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»The Rise of the Billionaires«: Digitale Feudalgesellschaft
Der Vierteiler »The Rise of the Billionaires« zeigt, wie Musk, Gates oder Bezos so mächtig wurden
Epochen: In dieser Umschreibung historischer Zivilisationsprozesse steckt zwar mächtige Dynamik, aber auch eine Spur Gemächlichkeit. Schließlich haben sie sich von der Stein- bis zur Neuzeit, von der Reformation bis zur Industrialisierung, vom Imperium Romanum bis zum British Empire im Tempo eiszeitlicher Endmoränen durch die Geschichte gewälzt. Bei sechs Männern, die gerade erst den Lauf der Gegenwart verändert haben, klingt das Wort Epoche folglich leicht übertrieben. Aber gut, diese Männer sind ja auch nicht einfach Menschen mit Y-Chromosom.
Es sind Bill Gates, Steve Jobs, Jeff Bezos, Elon Musk und – für viele weit weniger bekannt als deren Suchmaschine Google: Sergey Brin und Larry Page. Gemeinsam haben sie seit 1975 nicht weniger getan, als die Welt umzuwälzen. Auf der Zeitachse mag »Epoche« da eher nach Alexander und Napoleon klingen; auf der Einflussachse haben diese Tech-Giganten ihr Zeitalter geprägt wie niemand zuvor. Schon aus finanzieller Sicht. Sein Gemeinschaftsporträt dieser sechs Weltveränderer hat der Streamingdienst Paramount Plus daher auch nicht »Aufstieg der Internet-Revolutionäre« genannt, sondern »Rise of the Billionaires« – wobei das Wort für Milliardäre im Englischen irgendwie angemessener klingt als auf Deutsch.
Schließlich, das rechnet der Abspann des Vierteilers vor, führt Tesla-Gründer Musk die Rangliste der reichsten Menschen (also Männer) mit einem Vermögen von 219 000 000 000 Dollar an, gefolgt von Bezos (171), Page (111) und Brin (107), was den Reichtum des Facebook-Gründers Zuckerberg auf Höhe vom kroatischen Bruttoinlandsprodukt (68) fast dürftig dastehen lässt. Dabei war ein Privatvermögen im Bereich fortschrittlicher Staaten selbst zur Zeit amerikanischer Monopolisten vom Schlage Rockefellers undenkbar. Es wirft also Fragen auf, die die Doku-Macher*innen Gagan Rehill und Katie Hindley im Wechsel beantworten. Was, so viel vorweg, bei aller Erhellung ziemlich düster wirkt.
Denn »wie eine Gruppe Tech-Geeks« laut Vorspann »die Welt für immer verändert haben und damit unvorstellbaren Reichtum und Macht erlangten« – das mag am Anfang noch arglos erscheinen, weshalb die Regisseure zunächst mal 30 Jahre rückwärts zoomen. Auf Elon Musk, wie der Mittzwanziger noch pausbäckig die Internet-Administration revolutioniert und der ähnlich junge Jeff Bezos mit vollem Haar den Online-Handel. Wie der knuffige Mark Zuckerberg dasselbe mit der Kommunikation tut oder Larry Page und Sergey Brin mit der Informationssuche. Und wie Bill Gates komplett faltenfrei die Software perfektioniert und Steve Jobs die Hardware.
Und so haben die Denkmalstürmer – größtenteils ausgebildet an den Elite-Universitäten der USA, mehrheitlich fortgebildet in den Garagen des Silicon Valley – nicht nur ihre eigenen Sachfelder verwandelt, sondern fachübergreifend Epochales vollendet: den Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter. Und ein Moment zu Beginn dieses beeindruckenden Vierteilers zeigt, wohin die Reise gehen sollte. Der junge Clinton-Vize Al Gore erklärt einem Saal voller Menschen mit geföhnten Seitenscheiteln euphorisch, digitale Technik müsse entwickelt werden – und zwar »zum Wohle der Menschheit«.
Zig Zeitzeugen und Wegbegleiter, Bestandsanalysen und Archivbilder, Geschichtsstunden und Zukunftsvisionen später jedoch mündet der dokumentarische Vierteiler unvermeidbar in einer Szene, die mehr sagt als alle Home-Videos und O-Töne zusammen: Ein Großteil der Revolutionäre sitzt da am Tisch eines noch viel mächtigeren Mannes und huldigt ihm wie schüchterne Schuljungs. Es ist Donald Trump.
Der Antrittsbesuch beim Demokratiezerstörer, den erst die Manipulationsanfälligkeit der Technik ins höchste Amt der USA gebracht hat, zeigt endgültig, dass die Tech-Milliardäre nicht Teil der Lösung, sondern Teil nahezu aller Weltprobleme von Populismus über Krieg bis zur Klimakrise sind. Denn 2016, da faselt Musk längst von Mars-Besiedlung, Bezos arbeitet an der konsumistischen Weltherrschaft und Zuckerbergs Plattform fördert einen Schwall von Hate-Speech zutage, dem Google freundlicherweise die Algorithmen bereitstellt. Und da war von Amazons Kampf gegen Gewerkschaften, Musks megalomanem Twitter-Kauf oder der ressourcenverschlingenden Herstellung digitaler Endgeräte plus energiefressenden Serverparks noch nicht mal die Rede.
Wären die fünf überlebenden Digital-Machthaber demnach ein Staat und ihre Vermögen sein BIP – gemeinsam lägen sie im Ranking der weltgrößten Volkswirtschaften auf Platz 20, zwischen der Schweiz und Polen. Die kapitalistische Feudalgesellschaft mag sich digitalisieren, ihr Klassensystem bleibt auf Industrialisierungsniveau.
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