Der Bürokrat

Kemal Kılıçdaroğlu soll den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei den Wahlen herausfordern

  • Svenja Huck, Istanbul
  • Lesedauer: 2 Min.

Uncharismatisch, alevitisch, bürokratisch – diese Adjektive fallen häufig, wenn es um Kemal Kılıçdaroğlu geht. Der Vorsitzende der CHP, der größten Oppositionspartei in der Türkei, wird mit Spitznamen Gandhi Kemal genannt, da er dem indischen Politiker nicht nur etwas ähnelt, sondern auch eine ruhige Ausstrahlung hat. 

Gleichzeitig könnte dieses Auftreten zum Hindernis werden, denn nichts Geringeres als den amtierenden Präsidenten Erdoğan bei den kommenden Wahlen zu besiegen, erwartet die Opposition von ihm. Ebenso wird sein alevitischer Hintergrund – eine nicht offiziell anerkannte religiöse und kulturelle Minderheit in der Türkei – immer wieder als möglicher Grund für eine Wahlniederlage angeführt.

Doch der 74-Jährige ist auch ein erfahrener Politiker, der in 90er Jahren zunächst Generaldirektor bei der Sozialversicherung Bağ-Kur und anschließend bei der Sozialversicherungsanstalt SSK war. Seit 2002 vertritt er die CHP im Parlament, zu deren Vorsitzender er 2010 gewählt wurde. Innerhalb der Partei nimmt Kılıçdaroğlu eine schlichtende Rolle ein, die rechte und linkere Fraktionen unter einem potenziell staatstragenden Nationalismus vereinen kann. Zwar fordert er die AKP-Regierung immer wieder hinaus, wenn es um die Verletzung der Justiz oder Korruptionsskandale geht. Gleichzeitig steht er jedoch auch hinter ihr, so bei Auslandseinsätzen der türkischen Armee oder der Aufhebung der Immunität von HDP-Abgeordneten. 

Und immer wieder kündigt Kılıçdaroğlu an, die über drei Millionen syrischen Geflüchteten abzuschieben, sollte er an die Regierung kommen. Einer unterdrückten Minderheit anzugehören führt also nicht automatisch dazu, progressive Politik zu machen. Ob er die Opposition im Land über seine Partei hinaus vereinen kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Dass Meral Akşener, Vorsitzende der rechtsextremen İYİ-Partei, ihn nicht unterstützt, ist wohl ein gutes Zeichen.

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