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Frenzel und Weinbuch: Lichtgestalten auf Abschiedstour
Jahrelang haben Herrmann Weinbuch und Eric Frenzel den Nordischen Kombinationssport geprägt. Nun hören beide auf
Natürlich kommt bei Eric Frenzel in diesen Tagen des Abschieds auch einmal Wehmut auf. So wie am vergangenen Wochenende in Oslo. »Natürlich denke ich manchmal daran, dass ich die Sprünge, die noch vor mir liegen, an einer Hand abzählen kann. Aber es ist die richtige Entscheidung zurückzutreten«, hat der 34-Jährige gesagt. Und sich auf die letzten beiden Stationen seiner Abschiedstour gefreut. In zwei Wochen im finnischen Lahti und jetzt eben am Holmenkollen in Norwegen.
Vor zwölf Jahren hat Frenzel hier den WM-Titel und drei weitere Medaillen gewonnen. Diesmal schaffte es die deutsche Kombinierer-Legende »nur« auf die Plätze 15 und 24. Und stand damit trotz einer ordentlichen Laufleistung wie schon die gesamte Saison im Schatten des neuen deutschen Teamleaders Julian Schmid. Sein zweiter Platz am Samstag hinter Norwegens Dominator Jarl Magnus Riiber und Rang drei am Sonntag abermals hinter Riiber und seinem deutschen Teamkollegen Vinzenz Geiger machten auch Hermann Weinbuch froh. Auch der Bundestrainer wird seine Position nach dem Saisonende verlassen, nach 27 Jahren voller Erfolge. Weinbuch versucht den bevorstehenden Abschied zu verdrängen, aber es ist zu spüren, wie sehr ihm das bevorstehende Ende seines sportlichen Lebenswerks nahegeht.
Es ist nicht weniger als eine Zeitenwende, die den deutschen Winterzweikämpfern bevorsteht. »Mit Hermann Weinbuch und Eric Frenzel verlassen zwei Lichtgestalten der Nordischen Kombination die Bühne«, sagt Weltcup-Sportdirektor Horst Hüttel. Die Pathetik ist angebracht: Als Hermann Weinbuch 1996 seinen Job antrat, war Helmut Kohl Bundeskanzler und Berti Vogts Fußball-Bundestrainer. 27 Jahre später haben seine Sportler unglaubliche 57 Medaillen bei Olympia und WM gewonnen. Der bald 63 Jahre alte Mann gehört damit sportartenübergreifend zu den erfolgreichsten deutschen Trainern aller Zeiten.
Eric Frenzel trug seit 2009 als dreimaliger Olympiasieger und fünfmaliger Gesamtweltcupsieger einen guten Teil zu Weinbuchs Erfolgssammlung bei. Anfang März gewann er in Planica noch einmal Team-Silber bei der WM und krönte sich mit seiner 18. Medaille zum erfolgreichsten nordischen Wintersportler aller Zeiten bei Weltmeisterschaften. Es war der perfekte Ringschluss für den gebürtigen Sachsen – 2007 hatte mit Gold bei der Junioren-WM genau hier im Dreiländereck von Slowenien, Italien und Österreich seine spektakuläre Karriere begonnen.
Frenzels besonderer Dank für all die Jahre galt Hermann Weinbuch: »Er hat uns alle zu dem gemacht, was wir jetzt sind. Ich bin dankbar, so einen fachlich überragenden und menschlichen Trainer gehabt zu haben.« Umgekehrt gilt die Wertschätzung genauso. Denn für den scheidenden Chefcoach war Eric Frenzel nicht nur sportlich, sondern vor allem »menschlich über all die Jahre ein Vorbild.« Schon mit 18 wurde der deutsche Fahnenträger bei Olympia 2018 zum ersten Mal Papa und sehnt sich nach Ende seiner Karriere vor allem nach »viel mehr Zeit mit meiner Familie«, zu der neben Ehefrau Laura inzwischen auch drei Kinder gehören.
Auch Hermann Weinbuch freut sich nach seinem Abschied ganz besonders darauf, dass er mehr für seine Kinder Gioia und Tonio da sein kann. Aber auch, dass er gemeinsam mit sechs Kumpels seinem liebsten Hobby frönen kann. »Ich spiele gern Golf. Bisher hatte ich nicht so viel Zeit dafür und musste eher übers Talent kommen«, berichtete er mit einem leichten Grinsen. Sein bevorstehendes Aus zum Saisonende begründete er auch mit der derzeitigen Stimmung in seinem Team. »Die Energie ist von meiner Seite nicht mehr ganz da. Die jungen Leute, es ist noch mal spezieller, mit ihnen zu arbeiten. Mein Gefühl sagt mir, dass ich vielleicht bei den Jungs nicht mehr die hundertprozentige Überzeugung gewinnen kann und sie nicht mehr hundertprozentig motivieren kann«, sagte Weinbuch am Sonntag in Oslo.
Es wird eine neue Ära in der Nordischen Kombination ohne die beiden »Lichtgestalten« Weinbuch und Frenzel werden, aber um die Fortsetzung der deutschen Erfolgsgeschichte muss man sich keine Gedanken machen. Hermann Weinbuch hat wie immer zuvor in seiner Amtszeit bereits dafür gesorgt, dass der Generationswechsel erfolgreich vollzogen ist. Der dreimalige WM-Silbergewinner Schmid (23) und Olympiasieger Geiger (25) haben die Führungsrolle übernommen. Wer ihr neuer Coach wird, soll in den kommenden Wochen entschieden werden.
»Es wird eine Herausforderung, das System in der Nordischen Kombination neu aufzustellen, das wird meine Hauptaufgabe in den nächsten Wochen. Wir müssen einen Nachfolger finden, der die erfolgreiche Philosophie der letzten über 25 Jahre weiterführt«, sagt Horst Hüttel im Exklusivinterview. Der Weltcup-Sportdirektor berichtet, dass schon Gespräche mit möglichen Nachfolgern stattgefunden hätten. Denkbar seien eine deutsche, aber auch eine internationale Lösung. Der einst als Wunsch-Nachfolger geltende Ex-Co-Trainer Ronny Ackermann hat bereits abgewunken – er will derzeit Stützpunkttrainer in Thüringen bleiben.
Hermann Weinbuch soll dem Deutschen Skiverband (DSV) mindestens bis Olympia 2026 in anderer Funktion erhalten bleiben. Vor allem im Nachwuchs und in der Trainerschule soll er seine unschätzbare Erfahrung weitergeben. Laut Weinbuch sei über eine übergeordnete Position für Männer und Frauen in der Nordischen Kombination gesprochen worden: »Es wäre aber sicherlich nicht förderlich, wenn ich meinem Nachfolger dann reinquassle. Der soll und muss seinen eigenen Weg gehen.«
Auch für Eric Frenzel stehen die Türen im DSV laut Hüttel »weit offen«. Der WM-König der Winterzweikämpfer will der Nordischen Kombination erhalten bleiben, »weil ich meinen Sport einfach viel zu sehr liebe.« Auch wenn jetzt die Zeit des Abschieds als aktiver Sportler gekommen ist.
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