- Sport
- Fan-Ausschluss für Eintracht Frankfurt
Frankfurts Fußballfans werden illegal aus Neapel verbannt
Immer mehr Klubs und Städte verbieten Fußballanhängern die Anreise zu Auswärtsspielen
Sie hatten sich wirklich wieder Mühe gegeben, die Fans von Eintracht Frankfurt. Schon als Torwart Kevin Trapp am Wochenende zum Warmmachen auf den Platz lief, strahlte ihn das riesige Plakat an. »Sieg in Napoli!« hatten die Anhänger in geschwungener Schrift darauf verewigt. Doch hilft in der Champions League nach dem mit 0:2 verlorenen Achtelfinalhinspiel gegen den SSC Neapel diesmal kein 1:0 wie 1994 im Uefa-Cup, als Lockenkopf Ralf Falkenmayer für die Eintracht traf.
Für das Rückspiel an diesem Mittwoch beim unangefochtenen Tabellenführer der Serie A hat Trainer Oliver Glasner die Hoffnung dennoch nicht aufgegeben. Er schwor sein Ensemble hinter blickdichten Planen im Frankfurter Stadtwald auf den vielleicht größten Kraftakt der jüngsten Europapokalgeschichte ein. Wobei sich der 48-Jährige des Galgenhumors bediente, weil man doch gar nicht wisse, ob seine Entourage auch wirklich einreisen dürfe: »Wir haben ja auch einige mit deutschem Pass dabei.« Um den Witz zu verstehen, musste man wissen, das die letzten Tage geprägt von einem Hin und Her gewesen waren, ob deutsche oder speziell Frankfurter Fans nun in die nach Diego Armando Maradona benannte Spielstätte hineindürfen oder nicht.
Die Posse beendete die Eintracht genervt am Montag selbst und erklärte den freiwilligen Verzicht auf die üblichen 2700 Gästetickets. Vereins-Justiziar Philipp Reschke ätzte: »Wir möchten niemanden vor Ort der offensichtlichen Gefahr behördlicher Willkür aussetzen, wie wir sie in beispielloser Form mit allen Verantwortlichen in Neapel erleben.« Am Sonnabend hatte noch eine einstweilige Verfügung überraschend Erfolg gehabt, dass das vom italienischen Innenministerium erlassene Ticketverkaufsverbot für Personen mit Wohnsitz in ganz Deutschland rechtswidrig, weil unverhältnismäßig sei. Am Sonntag beschloss die Präfektur Neapel dann, keine Karten an Menschen mit Wohnsitz in Frankfurt am Main zu verkaufen.
Reschke bezeichnete auch den neuen Erlass als »völlig untauglich, weil zwei Drittel unserer Fans aus der Rhein-Main-Region und nicht aus Frankfurt kommen. Wir werden uns aber nicht in Postleitzahlengebiete aufspalten lassen.« Hinzu kamen große organisatorische Probleme: Charterflieger und Übernachtungen lassen sich nicht binnen weniger Stunden stornieren oder wieder buchen. Solche Auswärtsreisen werden von Fans mit langem Vorlauf geplant, zumal die meisten dafür Urlaub nehmen. Selbst Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, schaltete sich ein: »Ich finde es problematisch, wenn solche Geschichten einreißen.«
In Italien sind derlei Auswärtsverbote durchaus üblich. Sie werden seit zwei Jahrzehnten nicht mal mehr politisch gedeutet. In Deutschland aber ist das anders. Frankfurts Fanvertreter Dario Minden erklärte: »Viele im Fußballgeschäft begreifen wohl noch nicht die Tragweite dessen, was Neapel gerade gegenüber Eintracht Frankfurt abzieht. Das gefährdet die ganze europäische Auswärtsfahr-Kultur, wenn es so einfach möglich ist, Gästefans auszuschließen.« Seine Furcht: »Letztlich geht damit die ganze Magie des Europapokals vor die Hunde.«
Dass es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Fanlagern kommen könnte, war direkt nach der Auslosung bekannt. Beide Vereine hätten im Dialog mit ihren Sicherheitsbehörden vereinbaren können, auf mitreisende Fans zu verzichten, taten das aber nicht. Vor drei Wochen war es in der Mainmetropole prompt zu einigen schweren Ausschreitungen gekommen. Der neue Erlass ist ein ebenso verzweifelter wie umstrittener Versuch, die Eintracht-Anhänger von einem Trip in die Region Kampanien abzuhalten.
Der in der Ultraszene verwurzelte Fanvertreter Minden vermutet, dass Neapel durch die Maßnahme nicht sicherer werde. »Das Sicherste ist immer, die Leute in einem Gästeblock zu haben. Ob man das jetzt gut oder schlecht findet: Realistisch wird Neapel trotz aller Bemühungen keine Frankfurt-freie Zone.« Viele Eintracht-Fans würden ihre längst gebuchte Reise schließlich auch so antreten. Reschke schwant daher nichts Gutes: »Ich würde niemandem raten, hinzufahren. Und die, die dort sind, sollten nicht zu sehr auffallen.« Neapel sei »ein kompliziertes Pflaster, um es mal sehr vorsichtig zu sagen«.
Derweil werden die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt am Vesuv verstärkt. Am Flughafen sollen Passagiere aus Deutschland besonders überwacht werden. Zur Wahrheit gehört ja auch, dass unter den Tausenden Frankfurtern Gästefans oft nicht nur eine Handvoll Störenfriede mitfahren. In Italien erinnert man sich mit Schrecken an die 10 000 Fans, die 2018 zu einem Europa-League-Spiel in Rom aufschlugen. Seither werden die Krawalle rund um die schöne Piazza del Popolo als »devastazione« bezeichnet – die Verwüstung.
2019 flog Leuchtspurmunition durchs San-Siro-Stadion von Inter Mailand. Auch daheim fielen die Frankfurter Ultras schon aus der Rolle, als sie etwa im Anschluss ans Europa-League-Halbfinale gegen West Ham United einen Platzsturm inszenierten, den Aleksander Ceferin als Präsident von Europas Fußballverband Uefa live erlebte. Dennoch erhielt der Klub zu Hause immer nur Bewährungsstrafen. Auswärts ist das anders: Spiele in Lüttich und London musste die Eintracht bereits ohne Fans bestreiten – auf Geheiß der Uefa. Dass jetzt eine Stadt im Doppelpass mit dem Klub den Gästeblock schließt, hat fürwahr eine neue, politische Dimension.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.