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- Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz
Das blaue Dutzend
Gruppe von Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienstes soll mit der AfD sympathisieren
Sollte sich der Medienbericht erhärten, könnte es für Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), bald ungemütlich werden. Anders als sein Amtsvorgänger Hans-Georg Maaßen zeigt er sich bemüht, neue Skandale beim Inlandsgeheimdienst zu vermeiden. Allein schon aus diesem Interesse müsste Haldenwang für Aufklärung in einem Fall sorgen, über den zuerst der »Focus« am Montag berichtete. Demnach sollen sich zwölf Beamte des BfV seit mehreren Jahren jeden Monat zu »einer streng vertraulichen Runde« in Kölner Restaurants und Privatwohnungen treffen. Brisant daran: Bei der Gruppe soll es sich um »Mitglieder, Unterstützer oder Sympathisanten« der AfD handeln.
Auslöser für die geheimen Treffen sei vor drei Jahren eine behördeninterne Aufforderung gewesen, laut der sich Mitarbeiter*innen des BfV melden sollen, wenn sie selbst oder Angehörige Kontakte zur AfD pflegen. Durch die Maßnahme solle eine »Überschneidung dienstlicher und privater Belange« vermieden werden, wie es 2019 in einem Schreiben der Geheimschutzbeauftragten des BfV hieß. In solchen Fällen könne »ein Wechsel in einen anderen Arbeitsbereich des BfV sinnvoll sein«. Bestünden Zweifel »am Bekenntnis der zu überprüfenden Person zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung«, seien auch disziplinarische Folgen möglich. Übersetzt heißt das: Je nachdem, wie tief die privaten Verbindungen zur AfD reichen, könnte daraus eine Versetzung bis hin zum Rauswurf folgen.
Aus Sicht des Inlandsgeheimdienstes ergibt es Sinn, über solche Verflechtungen informiert zu sein. Immerhin muss das BfV sicherstellen, dass dienstlich niemand mit der AfD betraut ist, der dieser Partei privat nahesteht. Einerseits würde sonst die Gefahr wachsen, dass betreffende Mitarbeiter*innen Interna weitergeben. Andererseits könnten AfD-Sympathisant*innen in den Reihen des Inlandsgeheimdienstes Einfluss auf die Bewertung jener Partei haben, die das BfV als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft.
Wie konkret die zwölf Beamten mit der Partei privat wie beruflich zu tun haben, lässt der »Focus«-Bericht allerdings offen. Die Mitarbeiter sollen allesamt »Spezialisten in der Früherkennung und Überwachung extremistischer Gruppierungen« sein und über Zugang zu Verschlusssachen verfügen. Zwei Personen seien zudem im höheren Dienst tätig, womit es sich auch um Führungskräfte handeln könnte. Laut »Focus« teilte das BfV mit, über die zwölf Beamten bisher keine Erkenntnisse zu haben. Demzufolge wandten sich die Mitglieder der Gruppen auch nicht an die Geheimschutzbeauftragte, um das BfV über persönliche AfD-Verbindungen zu informieren.
Politisch heikel ist der Vorgang, weil er Fragen aufwirft, wie es um den Umgang mit möglichen Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen bestellt ist. Im Mai letzten Jahres hatte ein vom Bundesinnenministerium und dem BfV veröffentlichter Lagebericht ergeben, dass es bei Polizei, Bundeswehr und in den Nachrichtendiensten deutlich mehr Fälle von Mitarbeiter*innen mit Bezügen zum Rechtsextremismus oder Reichsbürgern gibt, als vorher offiziell bekannt war. Zählte der Bericht in einem Zeitraum Juli 2018 und dem 30. Juni 2021 327 Fälle mit »tatsächlichen Anhaltspunkten« für verfassungsfeindliche Bestrebungen, waren es in einem ersten Lagebericht 2020 nur 34 Fälle gewesen. Interessant: Auch im aktuellen Lagebericht attestiert sich das BfV eine nahezu weiße Weste, sei in den eigenen Reihen doch lediglich ein rechtsextremistischer Mitarbeiter bekannt.
Bereits seit Jahren gibt es Diskussionen darüber, wie mit AfD-Mitgliedern in den Sicherheitsbehörden und speziell bei den Geheimdiensten in Bund und Ländern umzugehen ist. 2018 sorgte genau solch ein Fall aus Sachsen für Schlagzeilen. Das ARD-Magazin »Panorama« fand damals heraus, dass das Landesamt für Verfassungsschutz einen AfD-Funktionär beschäftigte, der sogar gegenüber der Partei erzählte, er habe Zugang zu »Verschlusssachen mit Einstufungsgrad ›geheim‹«. Besagter Mitarbeiter nahm an flüchtlingsfeindlichen Protesten teil, erklärte auch, mit Pegida kein Problem zu haben. Der Mann musste den sächsischen Verfassungsschutz am Ende verlassen und wurde in eine andere Behörde versetzt.
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