Genug geklatscht

Verdi plant Streiks in den landeseigenen Krankenhäusern – Angebot der Arbeitgeber sei »eine Frechheit«

Pflegen, aber unter guten Bedingungen: Das forderte auch eine Demonstration am Tag der Pflege.
Pflegen, aber unter guten Bedingungen: Das forderte auch eine Demonstration am Tag der Pflege.

Patienten müssen sich auf Einschränkungen einstellen – und die Klinikbetreiber auf heiße Tage: In der kommenden Woche ruft Verdi zu Warnstreiks an Berlins landeseigenen Krankenhäusern auf. An der Charité, den Vivantes-Kliniken und am Jüdischen Krankenhaus soll am 6. und 7. März die Arbeit niedergelegt werden. Das berichtete am Montag der »Tagesspiegel«, die Verdi-Pressestelle bestätigte. Nicht nur bei Verdi organisierte Pflege- und Reinigungskräfte werden demnach zum Streik aufgerufen. Auch das Personal in der Verwaltung, in den Mensen und den Kitas in den Krankenhäusern soll sich beteiligen. Zudem sind die Beschäftigten des Studierendenwerks aufgerufen. Ob noch in weiteren Betrieben mobilisiert wird, will die Gewerkschaft kurzfristig bekannt geben.

Die Warnstreiks sind Teil des bundesweiten Tarifstreits im öffentlichen Dienst. Verdi und Beamtenbund fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 500 Euro mehr im Monat für die 2,5 Millionen Beschäftigten, die bundesweit unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes fallen. Ausbildungs- und Praktikantengehälter sollen um 200 Euro ansteigen, Auszubildende sollen unbefristet übernommen werden. Nach dem Willen der Gewerkschaften soll der Tarifvertrag zwölf Monate laufen.

Bisher gibt es von Seiten der Arbeitgeber aber wenig Bereitschaft, den Gewerkschaften entgegenzukommen. Die kommunalen Arbeitgeberverbände unter Vorsitz von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) boten zuletzt eine zweistufige Tariferhöhung an: Demnach soll zum Oktober der Lohn um drei Prozent steigen und dann im Juni 2024 um weitere zwei Prozent. Zusätzlich soll die jährliche Sonderzahlung angehoben werden. Der Tarifvertrag soll nach dem Willen der Arbeitgeber zweieinhalb Jahre laufen. Für die Laufzeit des Tarifvertrags herrscht Friedenspflicht, es darf also keine neuen Streiks geben.

Bei den Gewerkschaften sorgte das Angebot für Empörung. »Das Angebot ist eine Frechheit«, sagte eine Vertreterin der Verdi-Betriebsgruppe an der Charité in einem Video auf Twitter. Das Angebot falle weit hinter die Forderungen zurück. »Die Kollegen haben jetzt schon inflationsbedingt einen Reallohnverlust aus dem letzten Jahr aufzuholen«, sagt auch Gisela Neunhöffer, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi und stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Verdi-Landesverband. »Von der Erhöhung der Jahressonderzahlung würden vor allem die oberen Lohngruppen profitieren. Wir wollen aber gerade für die unteren Lohngruppen spürbare Aufwüchse.«

Für die Beschäftigten in den Krankenhäusern besonders empörend: Nach dem Willen der kommunalen Arbeitgeber soll der »Tarifvertrag Zukunftssicherung« im Gesundheitsbereich reaktiviert werden. Mit dieser Regelung wäre es möglich, dass Krankenhäuser in finanziellen Notlagen die Löhne um bis zu sechs Prozent reduzieren können. Manche Beschäftigte könnten dann am Ende nicht nur mit realen, sondern auch mit nominellen Lohnverlusten dastehen. »Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen«, sagt Neunhöffer. »Drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie, nach all dem Klatschen und den warmen Sonntagsreden wird jetzt gesagt, dass die Beschäftigten für die verfehlte Gesundheitspolitik zahlen sollen.«

Wie sich die Streiks auf den Klinikbetrieb auswirken werden, ist noch unklar. Verdi ruft die Arbeitgeber dazu auf, Notdienstvereinbarungen abzuschließen. Die Gewerkschaft fordert, im Rahmen des Patientenmanagements die Bettenkapazitäten an die erwartete Streikbeteiligung anzupassen und planbare Behandlungen zu verschieben. Erste Gespräche habe es bereits gegeben, berichtete Neunhöffer. »Gerade sind wir aber noch weit auseinander. Die Besetzung, die die Arbeitgeber einfordern, ist nicht mit dem Grundrecht auf Streik vereinbar.« Wenn keine Einigung zustandekomme, werde Verdi selbst eine Notfallversorgung sicherstellen und Notdienste delegieren. »Wir lassen die Patienten nicht im Stich«, sagt Neunhöffer.

Ob es bei Warnstreiks bleibt oder sich der Tarifstreit zu einem unbefristeten Streik ausweitet, bleibt offen. Die Arbeitgeber um Bundesinnenministerin Faeser berufen sich auf die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte. Ende März soll es eine weitere Verhandlungsrunde geben. »Das, was ich an Stimmung bei den Kollegen wahrnehme, ist: Ein schlechtes Angebot werden wir nicht hinnehmen«, sagt Neunhöffer. »Wenn uns die Arbeitgeber da reinzwingen, gehen wir auch in den unbefristeten Streik.« Davor stünden etwaige Schlichtungsrunden und Urabstimmungen an. Neunhöffer ist sich aber sicher: »Die Kollegen wollen sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen.«

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