Im Ukraine-Krieg kämpfen Algorithmen von Palantir

Mit Künstlicher Intelligenz ist die Ukraine dem russischen Angreifer voraus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit über einem halben Jahr will das russische Militär Bachmut, eine Stadt in der Region Donezk, erobern, beide Seiten erleiden dabei schwere Verluste. Internetvideos zeigen Kiews dreckverschmierte Soldaten mit Waffen im Anschlag – und Tablets in den Händen. Auf digitalen Karten wählen sie Ziele aus: Panzer, Artilleriegeschütze, Nachschublager. Ein paar Klicks, Artilleristen richten Geschütze aus, feuern und zerstören Hochwertziele.

Wie viel davon Kriegspropaganda und wie viel reale Kampfführung ist, bleibt offen. Doch auch unabhängige Experten meinen, dass die Ukraine – jenseits von Diskussionen über Kampfpanzer und Kampfjets – den russischen Angreifern technologisch überlegen ist. An vielen Abschnitten kämpft eine digitale gegen eine analoge Armee, und weit weg werten IT-Experten Ergebnisse aus. 

Generell sehen Militärs vier wesentliche Bereiche, in denen KI Vorteile verspricht: Aufklärung, Logistik, Operationen im Cyberraum und der direkte Einsatz auf dem Schlachtfeld. In den ersten drei Bereichen sind moderne KI-Anwendungen bereits im Einsatz oder werden getestet. Dabei ist der Übergang von der Nutzung digitaler Systeme hin zur Künstlichen Intelligenz fließend. Während westliche Militärs vor Moskaus Überfall auf die Ukraine noch die Hardware-Systeme beider Länder gegeneinander aufrechneten, wiesen IT-Spezialisten darauf hin, dass Kiews Streitkräfte ihren Führungsapparat digitalisiert und gegen Störungen gehärtet haben. Zur Not, so die Behauptung, hätte der ukrainische Generalstab seine Operationen von jedem Punkt der Erde aus steuern können.

Das mag übertrieben sein, Tatsache jedoch ist, dass das Satellitennetzwerk »Starlink« – es wird vom Raumfahrtunternehmen SpaceX des US-Tesla-Milliardärs Elon Musk betrieben – eine wesentliche Rolle bei der Organisierung des Abwehrfeuers spielte.

Gerade boomen außerdem Berichte über eine Software namens »Meta-Constellation«. In der Ukraine werden damit Informationen von kommerziellen Satelliten über gegnerische Truppenstellungen verarbeitet. Auch Drohnendaten und Erkenntnisse aus der traditionellen Aufklärung fließen darin ein, darunter Standorte der russischen Artillerie, Panzer und Truppenstellungen.

Entwickelt hat das System der US-Technologiekonzern Palantir unter dem in Deutschland geborenen Multimillionär Peter Thiel, der sich in den USA vor allem als Trump-treuer Hardliner der Republikaner hervortat. Thiel fährt einen einzigartigen Werbefeldzug für die in seinem Umfeld entwickelten KI-Systeme. Sie würden, so wirbt er, ebenso beim Kampf gegen die Corona-Pandemie wie gegen die russischen Truppen helfen.

Palantir, so erklärt Alex Karp – auch er ist Mitgründer von Palantir und eröffnete im Februar ein Büro in Kiew –, sei nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 gegründet worden, um Datenanalysen zum Schutz der USA zu nutzen. Seitdem habe man nicht nur der Homeland Security geholfen, »sondern dazu beigetragen, Völkermord zu bekämpfen, gegen Sexhandel vorzugehen, Terroranschläge zu verhindern, Drogenkartelle zu besiegen und sogar die Vereinigten Staaten vor bösartiger Computer-Hacking-Software zu schützen«.

Ideologisch mag sich Alex Karp, der dem demokratischen Lager von US-Präsident Joe Biden nahesteht, von Thiel unterscheiden, fachlich aber kaum. Der »Washington Post« sagte er: »Die Macht fortschrittlicher algorithmischer Kriegsführungssysteme ist inzwischen so groß, dass sie einem Gegner, der über konventionelle Atomwaffen verfügt, gleichkommt.« Karp ist ein wenig traurig, dass die mithilfe von Palantir gewonnenen »Errungenschaften« von der Außenwelt »selten bemerkt werden«. Es sei denn, man schaut im Internet zu, wie ukrainische Soldaten im Schützengraben mit einem Tablet hantieren.

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