wenn sich die Beziehungen zu Washington eines Tages wieder verschlechtern sollten, wie es in der Regierungszeit von US-Präsident Donald Trump der Fall war? Olaf Scholz treibt diese Sorge offenbar nicht um. Aber sein Handeln lässt darauf schließen, dass auch er eine nukleare Auseinandersetzung für möglich hält. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr den Kauf von 35 Tarnkappen-Jets vom Typ F-35 beschlossen. Das Flugzeug soll die veralteten Tornados im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der Nato ersetzen. Im Kriegsfall würden US-Atomwaffen von deutschen Kampfflugzeugen ins Ziel geflogen.

Es scheint, als seien im Zuge der deutschen Aufrüstungspolitik alle Dämme gebrochen. Dabei hatten SPD, Grüne und FDP während der Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl noch ernsthaft über Abrüstung in manchen Bereichen gesprochen. Im Koalitionsvertrag wurde festgehalten: »Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen.« Mit dieser Formulierung sollten die Kritiker der »nuklearen Teilhabe«, die es vor allem bei SPD und Grünen gab, zufriedengestellt werden. Seitdem der Konflikt in der Ukraine eskaliert ist, haben diejenigen Oberwasser, die niemals wollten, dass die US-Atomwaffen aus der Bundesrepublik verschwinden.

Wenn die Bundesregierung meint, ihr Territorium mithilfe der nuklearen Abschreckung sichern zu können, dann lassen die Riesensummen, die in die konventionelle Bewaffnung der Bundeswehr fließen, nur einen Schluss zu: Es sollen neue Auslandseinsätze vorbereitet werden und Deutschland will bei diesen, anders als in früheren Zeiten, autonom agieren und nicht mehr auf seine Partner angewiesen sein. Nach dem Scheitern in Afghanistan konzentriert sich die Bundeswehr bisher vor allem auf Osteuropa. Offizielle Begründung ist, dass die dortigen Länder vor möglichen Angriffen aus Russland geschützt werden sollen. Die Nato-Ostflanke müsse gesichert werden, heißt es.

Dort wird der Krieg geprobt, aber nicht scharf aufeinander geschossen. So sehen die Deutschen ihr Militär am liebsten und auch ihr Verteidigungsminister bleibt beliebt. Unpopulär sind hingegen Kriege, bei denen Landsleute sterben und die nicht zu gewinnen sind. Afghanistan ist ein mahnendes Beispiel.

Ende Januar hatte Boris Pistorius angekündigt, die deutschen Soldaten in Mali besuchen zu wollen. Zugleich erklärte der Verteidigungsminister, dass es unter den aktuellen Bedingungen keinen Sinn ergebe, wenn der Einsatz in dem westafrikanischen Land noch bis Mai 2024 dauern würde. Die malische Regierung setzt im Kampf gegen Islamisten nicht mehr auf westliche Staaten, sondern vor allem auf Unterstützung aus Russland. Diese erhalten sie unter anderem von Söldnern der Gruppe Wagner. Unter anderem Nichtregierungsorganisationen berichten, dass seitdem die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zugenommen habe.

Pistorius hat kürzlich bei der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz einige Hinweise darauf geliefert, wo die Bundeswehr künftig eingesetzt wird. Es gehöre dazu, Verantwortung in der Welt zu übernehmen, erklärte der Sozialdemokrat. Die russischen Ambitionen in Afrika bedeuten nicht, dass sich das Militär der Bundesrepublik komplett aus dem Kontinent zurückziehen wird. »Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass diese Regionen stabilisiert werden und stabil bleiben«, erklärte Pistorius. Es geht um die Bekämpfung des Islamismus, die Begrenzung der Migration und die Sicherung von Einflusszonen und Rohstoffen. Man kann davon ausgehen, dass die Bundesregierung stattdessen vom »Schutz der Menschenrechte« oder auch von Notwendigkeiten, die sich aus der »feministischen Außenpolitik« ergeben werden, sprechen wird, wenn sie sich erneut militärisch in Afrika engagiert.

Auch andere Regionen bleiben für Deutschland von Interesse. Der Indo-Pazifik werde weiterhin eine Rolle spielen, erklärte Pistorius in der bayerischen Landeshauptstadt. Es gehöre dazu, mit Partnern zu üben. »Es ist notwendig, dass wir Flagge zeigen. Wir müssen klarmachen, dass uns die Region nicht egal ist«, so der Verteidigungsminister. Dort wird erwartet, dass sich der Konflikt zwischen den USA und China verschärfen wird. Deutschland steht dabei trotz der wirtschaftlichen Beziehungen mit Peking auf der Seite Washingtons.

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