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Brieselang: Amazon macht Arbeiter arbeitslos
US-Konzern will sein Paketzentrum in Brieselang schließen
Der US-Konzern Amazon ist weder für gute Löhne noch für gute Arbeitsbedingungen berühmt. Jetzt stößt er rund 600 Beschäftigte an seinem Standort in Brieselang (Havelland) vor den Kopf. Er will das dortige Paketzentrum schließen. Es ist 65 000 Quadratmeter groß.
»Das ist eine ganz besonders bedauernswerte Nachricht und eine extrem bittere Pille, die wir hier schlucken müssen«, reagiert Bürgermeister Ralf Heimann (Freie Wähler). »Der Verlust schmerzt, weil insbesondere Arbeitsplätze daran hängen. Natürlich sind auch wir vor dem Hintergrund der Gewerbesteuereinnahmen betroffen. Es ist ein rabenschwarzer Tag.«
- Im Dezember 2022 waren 1,67 Millionen Berliner sozialversicherungspflichtig
beschäftigt – 50 200 mehr als vor einem Jahr. Mit dieser Steigerung von 3,1 Prozent liegt die Hauptstadt 1,8 Prozentpunkte über dem bundesdeutschen Durchschnitt.
- li>Rechnet man die Arbeitslosen mit, die zum Beispiel in einer beruflichen Bildungsmaßnahme oder krank gemeldet waren, so hatten im Februar 241 957 Berliner und 103 798 Brandenburger keinen regulären Job.
- In Brandenburg waren im Dezember 884 400 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 7600 mehr als ein Jahr zuvor. Mit dieser Steigerung von 0,9 Prozent liegt das Bundesland 0,4 Prozentpunkte unter dem bundesdeutschen Durchschnitt.
- 31,8 Prozent der Berliner und 36,1 Prozent der Brandenburger Arbeitslosen haben schon länger als ein Jahr keinen Job mehr.
- In Berlin haben 41,1 Prozent der Erwerbslosen keinen deutschen Pass, in Brandenburg sind es 19,9 Prozent. af
In der Coronakrise profitierten Online-Versandhändler wie Amazon davon, dass viele Geschäfte schließen mussten oder Kunden aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus lieber zu Hause blieben und sich Waren an die Wohnungstür liefern ließen. Jetzt haben sich viele an die bequeme Bestellung via Internet gewöhnt. Amazon will in den kommenden Jahren drei neue Logistikzentren mit insgesamt 2000 Jobs in Deutschland aufbauen. Doch das erst 2013 in Brieselang eröffnete Paketzentrum gilt dem Konzern schon als relativ alt. Er will sich davon trennen. Es soll ausgelotet werden, ob Beschäftigte anderswo unterkommen können.
»Wir erwarten, dass das Unternehmen in Verhandlungen mit dem Betriebsrat offenlegt, ob ein weiterer Rückzug aus der Region geplant ist oder ob Amazon weiterhin in die Region Berlin-Brandenburg investieren wird«, erklärt Conny Weißbach von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Nach eigenen Aussagen beabsichtige Amazon, den in Brieselang betroffenen Beschäftigten Ersatzarbeitsplätze an anderen Standorten des Unternehmens anzubieten, weiß die Gewerkschaft. Da ein Standortwechsel für viele Beschäftigte jedoch sicher nicht in Betracht komme, gehe Amazon selbst davon aus, dass ein Teil der Beschäftigten seinen Arbeitsplatz verlieren werde. Weißbach fordert, »dass die Brieselanger Beschäftigten automatisch an einem anderen Berliner und Brandenburger Standort eingestellt werden«.
Den Linke-Landesvorsitzenden Sebastian Walter überrascht das Agieren von Amazon nicht. Er weiß und bedauert, wie US-Großkonzerne ticken. »Denen ist das Schicksal von 600 Familien völlig egal. Das sind knallharte Kapitalinteressen.« Walter fürchtet, der US-Konzern Tesla könnte eines Tages genauso handeln und seine Autofabrik in Grünheide bedenkenlos einfach wieder dichtmachen. »Darum sind solche Großkonzerne nicht die Lösung für Brandenburg«, meint Walter. Das Rückgrat der hiesigen Wirtschaft seien der Mittelstand und kleine Betriebe. Die müsse man fördern. Jetzt könne es für den Standort Brieselang wohl leider nur noch darum gehen, einen Sozialplan auszuhandeln.
Der eine oder andere Beschäftigte wird sich zumindest übergangsweise arbeitslos melden müssen. Im Februar waren bei der Arbeitsagentur 182 447 Berliner und 81 388 Brandenburger als Erwerbslose registriert. Im Vergleich zum Februar vergangenen Jahres verharrte die Berliner Arbeitslosenquote bei 9,0 Prozent. In Brandenburg stieg die Quote von 5,7 Prozent vor einem Jahr auf jetzt 6,1 Prozent. In Berlin sind 19 384 Stellen offen, in Brandenburg 25 481. »Mit einem Berufsabschluss in der Tasche gestaltet sich die Jobsuche einfach«, wirbt Ramona Schröder bei der Jugend für eine Berufsausbildung in einem Unternehmen. Schröder ist Regionaldirektionschefin der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) erklärt, der Arbeitsmarkt seines Bundeslandes werde zunehmend internationaler, und das sei auch gut und wichtig. Denn »ohne diese Internationalisierung würde es angesichts des hohen Fach- und Arbeitskräftebedarfs immer schwieriger, die brandenburgische Wirtschaftsleistung zu erbringen und damit den Wohlstand in unserem Bundesland zu sichern«. Es komme darauf an, Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland »bei uns zu halten«. Trotz Corona- und dann Ukraine-Krise erweise sich der Arbeitsmarkt in Brandenburg bisher als »äußerst robust«, urteilt Steinbach. Zwischen Juni 2021 und Juni 2022 habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hier um 15 669 Personen zugenommen. Davon seien »2689 Personen deutscher Nationalität« und 12 979 Männer und Frauen mit einer anderen Staatsangehörigkeit.
»Der Arbeitsmarkt in der Hauptstadtregion entwickelt sich trotz der vorherrschenden wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten weiterhin relativ stabil«, findet auch Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Es könnte seiner Ansicht nach noch besser laufen, »wenn genügend Fachkräfte vorhanden wären«. Dafür bräuchte es unter anderem mehr Wohnraum, schnelleres Internet, bessere Schulen, ein einladendes Ausländerrecht, beschleunigte Visa- und Anerkennungsverfahren sowie mehr Willkommenskultur.
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