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Klimawandel im Wintersport: Kanarienvögel ohne Schnee

Zu warm für Schnee: Die Klimakrise stellt den Wintersport vor große Probleme. Die Skiläufer bangen um ihre Zukunft

  • Lars Becker, Planica
  • Lesedauer: 5 Min.
Keine Schneesicherheit: Der Skiort Oberstdorf und Skilangläuferin Katharina Hennig müssen sich um ihre Wintersport-Zukunft sorgen.
Keine Schneesicherheit: Der Skiort Oberstdorf und Skilangläuferin Katharina Hennig müssen sich um ihre Wintersport-Zukunft sorgen.

Bei der Nordischen Ski-WM haben die Organisatoren das Wetter mit Kälte und Schnee als eine der wichtigsten Ursachen dafür ausgemacht, warum viel weniger Zuschauer als erwartet nach Planica kamen. Ganz davon abgesehen, dass die horrenden Preise der wichtigste Grund für das Fan-Desaster sind – in der Wintersportszene sollte eigentlich jeder froh darüber sein, wenn noch natürliches Weiß bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt fällt.

Die Zukunft für den Wintersport in unseren Breitengraden sieht nämlich düster aus. Der Campus Alpin des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen hat in seinen Klimamodellen ermittelt, dass es bis 2050 in 1500 Metern Höhe mindestens 1,5 Grad wärmer sein wird. Die Alpenregion, in der auch der WM-Ort Planica beheimatet ist, wird dabei ganz besonders stark von der Erwärmung betroffen sein. Harald Kunstmann, stellvertretender Institutsleiter bei Campus Alpin und zudem an der Universität Augsburg Lehrstuhlinhaber für das Thema »Regionales Klima und Hydrologie«, rechnet deshalb in 20 Jahren mit »weit weniger Wintersport als jetzt«.

Schon in diesem Winter musste beispielsweise der Kombinierer-Weltcup in Klingenthal wegen des warmen Wetters um eine Woche verschoben werden. Die im Januar geplanten Wettbewerbe in Chaux-Neuve fielen ganz aus. Im alpinen Skisport, wo kilometerlange Schneepisten benötigt werden, fielen gleich an sieben verschiedenen Orten Weltcups aus, darunter die legendäre Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen, was für die Organisatoren mit riesigen finanziellen Verlusten verbunden war.

»Welche Orte werden sich die damit verbundenen Verluste in Zukunft noch leisten können, zumal auch die Versicherungen irgendwann nicht mehr bezahlbar sind? Es wird vom finanziellen Background und der Höhenlage abhängen, wer künftig noch solche Veranstaltungen ausrichten kann«, sagt Kunstmann.

Das sehen sogar die »alten Männer« im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) so. Die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2030 wurde kürzlich um ein Jahr nach hinten verlegt, um die Daten über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintersport noch besser analysieren zu können. »Bis 2050 werden zwischen 50 und 60 Prozent der einstigen Wintersportgebiete in Europa, die als schneesicher gegolten haben und für Olympische Spiele geeignet sind, nicht mehr existieren«, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Künftig sollen Bewerber über einen Zeitraum von zehn Jahren nachweisen, dass es im klassischen Olympia-Monat Februar Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gibt. Im Gespräch ist außerdem ein »Rotationssystem« von wenigen Orten mit garantierten Frosttemperaturen und existierenden Wettkampfstätten, die sich bei der Austragung von Winter-Olympia abwechseln sollen.

Auch einige Stars der nordischen Wintersportszene haben die Brisanz des Problems längst erkannt. Die prominente US-Skilangläuferin Jessie Diggins zum Beispiel, die sich bei dieser WM den Titel über zehn Kilometer gesichert hat. Sie reiste im vergangenen Jahr sogar nach Washington, um Mitglieder des US-Kongresses zu Maßnahmen gegen den Klimawandel zu bewegen. »Wir Skifahrer sind die Kanarienvögel im Kohlebergwerk, wir sehen die Auswirkungen des Klimawandels als erste«, sagt Diggins.

Wie dramatisch die Situation schon ist, wurde ihr bei einem Trainingslager im finnischen Rovaniemi klar: »Am Polarkreis würdest du glauben, dass man in Sachen Winter noch auf der sicheren Seite ist. Den Schnee sogar dort schmelzen zu sehen, war sehr, sehr beängstigend.« Genau das war auch ein Grund, warum Diggins einen offenen Brief an den Internationalen Ski- und Snowboardverband Fis unterzeichnet hat. Darin attackieren etwa 150 Athleten den Dachverband.

»Wir kennen die derzeitigen Nachhaltigkeitsbemühungen der Fis und bewerten sie als unzureichend. Unser Sport ist existenziell und akut bedroht«, heißt es in dem vom österreichischen Alpinskifahrer Julian Schütter initiierten Schreiben. Die Forderung der Athleten: Bis 2035 sollten alle Fis-Events klimaneutral sein. Zu den prominentesten Unterzeichnern aus verschiedenen Skisportarten gehören neben der Skilangläuferin Diggins Weltstars wie Mikaela Shiffrin und ihr Partner Aleksander Aamodt Kilde. Aus Deutschland findet sich nur der Name der Freestylerin Sabrina Cakmakli.

Namen von prominenten deutschen Wintersportlern finden sich bislang nicht bei den Unterzeichnern. Das heißt aber nicht, dass sich die Stars der Szene keine Gedanken machen. »Das Thema Klimawandel beschäftigt mich sehr, schließlich hängt mein Job davon ab. Und ich frage mich, ob meine Kinder und Enkel auch noch Wintersport erleben werden«, sagt Skilanglauf-Olympiasiegerin Katharina Hennig. Auch Skispringer Karl Geiger ist das Problem durchaus bewusst. Er fordert stärkere Nachhaltigkeitsbemühungen von den Organisatoren von Großevents: »Optimal wäre es, wenn das Flutlicht für unsere Springen und der Schnee nur mit erneuerbaren Energien produziert würden.«

Oder man verzichtet ganz auf Schnee. Die Skispringer haben das in diesem Winter beim Weltcup-Auftakt im polnischen Wisła probiert, als sie erstmals auf den sonst nur im Sommertraining üblichen Kunststoffmatten landeten. »Das war ein Feldversuch in Zeiten von Klimaerwärmung und Energiekrise. Wir konnten zeigen, dass wir es auch ohne Schnee können«, so Geiger. Der norwegische Skisprung-Cheftrainer Alexander Stöckl hat sogar angeregt, Skispringen zum Ganzjahressport zu machen. Aber kann der Wintersport in Zukunft tatsächlich ohne Schnee funktionieren?

Klimaexperte Kunstmann sieht das skeptisch. Die bekanntesten deutschen Weltcup-Orte wie das nordische Mekka Oberstdorf oder Garmisch-Partenkirchen würden auch im Tourismus von ihrem Image mit Schnee und Wintersport abhängen. Veranstalter von Großereignissen wie Weltcups oder Weltmeisterschaften müssten künftig »flexibler agieren« und ihre Wettkampfkalender unter Berücksichtigung der klimatischen Veränderungen adaptieren.

»Wir haben zum Beispiel jetzt im März einen Weltcup in Oslo, dann fast zwei Wochen frei und dann den nächsten Wettbewerb im finnischen Lahti. Das ist wegen der ganzen Hin- und Rückflüge natürlich CO2-mäßig brutal dämlich«, sagt der deutsche Nordische Kombinierer Julian Schmid, mehrfacher Medaillengewinner bei dieser WM in Planica.

Er fordert Veränderungen im Weltcup-Kalender im nordischen Skisport, zum Beispiel erst im Dezember im immer noch relativ schneesicheren Skandinavien zu starten. »Vielleicht auch länger an einem Ort, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren«, sagt Schmid. Erst im späten Januar oder Februar solle man dann in die Traditionsorte in den Alpen wie den WM-Ort Planica gehen, Schnee und Kälte inklusive.

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